Analyse der “Großen Terrors”
"Wohl kaum eine andere Zeit hatte für so viel Aufsehen gesorgt und zugleich wurden über keine Zeit so viele Lügen vebreitet" Man erinnere sich nur an antikommunistische Werke wie “The Great Terror” von Robert Conquest, “Archipel GULag” von Alexander Solschenizyn, oder auch “modernere” Literatur wie das “Schwarzbuch des Kommunismus” und weitere Werke, die die - angeblich- ungeheueren Ausmaße des stalinistischen “Terrors” beschreiben sollen. Diese Säuberungen, so die bürgerliche Propaganda, sei die große Abrechnung Stalins gewesen, da habe er endgültig alle Konkurrenten ausgeschaltet, sein Land bluten lassen. Laut der vorhin genannten Werke, soll der Eindruck erweckt werden, dass zu dieser Zeit niemand sicher war; dass selbst der kleinste Fehler dazu führen würde, verhaftete, gefoltert, in Lagerhaft deportiert oder gar erschossen oder gefoltert zu werden. Hier sollen parallelen zur Hitlerdiktaur gezogen werden, oder gar- wie uns das “Schwarzbuch” weismachen will, soll der Kommunismus um ein vielfaches schlimmer sein als der Faschismus. Dass diese Behauptungen rein gar nix mit der Realität zu tun haben, sollte jeder wissen, der sich ernsthaft mit der Geschichte des “Großen Terrors” befasst hat. Und hier stoßt man auf ein regelrechtes Problem: obwohl ein Großteil der Sowjet - Archive geöffnet und zugänglich gemacht wurde, ist in den bürgerlichen Medien davon wenig bis gar nichts zu erfahren. Dies hat auch einen bestimmten Grund: die Archive beweisen, dass die antikommunistische Propaganda, die Hetze gegen die Sowjetunion Stalins eine komplette Lüge sind. Der Antikommunismus, speziell der Antistalinismus, soll aber ideologisch an Standfestigkeit haben, um jegliche Arbeiterbewegung zu brechen und/oder zu kriminalisieren. Eine Veröffentlichung der Archive, hätte aber das Gegenteil zur folge. Nun, das muss man auch bedenken, gibt es tatsächlich eine Anzahl bürgerlicher Historiker, die nicht nur Zugänge zu den Archiven hatte oder hat, sondern auch darüber Arbeiten publiziert hatten. Zu solchen Historikern gehören J. Arch Getty, Garbor T. Rittersporn, Robert Thurston und Viktor N. Zemskow. Allen gemeinsam ist ihr Antikommunismus, doch anders als Conquest oder Solschenizyn haben sie die nötige Objektivität, sodass ihre Ausführungen glaubhafter sind. Ihre Arbeiten sind eher akademischer Natur, sodass man es weniger mit politischer Bewertung zu tun hat, wie man es von dem “Cold War” - Historikern kennt. Andererseits muss man auch bedenken, dass es sich hierbei um bürgerliche und ihrer gewissen Objektivität zum Trotz antikommunistische Historiker sind. Ihre Arbeitsmethode ist nun mal nicht der dialektische oder historische Materialismus, sondern die idealistische Geschichtsschreibung. Sie sehen nicht, oder wenn nur verzerrt, die stattfindenden Klassenkämpfe, beachten kaum die Linie der KPdSU und deren Bedeutung, verstehen nicht, dass die Geschichte keine Geschichte einzelner Persönlichkeiten , sondern die Geschichte von Klassenkämpfen ist, sehen somit nicht die wahre Bedeutung des Sozialismus und der dort stattfindenden Prozesse. Diese Gesichtspunkte sollte man als Marxist - Leninist im Auge behalten. Von bürgerlichen Historikern ist es, auch wenn sie in gewisser Weise objektiv sind, nicht zu erwarten. Die Analyse des Großen Terrors beruft sich auf die Arbeiten dieser Historiker, deren Werke großteils unbekannt sind. Diese Werke werden aber nicht bloß ins deutsche übersetzt und wiedergegeben, sondern, sondern fallen unter eine marxistisch-leninistische Betrachtung, werden unter dem Gesichtspunkt des dialektischen und historischen Materialismus analysiert. Danach, nach der herrschenden Meinung in diesem Land, also der Meinung der Herrschenden, handelte es sich bei den 'physischen Liquidierungen' vieler Menschen, darunter auch einiger deutscher Kommunisten in der UdSSR in den dreißiger Jahren um 'stalinistische Säuberungen', um 'stalinistischen Terror'. Danach ist und war allein Stalin für diesen 'Terror', für diese 'Verbrechen', für diese 'Massenmorde' verantwortlich. Niemand sonst. Gemeint ist im Grunde damit: der in der Sowjetunion aufgebaute Sozialismus war im Grunde dafür verantwortlich. Er war ein 'verbrecherisches', 'menschenfeindliches' 'Terrorsystem': 1. Als Marxisten-Leninisten lehnen wir das Konzept des 'allmächtigen Diktators', nach dem Motto 'Männer machen die Geschichte' ab. Wir wissen, dass Menschen nur die Vollstrecker historischer Gesetzmäßigkeiten sind, denn gesellschaftliche Entwicklungen folgen wie natürliche Prozesse Gesetzmäßigkeiten. Die Geschichte ist nicht die Summe zufälliger Gegebenheiten und Ereignisse. Dies ist das bürgerlich-idealistische Konzept, das wir aus gutem Grunde ablehnen. Also: 2. Wir wissen auch, dass die unterschiedlichsten Leute, Anhänger Trotzkis und Bucharins und gleichzeitig Anhänger der stalinschen Führung von den 'Säuberungen' betroffen waren. Wir wissen, dass Sinowjew und Kamenjew 1936 verurteilt wurden, weil sie den Mord an Sergej Kirow organisierten; wir wissen, dass Marxisten-Leninisten Opfer von Anschlägen wurden wie Lenin, Gorki u.a. 3. Und wir wissen, dass unglaublich viele in die 'Säuberungen' oder auch 'Jeschowschina' genannt, einbezogen wurden, dass es unglaublich viele Opfer gegeben hat. Das versuchen einige Genossen herunterzuspielen. Es ist aber eine unbestrittene Tatsache, dass es zumindest Zehntausende waren. Es waren aber weniger als die Millionen, die uns von gewissen Leuten untergeschoben werden sollen. Aber wir dürfen die Dinge nicht verharmlosen. Auf gar keinen Fall. Marxisten-Leninisten stellen sich den Tatsachen, auch wenn sie unbequem sind und sehen nicht weg. Bevor auf die Einzelheiten der Stalinschen Säuberung eingegangen wird, stellt sich die Frage was zu diesen Säuberungen führte? Bürgerliche „Historiker“ kennen da natürlich nur eine Antwort: es handelt sich dabei um Stalins krankhaften Misstrauen gegenüber seiner eigenen Bevölkerung, die er mehr fürchtete als die äußeren Feinde. Diese bodenlose Behauptung ist totaler Schwachsinn! Die Gründe für den „Terror“ haben viele Aspekte, die man unbedingt miteinbeziehen muss um ein umfassendes, realistisches Bild über diese Zeit zu machen. Gehen wir dabei auf die wichtigsten Punkte ein:
Dies sind im Großen und Ganzen die Hauptgründe für die stalinschen Säuberungen und die möglichen Ursachen für die Verbrechen die dort stattfanden: die Kriegsgefahr, notwendige Repressalien während der Industrialisierung, das zaristische Erbe, unterschiede zwischen „oben“ und „unten“, die zunehmende Bürokratie der Partei und die offene terroristische Opposition um Trotzki. Häufig wir erwähnt, dass viele Maßnahmen, die zur Säuberung geführt haben (nicht zuletzt einige der oben genannten, wie die Repressalien, oder die Lohnunterschiede), Fehlentscheidungen der Sowjetregierung waren. Wer tatsächlich so was unterstellt dem sei gesagt: „Wie hätte es denn die Sowjetregierung anders machen sollen? Hätte sie ihr Land nicht industrialisieren sollen? Und wenn sie es industrialisieren sollte, wie hätte sie es denn anders machen sollen?“ Natürlich ist aus heutiger Sicht, wenn man zum Beispiel die Verhältnisse in Deutschland betrachtet, „Fehler“, aber insofern nur Fehler, wenn man das sowjetische Modell zu 100% auf heute übertragen würde. Die Sowjetregierung hatte zu dieser zeit nicht nur die richtige marxistisch-leninistische Grundlinie gehabt, sondern hatte auch die richtigen, zur damaligen zeit notwendigen Maßnahmen getroffen, weil sie den historischen Umständen die einzig möglichen, die einzig richtigen waren! Gehen wir jetzt dem Phänomen 'stalinistische Säuberungen' nur für einen Moment etwas näher auf den Grund unter Zugrundelegung dessen, was es an neueren Erkenntnissen dazu inzwischen gibt, wozu auch die teilweise Öffnung von Archiven - längst nicht aller! - beigetragen hat 1. Welche 'Säuberungen' gehen auf 'Stalins Konto'? Der US-Botschafter Davies der wie viele andere westliche Journalisten damals den Prozessen beiwohnte, lobte die Fairness und den rechtstaatlichen, ja sogar vorbildlichen Charakter dieser Verfahren. Davies war selbst Anwalt und verstand etwas von der Materie. Diese Prozesse schalteten die 'Fünfte Kolonne' der Nazis in der UdSSR aus, denn es hatte sich auch gezeigt, dass die trotzkistische Opposition mit dem militaristischen Japan und dem faschistischen Deutschland zusammengearbeitet hatte und sogar die Zerstückelung der UdSSR nach einem Naziüberfall diskutiert hatte. Die Trotzkisten waren z.B. bereit, einen Teil der Ukraine an Deutschland abzugeben usw. Was die Moskauer Prozesse angeht, so wird häufig erwähnt, dass die Geständnisse der Angeklagten durch Folter etc. erpresst oder erzwungen wurden. Gehen wir mal auf einige der gängigsten Theorien ein: 1. Folter. Nun ist es sicherlich möglich, einen ehrlichen Kommunisten dazu zu bewegen, falsche Geständnisse von Landesverrat durch die Anwendung von Folter schriftlich abzulegen. Jedoch eröffnet sich im offenen Gerichtssaal die Möglichkeit, das zu entlarven. Aber nicht ein einziger der Angeklagten machte von ihr Gebrauch. Im Gegenteil: Diejenigen, denen die Frage gestellt wurde, ob sie unter Druck gesetzt worden waren, als sie auf den Prozess warteten, verneinten dies. 2. Drogen. Der Medizin ist jedoch keine Droge bekannt, durch die Menschen dazu veranlasst werden könnten, völlig falsche Anschuldigungen zuzugeben und gleichzeitig in anderer Hinsicht sich völlig normal zu benehmen und sogar Streitgespräche mit dem Ankläger zu führen. 3. Das Versprechen der Begnadigung bei Ablegen eines falschen Geständnisses. Das wäre bezogen auf den ersten Prozess, den Sinowjew und Kamenjew hatten, (bei dem sie glimpflich davonkamen Übers.) noch plausibel. Aber nachdem Sinowjew und Kamenjew hingerichtet worden waren, war das nicht mehr auf die nachfolgenden Prozesse anwendbar. 4. Loyalität gegenüber Stalin. Wenn man bedenkt, dass fast alle der Angeklagten jahrelang gegen Stalin gearbeitet hatten, dann ist diese Theorie wohl am wenigsten stichhaltig. Ein wieteres "Argument" jener, die die Moskauer Prozesse für unglaubwürdig halten, ist, dass gerne behauptet wird, dass diese Prozesse antisemitistischen Character hatten und das aus dem Grund, weil die Namen der Angeklagten, die jüdischen Glaubens waren, voll ausgeschrieben wurden (z. B.: Sinowjew, Grigorij Jewsejewitsch). Wer soll billige Argumente verbreitet, kann nicht ernst genommen werden. Es handelte sich hierbei um ein Gerichtsverfahren, damit ist es logisch, dass die Namen der Angeklagten voll ausgesprochen werden mussten. Das hat mit Antisemitismus rein gar nichts zu tun. Andererseits könnte man also auch behaupten, dass wenn z. B. Stalin Angeklageter in solchen Prozessen wäre, man diesen Rassismus vorwirft, da Stalin georgischer Name (Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwilli) voll ausgesprochen wird. Solche Behauptungen sind somit völlig lächerlich! Was die Echtheit der Prozesse angeht, so sagt z.B. Lion Feuchtwanger in seinem Buch Moskau 1937: " Es ist läppisch, diese Prozesse, den Sinowjew- und den Radekprozeß, simpel auf Stalins Herrschsucht und Rachgier, zurückzuführen. Josef Stalin, der gegen den Widerstand der ganzen Welt ein so großes Werk vollbracht hat wie den wirtschaftlichen Aufbau der Sowjet-Union, der Marxist Stalin, gefährdet nicht die Außenpolitik seines Landes und damit einen wichtigen Teil seines Werkes aus einem persönlichen Motiv, wie es Gymnasiasten, die historische Stücke schreiben, ihren Helden unterschieben. Der oben erwhnte Joseph E. Davies urteil ebenfalls über die Richtigkeit der Prozesse: " All die grundlegenden Schwächen und Laster der menschlichen Natur persönliche Ambitionen in ihrer schlimmsten Form zeigen sich in diesem Verfahren. Es bringt die Umrisse eines Komplotts ans Licht, das kurz davor war, diese Regierung zu stürzen. ... Was die politischen Angeklagten betrifft, so meine ich, dass genügend Verbrechen nach sowjetischem Gesetz .. nachgewiesen wurden, um zweifellos das Urteil des Landesverrats zu rechtfertigen. .. Die Meinung jener Diplomaten, die am regelmäßigsten den Prozess besucht hatten, war einheitlich die, dass der Fall die Tatsache erwiesen hat, dass es eine beachtliche politische Opposition und ein äußerst ernstzunehmendes Komplott gab, das für die Diplomaten viele Dinge, die sich in den letzten sechs Monaten in der Sowjetunion ereignet haben, plausibel machten." (J. E. Davies, 'Mission in Moskau', Band 1, London 1942, S. 177, 178-9) Im April 1937 richtete das Komitee für die Verteidigung von Leon Trotzki in Mexiko eine 'Untersuchungskommission' zur Überprüfung der Moskauer Prozesse ein. Als er gefragt wurde, weshalb, falls sie unschuldig waren, aufrichtige revolutionäre Veteranen nicht von der Möglichkeit Gebrauch machten, in einem öffentlichen Verfahren ihre Unschuld zu beteuern, konnte Trotzki nur erwidern: 'Ich bin nicht verpflichtet, diese Frage zu beantworten.' Wegen der militärischen Natur der Beweise erhielten Tuchatschewski und die anderen prominenten Generäle ein nichtöffentliches Verfahren vor einem Militärgericht. In den vergangenen Jahren bezogen sich die Behauptungen von einem Fehlurteil besonders auf diesen Prozess. Es wird zugegeben, dass sowohl der britische als auch der tschechoslowakische Geheimdienst Warnungen nach Moskau schickte über die verräterischen Beziehungen, die Tuchatschewski mit Nazi-Deutschland unterhielt, aber dies wird versucht mit der Theorie zu 'erklären', dass er der Sowjetunion gegenüber loyal und das Opfer einer 'Intrige' wurde, die vom deutschen Geheimdienst ausging, um die militärische Stärke der Sowjetunion zu schwächen. Nun gibt es zum Unglück für diese Theorie genügend Hinweise darauf, dass bei seinen Auslandsaufenthalten Tuchatschewski kein Hehl aus seinen Sympathien für die Nazis machte. Die französische Journalistin Geneviève Tabouis schrieb zum Beispiel in ihrem Buch 'Sie nannten mich Kassandra': "Ich sollte Tuchatschewski das letzte Mal am Tag nach der Beerdigung von König Georg V. treffen. Bei dem Essen in der sowjetischen Botschaft war der russische General sehr gesprächig. ... Er war soeben von einem Deutschlandbesuch zurückgekehrt und lobte die Nazis in den höchsten Tönen. Er saß zu meiner Rechten und sagte immer und immer wieder ... 'Sie sind bereits unschlagbar, Madame Tabouis!' ...Ich war nicht die einzige an diesem Abend, die über diese Zurschaustellung von Enthusiasmus tief besorgt war." Zusammengefasst kann man sagen, dass es keine andere Erklärung für die bekannten Tatsachen die sowjetischen Prozesse von 1936-38 betreffend gibt als dass die Angeklagten dieser Prozesse schuldig im Sinne der Anklage waren. Was inzwischen klar geworden ist, ist, dass nur die herausragenderen der führenden Verschwörer entdeckt und ausgeschaltet werden konnten, jene hauptsächlich, die schon in der Vergangenheit offen oppositionell aufgetreten waren. Es bestand zweifellos ein stillschweigendes Übereinkommen, dass jene Mitglieder der Verschwörung, die verhaftet worden waren, sich bemühen sollten, ihre noch nicht enttarnten Partner zu decken, indem sie nur so viel zugaben wie den Behörden ohnehin bekannt war und nicht mehr. So gaben Sinowjew und Kamenjew auf ihrem ersten Prozess zu, dass ihre Reden eine Atmosphäre erzeugt haben könnten, die zur Ermordung von Kirow beitrugen und sie äußersten darüber großes Bedauern. Erst in ihrem zweiten Prozess, nachdem weitere Beweise vorhanden waren, gaben sie auch zu, dass sie Komplizen dieses Verbrechens waren. So viel zu den Moskauer Prozessen. Es gab aber natürlich nicht nur diese gängigen Prozesse sondern auch viele andere, die von den so genannten Troikas durchgeführt wurden. Dass hier auch unschuldige verhaftet und verurteilt wurden ist nicht abzustreiten. Die Ausschaltung dieser verräterischen Kräfte war somit eine Voraussetzung für den späteren Sieg im Großen Vaterländischen Krieg. Quislinge gab es jedoch trotzdem noch. (Sie sorgten in der Anfangsphase des Krieges dafür, dass die Nazi-Truppen so weit ins Land eindringen konnten. Zu ihnen gehörte ein gewisser Nikita Chruschtschow, wie wir heute wissen). Welche 'stalinistischen Säuberungen' gehen aber nicht auf 'Stalins Konto'? Dabei sollte aber bedacht werden, dass natürlich nicht alle dieser Verurteilungen ungerecht waren. Viele der in den Schnellverfahren verurteilten waren tatsächlich Konterrevolutionäre. Viele Mitglieder des NKWD waren aufrechte Kommunisten und der Sowjetmacht ergeben. Und die Opfer- gleich ob schuldig oder unschuldig- waren um ein vielfaches weniger, als die bürgerlichen Medien verbreiten. Hier bedarf es auch noch weiterer Untersuchungen, da viele Todesurteile in Haftstrafen umgewandelt wurden und nicht jeder verurteilter ein politisch Verurteilter war. Interessant in diesem Zusammenhang sind auch die so genannten „Todeslisten“, die von Stalin unterzeichnet wurden, über 6000 Listen mit ca. 44000 Namen. Hier könnte man doch sagen, dass Stalin doch dafür verantwortlich war. Hier sollte man aber erwähnen auch wenn Stalin Todesurteile bestätigte, wurde er von anderen informiert, die die Untersuchung geführt hatten und mit unter auch nur vorgaben, sie hätten eine Untersuchung geführt. Zum anderen bleiben bei diesen Todeslisten viele Fragen offen: wer waren diese Verurteilten? Was waren die Anklagepunkte? Handelte es sich nur um politische Verbrechen? Sind die Todesurteile tatsächlich vollstreckt worden? Fragen auf die man eingehen müsste um die Geschehnisse zu beantworten! Dabei muss der Begriff „vernichten“ viele Bedeutungen hatte, er ging von einer Rüge bis hin zur Erschießung. Laut I. F. Mursin sollten vom NKWD 40000 Kommandeure und Politkommissare von 1937- 1940 „vernichtet“ worden sein. In Wirklichkeit waren es 36898 Entlassungen von Angehörigen des Offizierkorps, die vom NKWD aus folgenden Gründen entlassen wurden: 1. Altersgründe, 2. Unzureichender Gesundheitszustand, 3. Disziplinarverstöße, 4.moralische Verfehlungen und moralische Labilität, 5. Mangelndes politisches Bewusstsein und mangelnde politische Zuverlässigkeit. Davon wurden 9579 verhaftet. Es war nur natürlich, dass viele Entlassene Beschwerden eingereicht haben oder Einsprüche einlegten, die von einer dafür eigens geschaffenen Kommission unter der Leitung von E. A. Schtschadenko geprüft wurden. Im Ergebnis dieser Überprüfung wurden 12461 Kommandeure wieder eingestellt. Zum ersten Januar 1941waren es fast 15000. Zum Tod durch Erschießen wurden 70 Personen verurteilt. (siehe Militärkader des Sowjetstaates im Großen Vaterländischen Krieg 1941- 1945, Moskau 1951, russ.) Nach den Worten Stalins ergibt sich auch folgendes: „im Jahre 1938 waren nach dem Paragraphen über konterrevolutionäre Verbrechen von den Organen des NKWD 52372 Personen verhaftet. Bei der Durchführung der Gerichtsverfahren wurden von den Justizorganen 2731 Personen verurteilt, davon 89 zum Tod durch Erschießung. 49641 Verhaftete und Angeklagte wurden freigesprochen. Eine so hohe Zahl von Freisprüchen hat bestätigt, dass der ehemalige Volkskommissar des Inneren (des NKWD) Genosse Jeschow viele Menschen ohne hinreichende Gründe verhaften ließ. Hinter dem Rücken des ZK gab es Willkür.“ (SW 15, Seite 32, russ.). Man vergleiche diese Zahlen mit den in die Welt gesetzten Horrorzahlen des angeblichen Stalinistischen Terrorregimes, und man beachte, dass Stalin dem genossen Jeschow in seinen Ausführungen vor Kadern der Sicherheits- und Justizorgane nicht nur Massenmorde, sondern auch Verhaftungen vorwarf. Genau das war in den Jahren 1938- 40 nach Berichten von Zeitzeugen das eigentliche Thema bei Repressionen, und gar nicht die vielen angeblich unschuldig zum Tode verurteilten. Ein weiteres „Argument“, welches als „Beweis“ für den „Terror“ kursiert, ist, dass behauptet wird, dass die Mehrheit der Delegierten des XVII. Parteitages der KPdSU (ca. 80%), der im Januar/Februar 1934 stattfand, auf dem XVIII. Parteitag (März 1939) nicht mehr dabei waren, weil sie verfolgt, verurteilt, vernichtet worden seien. Was soll man von solchen „Argumenten“ halten? Es sind im Grunde plumpe Irreführungen und Desinformationen. Keiner von jenen, die solche Behauptungen machen und machten, hat sie jemals belegt, obwohl die Delegierten namentlich bekannt sind. Welcher dieser Delegierten ist nun zum Tode verurteilt worden und welcher ins Arbeitslager gesteckt worden? Außerdem ist die Delegierung zu einem Parteitag nicht ein Freibrief zur Teilnahme am nächsten gewesen. Von daher ist es logisch, dass der nächste Parteitag anders zusammengesetzt ist als der vorherige. Zum anderen Parteitag sind jeweils in der Mehrheit andere Mitglieder gewählt worden. Andererseits sollen Personen, die für einen Parteitag einberufen wurden, nicht für eine Tätigkeit belangt werden? Die Frage ist nun, wer hauptsächlich von diesem Terror bedroht wurde. N. Holmberg gibt in seinem Buch „Die friedliche Konterrevolution“ auf Seite 30 folgendes Beispiel aus Leningrad: „Eine Angabe zeigte auf, dass von den 1094 Personen, die in Leningrad bis zum 16. März 1936 verhaftet und wegen sowjetfeindlicher Tätigkeit oder Spionage für ausländische Mächte angeklagt wurden, 547 frühere Generäle der Zarenarmee und der weißgardistischen Armeen, 142 frühere zaristische Beamte, 133 frühere Beamte der zaristischen Polizei, 41 frühere Prinzen, 109 frühere Grafen und Barone, 68 frühere Gutseigentümer, 35 frühere Industrieeigentümer und 19 frühere Kaufleute waren“ Man sieht es handelte sich Ausschließlich um Reste der Ausbeuterklassen! Es ist auch Fakt, dass einige KPD-Mitglieder Opfer solcher willkürlichen Verurteilungen wurden. Welchen Anteil an diesen Verurteilungen die neue deutsche Parteiführung der KPD seit der 'Brüsseler Konferenz' von 1935 und die damalige Kaderabteilung der Kominternführung, sei an einigen Beispielen dargestellt: Nehmen wir den Fall des deutschen Kommunisten Willi Budich. Hier also mal ein konkretes Beispiel für einen unschuldig Verurteilten. Ebenso erging es dem ehemaligen Sekretär des Führers der alten KPD bis 1933, Ernst Thälmann, Werner Hirsch, der für 'Teddy' viele Reden und Vorlagen schrieb und mit ihm zusammen Anfang März in seiner illegalen Wohnung in Berlin verhaftet worden war. Den Moskauer Prozess von August 1936 gegen das trotzkistisch-sinowjewistische Zentrum gegen Kamenjew, Sinowjew und andere, auf dem auch der persönliche Referent von Wilhelm Pieck, dem neuen KPD-Führer seit der 'Brüsseler Konferenz', Fritz David zum Tode verurteilt wurde, weil er den Auftrag Trotzkis, Stalin auf dem 7. Weltkongress zu erschießen, entgegengenommen hatte, aber nicht ausführen konnte, weil er nicht an ihn herankam, nimmt Pieck, gegen den nun auch Untersuchungen laufen, zum Anlass zurückzuschießen: Um seine Kritiker loszuwerden, setzt er eine Direktive bei der Komintern durch, wonach, einzelne Emigranten aus der Sowjetunion über die Tschechoslowakei wieder nach Deutschland zur 'illegalen Arbeit' zurückkehren sollen. Dazu schreibt Reinhard Müller: Und am 22. August 1937 stellt das unter dem Befehl von Jeschow stehende NKWD wie auf Bestellung fest, dass Was jedoch die Opfer der KPD angeht so liegt noch viel im Dunkeln. Oben habe ich einige Beispiele aufgeführt, die von dem Historiker Hermann Weber geschildert wurden. Man muss hier aber nochmals erwähnen, dass Weber selber ziemlich unseriös in seinen Arbeiten ist. (siehe dazu sein Buch: „Weiße Flecken in der Geschichte. Die KPD-Opfer der Stalinschen Säuberungen und ihre Rehabilitierung“) Über das Schicksal der oben genannten, kann ich nicht sagen ob dies zutrifft oder nicht. Bei anderen KPD-Mitgliedern, die nach Weber Opfer des Stalinismus wurden, handelt es sich aber offenbar um bewusste Lügen. Zu diesen zählen Max Hoelz, Willi Münzenbreg und Heinrich Vogeler (siehe Rote Fahne/MLPD Nr. 16/1989). Es ist interessant, mal das Schicksal dieser 3 KPD-Männer näher zu betrachten: Max Hoelz, ein Arbeiterführer der Weimarer Republik, ertrank am 1.9.1933 in einem Fluß; trotzdem übernimmt Weber die Behauptung, er sei ermordet worden mit der Formulierung : ’schon damals verlautete’. Die Quelle die er verschweigt, ist das Buch „Der verratene Sozialismus“ von Karl I. Albrecht, das 1941 in Nazideutschland erschien. Eine Hoelz-Biographie mit dem Tatsächlichen Sachverhalt erschien 1983 von M. Gebhardt im Verlag Neues Leben, Berlin Willi Münzenberg, kommunistischer Verleger, brach 1939 mit der KPD und versuchte 1940 von Frankreich in die Schweiz zu fliehen. In einem Wald bei Chamonix wurde er erhängt aufgefunden – die politischen Differenzen mit der Sowjetunion sollen seitdem als „Beweis“ gelten, dass er von Kommunisten getötet worden sei. Heinrich Vogeler, kommunistischer Maler, verstarb mit 69 Jahren am 14. 6. 1942 in einem sowjetischen Lazarett. Er war niemals angeklagt und bis zu letzt aktives Parteimitglied. Sein Leben erforschte Werner Hohmann „Heinrich Vogeler in der Sowjetunion 1931 – 1942“ Galerie-Verlag Unter den angeblichen Opfern, die „ebenfalls als verschollen gelten“, führt Weber den Schauspieler Alexander Granach an. Er war verhaftet worden und kam durch ein Gesuch des Schriftstellers Lion Feuchtwanger an Stalin frei. In ihren Erinnerungen „Nur eine Frau“ (Knaur Verlag) beschreibt Marta Feuchtwanger, wie sich Granach später in Amerika bei ihrem Mann bedankte. Um Sensation zu machen, behauptet Weber: „Insgesamt sind 4000 Personen … von den Behörden der Sowjetunion ‚abbefördert’ worden“ (S.83). seine Quelle ist das von den Nazis 1942 in Berlin herausgegebene Buch „Rückkehrer berichten über die Sowjetunion“. Es zeigt sich hierbei, dass es während der Säuberungen zu schweren Fehlern kam, doch zeigt sich auch hier, dass antikommunistische Autoren auch viele Lügen, Gerüchte und Halbwahrheiten verbreiten. Dass es unter den KPD-Opfern aber auch einige schuldige gab, deren Ziel es war Die Sowjetunion, die KPD zu zersetzen zeigen folgende Beispiele: Karl I. Albrecht, seit 1924 als Spezialist in der Sowjetunion tätig, wurde 1932 unter Spionageverdacht verhaftet und verurteilt. 1934 wurde er begnadigt und kehrte nach Hitlerdeutschland zurück. 1938 veröffentlichte er das Buch „der verratene Sozialismus“ in Nibelungen Verlag Berlin-Leipzig, das bis zum heutigen Tage Antikommunisten vom Schlage Hermann Webers als „Quelle“ dient. Nachdem er 1934 die Sowjetunion verlassen hatte, bekannte sich der ehemalige KPD-Militärspezialist Erich Wollenberg (1892 – 1973) laut Auskunft des Schriftstellers Harry Schulze-Wilde als Agent des französischen Geheimdienstes (Brief Schulze-Wildes vom 11. 2. 1975 an den Herausgeber der Europäischen Ideen, s. Heft 34/35, 1977, S. 122). Mehrere Verhaftungen in der Sowjetunion erfolgten damals aufgrund von Verbindungen mit dem Agenten Wollenberg. Einige der verhafteten KPD-Mitglieder wurden – teils auf Verlangen der Nazis – von der Sowjetunion an Hitlerdeutschland ausgeliefert und stellten sich dort den Faschisten zur Verfügung – so der Sohn des im Reichstagsbrandprozess angeklagten KPD-Fraktionsvorsitzenden Ernst Torgler (1893 – 1963). Torgler hatte mit den Nazis kollaboriert, sein Sohn Kurt arbeitet nach der Überstellung ins Reich für die Wehrmacht als Übersetzer und fiel 1943 in der Sowjetunion. Von daher sollte man dieses Thema mit großer Vorsicht behandeln! Es war ein schwerwiegendes Versäumnis, dass über die Fehler beim Kampf gegen Konterrevolutionäre und Spione nie öffentlich gesprochen wurde. Bei den Angriffen auf Stalin und den Marxismus-Leninismus im Jahre 1956 konnte Chruschtschow sich das zunutze machen. Wie man mit dieser zeit richtig umgehen sollte, so habe ich ein interessantes Zitat von Kurt Gossweiler gefunden: Eine typische Lüge antikommunistischer Hetzer ist die Behauptung, dass Stalin Antifaschisten an Hitler auslieferte. Es wird gesagt, dass im Rahmen des Vollzugs des Hitler – Stalin – Paktes 1939 über 800 deutsche Kommunisten an Hitler ausgeliefert wurden, die dann umgehend in deutschen KZs umgebracht wurden. Diese Behauptung ist rundweg falsch. Weder hat die Zahl eine reale Grundlage, noch gibt es einen Beweis, dass die an Deutschland ausgetauschten Gefangenen getötet wurden, noch wurden Kommunisten übergeben. In der Vorkriegssituation gelangte die Wühlarbeit der imperialistischen Geheimdienste gegen die Sowjetunion zu einem Höhepunkt. Eine ihrer Methoden war es, Spione in die Reihen der ausländischen Emigranten zu schleusen oder dort abzuwerben. Eine bisher offiziell nicht genau bekannte Zahl von ihnen wurde von ihnen enttarnt und verurteilt. Solche Leute wurden im Rahmen eines Gefangenenaustausches mit Hitlerdeutschland entlassen. Darunter auch welche, die sich als Kommunisten bezeichneten. Die Bekannteste unter ihnen ist M. Buber-Neumann, die nach dem Krieg mehrer Bücher veröffentlichte, in denen sie ihre gegen die KPD und die sowjetische Führung gerichtete Tätigkeit beschrieb. Der frühere Kommunist A. Weissberg-Cybulski wurde nach der Übergabe 1940 von den Nazis freigelassen und schrieb später sein Anti-Stalin-Buch „Hexensabbat“. Als Gegenleistung mussten die Hitlerfaschisten Kommunisten aus ihren Folterkellern in die Sowjetunion freilassen. Der Generalsekretär der ungarischen Kommunisten, Matyas Rakosi wurde so 1940 an die Sowjetunion ausgeliefert. Er war wegen seiner Teilnahme an der ungarischen Revolution 1918 zu lebenslanger Haft verurteilt worden und hatte über 10 Jahre Kerker hinter sich. Auch das SED-Politbüromitglied Hermann Axen ist ebenfalls nach westlichen Angaben im Zuge des Nichtangriffspaktes in die Sowjetunion haftentlassen worden. Obwohl man nicht ausschließen kann, dass unter den an die Nazis übergebenen Häftlingen auch solche waren, die aufgrund falscher Angaben verurteilt wurden, bleibt die grundsätzliche Seite bestehen: Sie bestand in der korrekten Ausnutzung zwischenstaatlicher Beziehungen zur Stärkung der revolutionären Bewegung. Und wenn ich es nicht bemerkt hätte? He?!' „In den Städten und Dörfern der Sowjetunion ging die Zahl der willkürlichen Massenverhaftungen stark zurück." (R. Conquest, 'Der Große Terror', Harmondsworth 1971, S. 623 ff.). "Endlich ist es mit den Säuberungen vorbei, worauf ja schon die Ablösung von Jeschow durch Beria im Innenministerium hindeutete, die Hinrichtung von fünf GPU-Funktionären in Kiew wegen groben Machtmissbrauchs ..., der aktuelle Prozess gegen vier GPU-Leute in einer mittelsibierischen Stadt, die über 150 Kinder, darunter einige unter 12 Jahren, wegen 'Terrorismus' inhaftiert hatten aufgrund von Artikel 58, das Theaterstück, das gerade in Moskau aufgeführt wird und die Auswüchse der Säuberungen einem begeisterten Publikum darbietet und schließlich die Rückkehr von Hunderten, wenn nicht Tausenden von politischen Gefangenen." ('The Times', 27. Februar 1939, S. 11). Diese Tatsachen beweisen folgendes: der „Terror“ war definitiv kein „Plan“ Stalins und der Sowjetregierung, ihr Land zu terrorisieren. Im Gegenteil, Leute die solche Verbrechen begangen hatten, Leute die nicht davor scheuten sogar Kinder als Terroristen anzuklagen, solchen Leuten wurde der Prozess gemacht. In einem faschistischen Staat wie Hitler-Deutschland, waren solche Verbrechen nicht nur an der Tagesordnung, sondern auch gebilligt und belohnt!
Redet man über den Terror in den Jahren 1936 bis 1937, so kommt man auch nicht darum über die Zahl der Opfer zu sprechen. Die bürgerliche Propaganda schreibt von millionenfachen Verhaftungen und Erschießungen. Manche Leute gehen ja soweit, dass ihre Opferzahl höher ist als die der sowjetischen erwachsenen Bevölkerung. Wie hoch war die Zahl der während der Säuberungen erschossenen und oder verhafteten? Wie hoch war die Zahl der GULag-Häftline und um was für Häftlinge handelte es sich hierbei? Archivzahlen belegen aber das absolute Gegenteil, von dem was uns bürgerliche Propagandisten berichten wollen: Folgender Artikel von Andrea Schön „Geschichtslügen- Fundamente des Antistalinismus“ (erstmals erschienen in Offen-siv, Heft 7/2002) wird hier zum großen Teil wieder gegeben. Nazis lancieren Opfer-Legende Bevor die aufgedeckten statistischen Daten genauer betrachtet werden, sei zunächst ein kurzer Blick auf die Entstehungsgeschichte der Opferlegende geworfen. Wie bereits 1925 in Hitlers "Mein Kampf" angekündigt, galt die Ukraine als die "Kornkammer" für das "Volk ohne Raum" und damit als eines der wichtigsten Kriegsziele des deutschen Faschismus im Osten. Um den kriegerischen Feldzug propagandistisch vorzubereiten, startete Göbbels eine Hetzkampagne gegen die Bolschewiken der Ukraine, die angeblich ihr Volk einer bewußt von Stalin provozierten Hungerkatastrophe auslieferten. Die Kampagne erwies sich allerdings als allzu durchsichtig im Hinblick auf die dahinter stehenden faschistischen Kriegsziele. Unterstützung nahte jedoch von William Hearst, dem Gründer der Regenbogenpresse in den USA, dem in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts 25 Tageszeitungen, 24 Wochenzeitungen, 12 Radiostationen, eine der ersten Fernsehstationen und 2 Nachrichtenagenturen gehörten. Die Gesamtauflage der Zeitungen betrug 13 Millionen Exemplare pro Tag und wurde von einem Drittel der erwachsenen Bevölkerung in den USA gelesen. 1934 wurde der ultra-konservative Nationalist und Antikommunist Hearst von Hitler als Gast und Freund empfangen. Nach diesem Besuch waren Hearsts Zeitungen plötzlich voll von Horrorstories über die Sowjetunion – von angeblichem Völkermord über Fälle von Sklaverei, einer im Luxus schwelgenden Führung etc. Das Material lieferte die Gestapo. Zu den ersten Kampagnen gehörte die besagte über die ukrainische Hungersnot: "6 Millionen Menschen sterben Hungers in der Sowjetunion", titelte die Chicago American am 18.2.1935 und lancierte Berichte, wonach diese von den Bolschewiki absichtlich herbeigeführt worden sei. (Nebenbei: Der dafür bezahlte Lohnschreiber nannte sich Thomas Walker, ein angeblich weitgereister Journalist, der jahrelang die Sowjetunion durchquert hatte. Wir kommen auf ihn noch zurück.) Tatsächlich wissen wir, daß der Beginn der dreißiger Jahre von heftigen Klassenauseinandersetzungen auf dem Lande geprägt war: Arme, landlose Bauern revoltierten gegen die Kulaken, reiche Landbesitzer, um die Bildung von Kolchosen (Genossenschaften) durchzusetzen. Ein großer Teil der Kulaken wiederum versuchte seinerseits die Einbringung seines riesigen Privateigentums an Boden und Landwerkzeugen in die Kolchosenwirtschaft zu verhindern – indem er sein Vieh abschlachtete, durch Sabotageaktionen oder durch gezielte Unterwanderung der Kolchosen. Insgesamt waren 120 Millionen Bauern in diese heftigen Klassenkämpfe verwickelt. Die Partei hatte dabei die extrem schwierige Aufgabe, die Massenbewegung zur Enteignung der Kulaken in geordnete Bahnen zu lenken und zugleich die Landfrage als Klassenfrage grundsätzlich zu lösen (d.h. die Enteignung der Kulaken durchzusetzen). Insbesondere die Zusammenstöße mit rechten Nationalisten in der Ukraine führten zu heftigen Nahrungsmittelengpässen. Aber es war gerade diese reaktionäre Clique, die die Nazis während der Besatzung in ihrem Völkermord an den Juden unterstützte und nach dem Zweiten Weltkrieg im U.S.-amerikanischen Exil zynischerweise die Mähr vom "ukrainischen Holocaust" in die Welt setzte, der auch noch der Opferzahl der Juden entsprach: 6 Millionen (vgl. dazu Martens, S. 129 ff). Opfer-Legende zum Zweiten Die Lügen der Nazis überstanden den Zweiten Weltkrieg, indem sie vom amerikanischen und vom britischen Geheimdienst (CIA und MI5) kultiviert wurden und immer einen bevorzugten Platz in der Propaganda gegen die Sowjetunion einnahmen. Auch McCarthys Hexenjagd in den fünfziger Jahren basierte auf den Märchen der Millionen Hungertote in der Ukraine. 1953 erschien in den USA ein Buch mit dem Titel "Black Deeds of the Kremlin" (Die schwarzen Taten des Kreml), finanziert von in die USA geflüchteten ukrainischen Nazi-Kollaborateuren. Während der US-Präsidentschaft von Ronald Reagan in den Achtzigern wurde dieselbe Propaganda-Platte erneut aufgelegt, und 1984 erhielt diese durch das Buch eines Harvard-Professors mit dem Titel "Human Life in Russia" (Leben in Rußland) wissenschaftliche Weihen. Im Jahre 1986 erschien ein weiteres Buch zum Thema, diesmal von einem ehemaligen Mitglied des britischen Geheimdienstes, Robert Conquest, seines Zeichens Professor an der Stamford University in Kalifornien, mit dem Titel "Harvest of Sorrow" (in deutscher Übersetzung: Ernte des Todes). Für dieses Werk erhielt Robert Conquest 80.000 US-Dollar von der faschistischen Ukraine National Organisation, die 1942 in der Ukraine eine Partisanenarmee zur Unterstützung der Nazis aufbaute und deren Mitglieder zum größten Teil als Polizisten, Hinrichtungskommandos, Partisanenjäger und örtliche Verwaltungsbeamte für die Gestapo oder die SS gearbeitet hatten (vgl. Martens, S. 127). Diese Organisation finanzierte im übrigen auch 1986 einen Film mit dem Namen "Harvest of Despair" (wörtlich: Ernte der Verzweiflung), der u.a. auf Conquests Material basiert. Zu jenem Zeitpunkt hatten die angeblichen Hungertoten der Ukraine bereits eine stattliche Zahl von 15 Millionen erreicht. Ein Lichtblick in dem immer wieder neu aufgelegten Lügengespinst ist die Veröffentlichung von Douglas Tottle, einem kanadischen Journalisten, dessen Buch mit dem Titel "Fraud, Famine and Fascism, The Ukrainian Genocide Myth from Hitler to Harvard" (Fälschung, Hunger und Faschismus, Der Mythos vom ukrainischen Völkermord von Hitler bis Harvard) 1987 in Toronto erschien und materialreich die hartnäckig konservierte Lügenpropaganda widerlegte. Unter anderem konnte er nachweisen, daß diverse Autoren, darunter Conquest, Fotos von hungernden Kindern verwendet haben, die nachweislich aus dem Jahre 1922 stammen - Folgen des Interventionskrieges gegen die Sowjetunion! Des weiteren weist Tottle nach, daß Thomas Walker, jener Journalist, der für die Horrorberichte der Ukraine verantwortlich zeichnete, in Wirklichkeit auf den Namen Robert Green hörte, ein entlaufener Strafgefangener aus dem Staatsgefängnis von Colorado war und vor Gericht zugab, niemals in der Ukraine gewesen zu sein. Und ausgerechnet die Berichte des eigentlichen Moskau-Korrespondenten der Hearst-Presse, Lindsay Parrott, z.B. über die ausgezeichnete Ernte in der Sowjetunion im Jahre 1933 und die erzielten Fortschritte in der Ukraine, seien nie veröffentlicht worden. Parrott hielt sich 1934 in der Ukraine auf und konnte nach dem erfolgreichen Erntejahr keinerlei Anzeichen einer Hungersnot bemerken (Tottle; zit. n. Martens, S. 116). Conquest und Solschenizyn - Opferlegende zum Dritten Nach wie vor zu den berühmtesten Autoren über Millionentote in der Sowjetunion gehört Robert Conquest, der eigentliche Schöpfer aller Mythen und Lügen, die nach dem Zweiten Weltkrieg Verbreitung fanden. Seine bekanntesten Bücher sind "The Great Terror" (Der große Terror) von 1969 und "Harvest of Sorrow". Danach sind nicht nur Millionen Menschen in der Ukraine Hungers gestorben, sondern ebenso in den Arbeitslagern des Gulag und im Zuge der Moskauer Prozesse 1936-38. Die Quellen von Conquest sind exilierte Ukrainer in den USA, eine illustre Gesellschaft, die den rechtesten Parteien angehörte und die Nazis im Zweiten Weltkrieg unterstützte. Viele der Helden von Conquest sind bekannt als Kriegsverbrecher, die am Genozid an der jüdischen Bevölkerung in der Ukraine 1942 beteiligt waren, darunter der verurteilte Kriegsverbrecher Mykola Lebed, Sicherheitschef in Lwow während der Besatzung. Er wurde unter die Fittiche der CIA genommen, der er als "Informations"quelle zur Verfügung stand. Conquests Vergangenheit als ehemaliger Agent in der Desinformationsabteilung (Information Research Department (IRD)) des britischen Geheimdienstes – zuständig für das gezielte Lancieren von "Informationen" in der ausländischen Presse - wurde am 27.1.1978 in einem Artikel des Guardian enthüllt. Das IRD wiederum erhielt traurige Berühmtheit durch seine Verstrickung in den Rechtsextremismus, weshalb es seine Tätigkeit 1977 einstellen mußte. Bis dahin gelang es ihm, mehr als 100 der bekanntesten Journalisten Großbritanniens - von der Financial Times, The Times, dem Economist, dem Daily Mail und Daily Mirror, The Express, The Guardian etc. - mit Desinformationsmaterial zu versorgen. Robert Conquest arbeitete für den IRD bis 1956 mit der Aufgabe, zur sogenannten "schwarzen Geschichte" der Sowjetunion beizutragen. Auch nachdem Conquest offiziell den Dienst verlassen hatte, schrieb er seine Bücher mit dessen Unterstützung. So bestand "The Great Terror" im wesentlichen aus Material, das er in seiner Zeit beim Geheimdienst gesammelt hatte, und erschien mit Unterstützung des IRD. Conquests Hauptadressaten waren nützliche Idioten wie Universitätsprofessoren und Medienleute, die seinen Lügen ein breitestmögliches Publikum bescherten. Ein weiterer berühmter "Gulag"-Autor ist der hinlänglich bekannte Alexander Solschenizyn, der wegen konterrevolutionärer Aktivitäten in Form von Verbreitung antisowjetischer Propaganda 1946 zu acht Jahren Arbeitslager verurteilt worden war. Er vertrat die Ansicht, daß der Krieg gegen Nazideutschland durch einen Kompromiß mit Hitler zu verhindern gewesen wäre, und klagte die sowjetische Regierung und Stalin an, angesichts der schrecklichen Kriegsfolgen eine noch schlimmere Rolle als Hitler gespielt zu haben. Solschenizyn machte keinen Hehl aus seinen Nazisympathien. Mit Zustimmung und Hilfe Chruschtschows begann er 1962 mit der Veröffentlichung seiner Bücher, 1970 erhielt er für seinen "Archipel Gulag" den Nobelpreis für Literatur, 1974 emigrierte er in die Schweiz und anschließend in die USA. Dort wurde er gerne als Vortragsreisender herumgereicht, u.a. zum AFL-CIO Gewerkschaftskongreß im Jahre 1975 geladen und am 15.7.1975 sogar vor den US-Senat zur Einschätzung der Weltlage. Er agitierte für eine erneute Intervention in Vietnam (nach der Niederlage der USA!) zur Befreiung der angeblich Tausenden von gefangenen und versklavten U.S.-Soldaten sowie für einen amerikanischen Einmarsch in Portugal angesichts der sogenannten Nelken-Revolution 1974. Konsequenterweise betrauerte er die Befreiung der portugiesischen Kolonien in Afrika und propagierte die weitere Aufrüstung der USA gegen eine Sowjetunion, die angeblich über fünf- bis siebenmal so viele Panzer und Flugzeuge verfügte und über zwei- bis drei-, wenn nicht fünfmal so viele Atomwaffen. Besonders pikant: Im spanischen Fernsehen warnte er 1976 vor demokratischen Liberalisierungen u.a. mittels Verweis auf die 110 Millionen Opfer des russischen Sozialismus. Solschenizyns Sympathie für das ehemalige Zarenregime, die russisch-orthodoxe Kirche und seine pro-faschistischen Äußerungen ließen ihn als antisozialistischen Propagandisten schließlich in den Augen kapitalistischer Meinungsmacher erheblich an Wert verlieren (vgl. Sousa). Die statistischen Methoden der Opferzähler Conquest, Solschenizyn sowie der ebenfalls hinlänglich bekannte "Antistalinist" Roy Medwedew verwendeten für ihre Opferzählungen statistisches Material aus der Sowjetunion, z.B. nationale Volkszählungen. Auf diese wurde ungeachtet der konkreten Situation im Lande noch ein statistischer Bevölkerungszuwachs geschlagen. Daraus ergab sich eine Soll-Einwohnerzahl für die jeweils betreffenden Jahre. Die Differenz zu den Ist-Zahlen bedeutete danach entweder Tod oder Gefangenschaft. Tottle beschreibt diese Methode an folgendem Beispiel: "Nimmt man die Angaben der Volkszählung des Jahres 1926 (...) und diejenigen der Erfassung vom 17. Januar 1939 (...) sowie einen jährlichen Wachstumsdurchschnitt vor der Kollektivierung (2,36%), so kann errechnet werden, daß die Ukraine (...) im Zwischenzeitraum dieser beiden Volkszählungen 7,5 Millionen Menschen verloren hat" (zit. n. Martens, S. 122). Es ist klar, daß jeder halbwegs ernst zu nehmende westliche Wissenschaftler sich gegen eine solche Methode verwahren würde – ginge es nicht um die Sowjetunion. (Die Ukraine hatte im Jahre 1939 nicht einmal die gleichen Grenzen wie 1926, abgesehen von weiteren Faktoren wie Geburtenrückgang infolge des Interventionskrieges, Wechsel von eingetragener Nationalitätszugehörigkeit, Migrationen etc.) Conquest errechnete auf diese Weise 1961 6 Millionen Hungertote in der Sowjetunion zu Beginn der 30er Jahre und erhöhte diese Zahl 1986 auf 14 Millionen. Für die Moskauer Prozesse allein errechnete er sieben Millionen Gefangene 1937-38 und eine Gesamtzahl von 12 Millionen politischen (!) Gefangenen in den Arbeitslagern im Jahre 1939 (im Jahre 1950 soll es abermals 12 Millionen politische Gefangene in der SU gegeben haben). Die gewöhnlichen Kriminellen haben nach Conquest diese Zahl noch bei weitem übertroffen, so daß in den Arbeitslagern angeblich 25-30 Millionen Gefangene saßen. Von den politischen Gefangenen seien zwischen 1937 und 1939 eine Million ermordet worden, weitere zwei Millionen seien Hungers gestorben. Einschließlich "statistischer Anpassungen" kam Conquest auf insgesamt 12 Millionen getötete politische Gefangene zwischen 1930 und 1953. Zusammen mit den Hungertoten der dreißiger Jahre ergibt das 26 Millionen Todesopfer auf das Konto der Bolschewiken (Stalin). Die Phantasiezahlen erschienen in der bürgerlichen Presse der sechziger Jahre als Fakten, die angeblich auf wissenschaftlich-statistischen Methoden beruhen, und – obwohl maßgeblich aus dem Hause CIA/MI5 stammend - wurden bzw. werden sie bis heute von weiten Teilen der westlichen Bevölkerung (einschließlich der Linken) als bare Münze genommen. Gerade von jenen sich als links, progressiv, marxistisch etc. verstehenden Kreisen sollte man annehmen, daß sie die Quellen jeder Berichterstattung über die SU schon aus Prinzip unter die Lupe nehmen anstatt zwanghaft jeden Horrorbericht (insbesondere über die "Stalinzeit") nachzuäffen. Doch die Situation verschlimmerte sich noch wesentlich unter Gorbatschow. Bis 1990 konnten Figuren wie Solschenizyn, Sacharow und Medwedew in der Sowjetunion niemanden mit ihren Hirngespinsten beeindrucken. Als dann aber die "freie Presse" eröffnet wurde, galt alles Oppositionelle und gegen den Sozialismus Gerichtete plötzlich als positiv und berichtenswert – mit desaströsen Folgen: Eine unglaubliche Inflation der angeblich Verhafteten und Getöteten setzte ein, und nach dem Motto "Wer bietet mehr?" verstieg man sich schon bald in die zig Millionen "Opfer der Kommunisten". Die Hysterie der von Gorbatschow protegierten "freien Presse" spülte wieder die Lügen von Conquest und Solschenizyn an die Oberfläche und forderte die Öffnung der Archive. Gorbatschow öffnet die Archive und die Opferlegende zerbricht. Der offizielle Bericht über das sowjetische Strafsystem Als im Jahre 1990 schließlich Gorbatschow die Archive des Zentralkomitees der KPdSU für historische Studien öffnen ließ, geschah etwas sehr Merkwürdiges: Die so lange Zeit ersehnte Öffnung der Archive, die allen Todesopferspekulanten die endliche Bestätigung ihrer mühsamen Rechnereien verheißen hatte, wurde plötzlich mit völligem Desinteresse und Grabesstille in den Medien quittiert. Die Forschungsergebnisse, die die russischen Historiker W.N. Zemskow, A.N. Dugin und O.W. Xlewnjuk (Schreibweise aus dem Englischen übertragen!) seit 1990 in wissenschaftlichen Fachzeitschriften vortrugen, blieben völlig unbeachtet. Die Forschungsergebnisse gelangten nie über die engen professionellen Kreise der Fachzeitschriften hinaus und waren damit unfähig, die allgemeine Opferhysterie der großen Medien auch nur anzukratzen. Auch im Westen wurden die Ergebnisse der Archivöffnung ignoriert und fanden sich weder in den großen Blättern der Printmedien noch in irgendeinem Fernsehsender. Die linke Presse dokumentierte ebenfalls wenig sichtbares Interesse an den Forschungsergebnissen, nicht zu reden von offizieller Revidierung bis dato unkritisch kolportierter Schauermärchen zum Thema "Verbrechen des Stalinismus". Was war geschehen? Der offizielle Bericht über das sowjetische Strafsystem umfaßt beinahe 9.000 Seiten. Es haben viele Autoren daran mitgearbeitet, zu den bekanntesten zählen die genannten russischen Historiker Zemskow, Dugin und Xlewnjuk. Im Westen wurde der Bericht als Ergebnis der Zusammenarbeit von Forschern aus verschiedenen westlichen Ländern vorgestellt. Die Daten, auf die sich Mario Sousa bezieht und die wie eingangs erwähnt das eigentliche Thema dieses Artikels sind, wurden im Jahre 1993 veröffentlicht: - in der französischen Zeitschrift "L'Histoire" (Die Geschichte) von Nicholas Werth, Forschungsleiter des französischen Forschungszentrums Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS – Nationales wissenschaftliches Forschungszentrum) - in der Zeitschrift "American Historical Review" (Amerikanische Geschichtsbetrachtung) von J. Arch Getty, Geschichtsprofessor an der Universität von Kalifornien, Riverside, zusammen mit G.T. Rettersporn, einem CNRS-Forscher, sowie dem russischen Wissenschaftlicher Zemskow vom Institut für russische Geschichte an der russischen Akademie der Wissenschaften Mario Sousa weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, daß keiner der beteiligten Forscher dem sozialistischen Lager zuzurechnen ist, es sich vielmehr um bürgerliche, zum Teil offen reaktionäre Forscher handelt – mit dem entscheidenden Unterschied allerdings, daß diese ihre wissenschaftliche Integrität über jede ideologische Befangenheit stellen, d.h. keine Datenfälschung im Interesse ihrer ideologischen Orientierung bzw. ihres Geldbeutels betreiben. So geben die Daten reichhaltig Auskunft zu den folgenden Fragestellungen: -Bestandteile des sowjetischen Strafsystems -Anzahl der politischen und nicht-politischen Gefangenen-Anzahl der Todesopfer in den Arbeitslagern -Anzahl der Todesurteile vor 1953, insbesondere in den Säuberungen der Jahre 1937-38 -durchschnittliche Dauer der Gefängnisstrafen Der Gulag Ab 1930 zählten zum sowjetischen Strafsystem Gefängnisse, die Arbeitslager und Arbeitskolonien des Gulag sowie spezielle offene Bereiche und Geldstrafen. Die Untersuchungshaft fand in den normalen Gefängnissen statt. Die Strafen bei einem Schuldspruch reichten von einer Geldstrafe in Form eines bestimmten Prozentsatzes vom Lohn für einen definierten Zeitraum über eine Haftstrafe bis hin zum Todesurteil. In die Arbeitslager wurden jene geschickt, die ein schweres Verbrechen begangen hatten (Mord/Totschlag, Raub, Vergewaltigung, Wirtschaftskriminalität etc.), sowie ein großer Teil der wegen konterrevolutionärer Aktivitäten Verurteilter. Auch jene, die zu mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurden, konnten in Arbeitslager geschickt werden. Umgekehrt konnten Gefangene nach einer bestimmten Zeit im Arbeitslager in eine Arbeitskolonie oder in einen speziellen offenen Bereich überführt werden. 1940 gab es 53 Arbeitslager, in denen die Inhaftierten in großen Gebieten unter strenger Aufsicht arbeiteten. Es gab 425 Arbeitskolonien, d.h. viel kleinere Einheiten als die Arbeitslager, mit einem freieren Reglement und weniger Aufsicht. Hierhin kamen Gefangene mit kürzeren Haftstrafen, deren Verbrechen bzw. politische Vergehen weniger schwerwiegend waren. Sie arbeiteten als gleichberechtigte Bürger in Fabriken oder auf dem Land und bildeten einen Teil der Zivilgesellschaft. In den meisten Fällen gehörte der gesamte Arbeitslohn dem Gefangenen, er war damit seinen Kollegen gleichgestellt. Die speziellen offenen Bereiche waren in der Regel landwirtschaftliche Gebiete, in die Kulaken verbannt wurden, die im Zuge der Kollektivierung enteignet worden waren. Außerdem kamen dorthin auch Gefangene, die minderschwere Verbrechen begangen hatten. 454.000 sind nicht 9 Millionen! Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die in den jeweiligen Lagern bzw. Gefängnissen zwischen 1934 und 1953 Inhaftierten, darunter den Anteil der wegen politischer Verbrechen Verurteilten sowie alle Todesopfer:
______________ Quelle: "Custodial Population 1934-1953" (Bevölkerung in Gewahrsam in der UdSSR 1934-1953), The American Historical Review Aus diesen Zahlen läßt sich eine Reihe von Schlußfolgerungen ableiten: Zunächst kann man sie mit den Daten von Robert Conquest vergleichen. Wir erinnern uns, daß nach Conquests Behauptung im Jahre 1939 12 Millionen politische Gefangene in den Arbeitslagern gewesen und davon 3 Millionen in der Zeit von 1937 bis 1939 ums Leben gekommen sind. Und Conquest spricht in diesem Zusammenhang ausschließlich von politischen Gefangenen! Im Jahre 1950 gab es nach Conquest ebenfalls 12 Millionen politische Gefangene. Wie man nun ersehen kann, stimmen seine Daten nicht einmal entfernt mit den recherchierten Archivdaten überein. 1939 betrug die Gesamtzahl aller Gefangenen in allen Formen des Gewahrsams insgesamt 2 Millionen. Von diesen waren 454.000 politischer Verbrechen für schuldig befunden – nicht 12 Millionen wie Conquest behauptet, und rund 165.000 starben zwischen 1937 und 1939 im Arbeitslager – nicht etwa 3 Millionen; das sind in diesem Zeitraum 5,3% aller Arbeitslagerinsassen. Zum leichteren Überblick:
Insgesamt lebten im angegebenen Zeitraum 2,5 Millionen Sowjetbürger in Gefangenschaft, d.h. 2,4% der erwachsenen Bevölkerung - sicherlich keine geringe Zahl und ein Indikator für die noch bestehenden Widersprüche in der Gesellschaft. Trotzdem lag die Zahl noch unter der der imperialistischen Hauptmacht. Ein Vergleich mit den Daten aus den USA: 1996 gab es im reichsten Land der Welt 5,5 Millionen Gefangene, d.h. 2,8% der erwachsenen Bevölkerung. Nun zur Frage der Todesopfer. Der prozentuale Anteil der im Arbeitslager Verstorbenen variiert im angegebenen Zeitraum zwischen 0,3% und 18%. Die Todesursachen waren im wesentlichen auf die allgemeine Mangelsituation im Lande zurückzuführen, insbesondere die medizinische Versorgungslage zur Bekämpfung von Epidemien. Das betraf damals allerdings wie erwähnt nicht nur die Sowjetunion, sondern auch alle entwickelten Länder. Erst mit der Erfindung des Penicillin während des Zweiten Weltkrieges wurde ein wirksames Mittel gegen ansteckende Krankheiten geschaffen. Tatsächlich waren es wiederum die Kriegsjahre, in denen die Hälfte aller Todesfälle im untersuchten Zeitraum zu verzeichnen war. Nicht zu vergessen die 25 Millionen Todesopfer, die "in Freiheit" starben. Der systematische Rückgang der Todesopfer nach dem Zweiten Weltkrieg (nominal und prozentual) ist denn auch auf die verbesserte medizinische Versorgung zurückzuführen. Todesurteile und Hinrichtungen Robert Conquest behauptet, die Bolschewiken hätten 12 Millionen politische Gefangene in den Arbeitslagern zwischen 1930 und 1953 getötet. Davon sei 1 Million bei den Säuberungen 1937 und 1938 umgekommen. Solschenizyn spricht gar von zig Millionen Toten in den Arbeitslagern, davon 3 Millionen allein 1937/38. Diese Zahl wurde im Zuge der "Wer bietet mehr?"-Kampagne unter Gorbatschow noch weit übertroffen. So nennt die Russin Olga Schatunowskaja etwa 7 Millionen Tote während der 1937/38 Säuberungen. Die Daten aus diversen Archiven sprechen hingegen eine andere Sprache: Man muß dabei berücksichtigen, daß die Forscher sich verschiedener Quellen bedienten und diese miteinander abglichen. Dabei waren Doppelzählungen sicherlich nicht zu vermeiden. So wurden beispielsweise nach Dimitri Wolkogonow, von Jeltzin als Verantwortlicher für die Sowjetarchive ausersehen, 30.514 Personen bei Militärtribunalen in den Jahren vom 1.10.1936 bis 30.9.1938 zum Tode verurteilt. Eine andere Zahl stammt vom KGB: Nach Informationen, die im Februar 1990 der Presse freigegeben wurden, sind in den 23 Jahren zwischen 1930 und 1953 786.098 Menschen wegen Verbrechen gegen die Revolution zum Tode verurteilt worden, davon 681.692 in den Jahren 1937 und 1938. Diese Zahlen bedürfen allerdings noch der Überprüfung. Nach den vorliegenden Daten aus den Archiven schätzt Mario Sousa die Zahl der tatsächlich vollstreckten Todesurteile 1937-38 auf ca. 100.000. Viele Todesurteile seien in Haftstrafen umgewandelt worden bzw. basierten auf Verbrechen wie Mord oder Vergewaltigung. Schließlich bleibt noch die Frage nach der durchschnittlichen Dauer der Strafe in einem Arbeitslager. Die antikommunistischen Propagandisten erwecken den Eindruck, daß ein Strafgefangener normalerweise das Arbeitslager nicht überlebte bzw. endlos lange gefangen gehalten wurde. Es zeigt sich jedoch, daß die Strafzeit in der Stalinzeit für den größten Teil der Gefangenen maximal 5 Jahre betrug. So erhielten nach der American Historical Review 82,4% der gewöhnlichen Kriminellen im Jahre 1936 Haftstrafen von bis zu 5 Jahren und 17,6% zwischen 5 und 10 Jahren. Von den politischen Gefangenen erhielten 44,2% Haftstrafen bis zu 5 Jahren und 50,7% zwischen 5 und 10 Jahren. Für 1939 liegen von sowjetischen Gerichten folgende Zahlen vor: 95,9% bis zu 5 Jahre, 4% zwischen 5 und 10 Jahre und 0,1% über 10 Jahre. Was die Kulaken betrifft, so wurden 381.000 Familien, d.h. 1,8 Millionen Menschen im Zuge der Enteignung in die Verbannung geschickt, wovon der kleinere Teil Arbeit in den Lagern oder Kolonien verrichten mußte. Aufgrund heftiger Klassenauseinandersetzungen zwischen den Kulaken und den ärmeren Bauern, die schließlich darin gipfelten, daß die Großbauern Kolchosfarmen überfielen, Bauern und Parteiarbeiter töteten, Felder anzündeten und Vieh abschlachteten, um Hungersnöte zu provozieren, wurden schließlich 1,8 Millionen der 10 Millionen Kulaken verbannt oder verurteilt. Bei diesen Klassenzusammenstößen waren wie erwähnt 120 Millionen Menschen involviert, so daß mit Sicherheit in diesem Zusammenhang auch manche Ungerechtigkeiten geschehen sind. Die Säuberungen von 1937 Die Moskauer Prozesse waren der Endpunkt langjähriger Auseinandersetzungen mit Trotzki und seinen Anhängern, die die Beschlüsse des ZK kritisierten, umgingen, sabotierten und grundsätzlich nicht die innerparteilichen Mehrheitsverhältnisse akzeptierten. Das führte schließlich zu Kampfmitteln jenseits offizieller Diskurse: Industriesabotage, Spionage für den potentiellen Kriegsgegner (Deutschland, Japan) und schließlicher Landesverrat (Vereinbarungen zwischen Leo Trotzki und der deutschen Reichswehr bzw. Reichsregierung über die Abtretung großer Landesteile der Sowjetunion im Falle einer Naziinvasion, Umsturz der bestehenden und Ersetzung durch eine trotzkistische Regierung); vgl. u.a. Kahn & Sayers, Drittes Buch, S. 215 ff. Die Untersuchung der Umstände der Ermordung Kirows brachten nach und nach das verschwörerische Netzwerk ans Tageslicht. Eine weitere Verschwörung fand in der Armee um Marschall Tuchatschewski statt, die eine Säuberung in der Roten Armee nach sich zog. Auch hierzu liegen von Conquest Horrorzahlen vor: Danach wurden 15.000 Offiziere und 20.000 Kommissare (d.h. die Hälfte der angeblich 70.000 Offiziere und politischen Kommissare der Roten Armee) gefangen genommen und entweder hingerichtet oder zu lebenslanger Haft in den Arbeitslagern verurteilt. Der Historiker Roger Reese gibt in seiner Arbeit "The Red Army and the Great Purges" (Die Rote Armee und die großen Säuberungen) hingegen folgende Fakten: Im Jahre 1937 gab es 144.300 Offiziere und politische Kommissare in Armee und Luftwaffe und 282.300 im Jahre 1939. Während der Säuberungen 1937/38 wurden 34.300 Offiziere und Kommissare aus politischen Gründen entlassen. Bis zum Mai 1940 wurden allerdings 11.596 rehabilitiert und wieder in ihre Posten eingesetzt. Das heißt, zu den Entlassenen zählten 22.705 Offiziere und Kommissare (davon 13.000 Armeeoffiziere, 4.700 Luftwaffenoffiziere und 5.000 politische Gefangene). Das sind insgesamt 7,7% aller Offiziere und Kommissare, wovon wiederum nur ein geringer Teil als Verräter verurteilt wurde, während der Rest ins zivile Leben zurückkehrte. Insgesamt wird die Verfolgung der Konterrevolution als Klassenfrage unter anderem anhand der Zugehörigkeit politischer Gefangener zu bestimmten Berufsgruppen deutlich. So nennt Medwedew u.a.: Juristen, Verwalter im Erziehungswesen, Biologen, technische Intelligenz, Betriebsleiter, Chefingenieure, Maler, Schauspieler, Musiker, Architekten und Filmschaffende – klein- bis großbürgerliche Intelligenz. Das Wesen der "Repression" hat sich demnach von Lenin zu Stalin nicht geändert – daher im übrigen auch der Hinweis bürgerlicher Kritiker, bereits Lenin habe Verrat an den marxistischen Prinzipien begangen, Stalin habe das Ganze nur noch ins Monströse gesteigert. Tatsächlich war und ist die Bekämpfung der Konterrevolution die zentrale Klassenfrage, die Machtfrage der proletarischen Revolution, die Frage von Sein oder Nichtsein einer sozialistischen Gesellschaft. Sie ist mithin keine moralische Frage, zumal eine Revolution der denkbar ungünstigste Zeitpunkt ist, metaphysische Überlegungen über den Wert eines Menschenlebens anzustellen. Das mag zynisch klingen, ist darum aber weder weniger wahr noch wirklich: Der Imperialismus tötet täglich in der Dimension von Millionen; kein Mittel darf daher gescheut werden, diese Mordmaschinerie WIRKSAM außer Kraft zu setzen – damit die Menschheit endlich ihre Geschichte selbst in die Hand nehmen kann und alsbald KEINE Opfer mehr zu zählen sind. Andrea Schön, Dortmund P.S. Noch ein Hinweis von Kenneth Neill Cameron, ehemaliger Professor an der New York University: In der Pariser Commune von 1870 war die Arbeiterklasse sich noch nicht der Brutalität bewußt, mit der die Bourgeoisie versucht, die verlorene Macht zurück zu gewinnen - wenn's sein muß, mit Hilfe ihrer erbitterten Feinde. Das Ergebnis: 30.000 Leichen säumten die Straßen von Paris, Bürgertum und Monarchie triumphierten. Dieser Erfahrung sollte man sich auch in Zukunft bei einem erneuten "Anlauf" wieder erinnern.
Literatur: Cameron, Kenneth Neill: "Stalin - Man of Contradiction" (Stalin - Mann der Widersprüche), NC Press Limited, Toronto 1987 (Andrea Schön: Fundamente des Antostalinismus) Vielleicht sollte hier noch einiges zu den sogenannten Arbeitslagern der Sowjetunion (GULAGS) gesagt werden. Diese Art des Strafsystems in der Sowjetunion wird gerne dafür benutzt zu sagen, dass auch die Sowjetunion ihre KZs hatte, die mindestens genauso schlimm, wenn nicht sogar schlimmer waren als die KZs der Nazis, da Hitler ja bekanntlich nur fremde Völker in die KZs sperrte, Stalin dort sein eigenes Volk als billige Arbeitskräfte missbrauchte. Als bestes Beispiel für die Gleichsetzung von GULags und KZs werden Bücher wie „Archipel Gulag“ von oben erwähnten Herrn Solschenizyn erwähnt. Dass solche eine perverse Gleichsetzung zweier unterschiedlicher Straflagersysteme nur der Relativierung der Verbrechen des Nazi-Regimes in Deutschland dient, zeigen folgende Argumente:
Was die tatsächliche Lebenssituation in den GULags angeht, so schreibt Robert Thurston in seinem Buch „Life and Terror in Stalins Russia 1934 – 1941“ wesentlich objektiver. Zusammengefasst kann man sagen, dass die Lebensverhältnisse in den Arbeitslagern erträglich waren, dass es Möglichkeiten gab gesellschaftlich produktiv zu arbeiten, dass es sogar Kultureinrichtungen, wie Theater, Büchereinen, Musikschulen etc. gab. Eine Ausnahme bildete (die Zeit des zweiten Weltkriegs 1941 – 1945 ausgenommen) die Zeitspanne 1936 bis 1937, in der sich die Lagerbedingungen verschlechterten, weil die Massenverhaftungen zu einer Überfüllung der Arbeitslager führten, und das die Wachmänner die Gefangenen schlechter behandelten aus dem Grund, weil man glaubte es handle sich hierbei tatsächlich um Schädlinge, deren Absicht es war die Sowjetunion zu zerstören. Anfang 1938 beklagt sich Andrej Wischinsky, Chefankläger der Moskauer Prozesse über die schlechten Lebensbedingungen in den Lagern und forderte die Bestrafung jener, die solche Zustände in den Lagern zuließen. Sofort wurden entsprechende Maßnahmen getroffen. Wachmänner, die für die schlechten Zustände zur Verantwortung gezogen wurden, wurde öffentlich der Prozess gemacht. Oben wurde erwähnt, dass nach der Jeschowschina, es eine Welle der Rehabilitierungen gab. Wie sah es aber während dieser Säuberungen aus? Gab es dort die Möglichkeit sich zu wehr zu setzen? Die Behauptung, das NKWD sei eine privilegierte, administrativ-bürokratische Terrormaschine, ähnlich wie die Gestapo, der irrt. Es gab eindeutig die Möglichkeit, sich gegen eine Festnahme etc. zu wehren, hohe NKWD-Offiziere, die Korruption begangen, öffentlich zu kritisieren und von ihrem Posten abzusetzen (siehe dazu Robert Thurston: Life and Terror in Stalins Russia, Seite 91ff) In den 30er Jahren, hatte das gesamte Justizwesen der UdSSR wesentliche Veränderungen durchgenommen. So beschreibt der oben erwähnte Robert Thurston – durch aus keine Freund des Kommunismus, aber ehrlich genug, sich an der Objektivität zu halten, dass Menschen gegen willkürliche Verhaftungen juristischen Schutz erhielten, Prozesse öffentlich gehalten wurden, Richter, Staatsanwälte, die sogenannten „Troikas“ von dem Massen gewählt wurden und ihnen Rechenschaft schuldig waren (Thurston, Seite 1 ff/ siehe dazu auch Pat Sloan: Sovjet Democracy, S. 108ff). Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Säuberung innerhalb der Partei. Dass es auch hier erhebliche Fehler gab und diese in der Partei nicht verschwiegen wurde, zeigt der Bericht von A. A. Shdanow auf dem 18. Parteitag der KPdSU 1939 „Abänderungen an Statut der KPdSU“: „Die Abschaffung der MassenreinigungenIn den Thesen wird weiter die Abschaffung der Massenreinigungen der Partei vorgesehen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß man jetzt auf sie verzichten kann und muß, und zwar aus folgenden Gründen. Die Methode der Massenreinigungen, die zu Beginn der NÖP, in der Periode der Neubelebung der kapitalistischen Elemente, eingeführt wurde, um die Partei davor zu schützen, daß Leute in ihre Reihen eindrangen, die sich im Zusammenhang mit der NÖP zersetzten, hat unter dein gegenwärtigen Verhältnissen, wo die kapitalistischen Elemente liquidiert sind, ihre Berechtigung verloren. Es muß hier betont werden, daß die Massenreinigungen bei der Festigung der Partei eine gewaltige Rolle gespielt haben. Wenn unsere Partei heute eine weitaus organisiertere Kraft darstellt als je zuvor, wenn die Partei wesentlich gestärkt wurde durch die Reinigung ihrer Reihen von allem Unrat, so waren dabei die Massenreinigungen von großer Bedeutung. Jetzt jedoch, da die kapitalistischen Elemente liquidiert sind, da in der Wirtschaft der Partei bolschewistische Ordnung geschaffen wurde, da sich die Partei bereits der unzuverlässigen und zweifelhaften Elemente entledigt hat, entspricht die Methode der Massenreinigungen offenkundig nicht den veränderten Verhältnissen, erfüllt sie nicht ihren Zweck. Die Partei kann ihre Reihen von Leuten, die dem Programm und dem Statut der Partei zuwiderhandeln, auf dem gewöhnlichen Wege säubern. Die negative Seite der Massenreinigungen besteht darin, daß durch den kampagnenmäßigen Charakter der Massenreinigungen viele Fehler verursacht werden, vor allem im Sinne einer Verletzung des Leninschen Prinzips des individuellen Herangehens an die Menschen. Die Methode der Massenreinigungen, die einen bestimmten Standard aufstellt und bei der die Menschen nach ein und demselben bestimmten Maß gemessen werden, fördert das formale Herangehen; sie bietet nicht die Möglichkeit, die Forderung der Partei, daß man sich gegenüber Parteimitgliedern, Mitarbeitern aufmerksam verhalte, vollauf zu verwirklichen und führt in der Praxis häufig zur Schmälerung der Rechte der Parteimitglieder. Infolgedessen kam es bei den Massenreinigungen zu zahlreichen unbegründeten Parteiausschlüssen; die feindlichen Elemente, die sich in die Partei eingeschlichen hatten, benutzten die Reinigungen, um gegen ehrliche Parteiarbeiter zu hetzen und ihnen Schläge zu versetzen. Somit besteht jetzt, nachdem die Partei bereits eine große Reinigungsarbeit durchgeführt hat, für die Methode der Massenreinigung keine Notwendigkeit mehr. Davon zeugt die Tatsache, daß sich die größte Arbeit zur Säuberung der Partei v0na Volksfeinden, Treubrüchigen, Verrätern und Agenten des Faschismus nach den Massenreinigungen entfaltete. Das ist kein Zufall. Die neuen Methoden der Wühlarbeit der feindlichen Elemente, die sich in die Partei eingeschlichen hatten, bestanden in der Doppelzünglerei, darin, daß sie ihre Wühlarbeit durch ein äußerliches Einverständnis mit der Parteilinie bemäntelten, durch die äußerliche Bereitschaft, für die Parteibeschlüsse zu kämpfen. Es ist bekannt, daß sich die feindlichen Elemente in weitem Maße eines geräuschvollen Gebahrens, einer zur Schau getragenen Aktivität, der Speichelleckerei, der Schaffung einer Atmosphäre der Lobhudelei, feierlicher Reden; Begrüßungen usw. bedienten, um manche unserer Funktionäre zu täuschen und ihre Wachsamkeit einzuschläfern. Folglich war die Methode der Massenreinigungen in bezug auf die feindlichen Elemente, die sich in die Partei eingeschlichen und ihr Feindesantlitz durch Doppelzünglerei und Betrug an der Partei getarnt hatten, wenig wirksam und verfehlte ihr Ziel. Die Methode der Massenreinigungen richtete ihre Spitze, wie sich zeigte, hauptsächlich gegen die sogenannten passiven Parteimitglieder und führte dazu, daß ehrliche und gewissenhafte Parteimitglieder aus der Partei ausgeschlossen wurden, weil sie angeblich passiv waren. Während der Reinigung im Jahre 1933 machten die sogenannten passiven Elemente die größte Gruppe unter den aus den Reihen der Partei Ausgeschlossenen aus. Die meisten Fehler wurden von den Parteiorganisationen gerade gegenüber den sogenannten passiven Elementen begangen. Zu den passiven Elementen wurden häufig ehrliche, treue Genossen, führende Betriebsarbeiter gezählt. Zu den passiven Elementen wurden Genossen gezählt, die keine Parteiarbeit ausführten - und als solche galt häufig irgendeine nichtssagende Funktion-, die eine große Familie haben, die einige Male den Zirkel nicht besucht hatten oder solche, die bei den politischen Prüfungen irgendeine spitzfindige oder törichte Frage nicht beantwortet hatten. Es erübrigt sich, Beispiele für unbegründete Ausschlüsse wegen Passivität anzuführen. In jeder Organisation gibt es ihrer nicht wenige. Mit der Festigung der Partei fällt somit die Notwendigkeit der Massenreinigungen fort. Die Partei verurteilte auf dem Februar-März-Plenum des ZK im Jahre 1937 und auf dem Januar-Plenum des ZK im Jahre 1938 die Praxis des formalen und seelenlos-bürokratischen Verhaltens zum Schicksal von Parteimitgliedern, zu den Fragen des Ausschlusses aus der Partei und der Wiedereinsetzung der Ausgeschlossenen in die Rechte von Parteimitgliedern. Bekanntlich wurde diese Praxis von karrieristischen Elementen, die in die Partei eingedrungen waren, weidlich ausgenutzt, die danach trachteten, sich durch Parteiausschlüsse hervorzutun und durch sie emporzukommen, ebenso wie von maskierten Feinden innerhalb der Partei, die bestrebt waren, durch breite Anwendung von Repressionsmaßnahmen ehrliche Parteimitglieder zugrunde zu richten und unnötigen Argwohn in den Reihen der Partei zu säen. Der Feind hatte seine Taktik geändert, er hakte an die Wachsamkeit an und trieb mit ihr Spekulation, indem er, gedeckt durch heuchlerische Reden Über Wachsamkeit, möglichst viele ehrliche Kommunisten zu treffen suchte, in der Absicht, gegenseitiges Mißtrauen zu säen und unsere Reihen zu desorganisieren. Die Verleumdung ehrlicher Mitarbeiter unter der Flagge der „Wachsamkeit" ist gegenwärtig die verbreitetste Methode zur Tarnung und Maskierung der feindlichen Tätigkeit. Die noch nicht entlarvten Wespennester der Feinde sind vor allem unter den Verleumdern zu suchen. Das Januar-Plenum des ZK der KPdSU (B) im Jahre 1938 traf eine Reihe von Maßnahmen, die der Praxis von Massenausschlüssen aus der Partei ein Ende setzen und ein differenziertes Herangehen an die Entscheidung von Fragen des Parteiausschlusses oder der Wiederaufnahme Ausgeschlossener wirklich sicherstellen. Das ZK ging von dem bekannten Hinweis aus, den Genosse Stalin auf dem Februar-März-Plenum des ZK im Jahre 1937 gab: ,.. Manche unserer führenden Parteifunktionäre kranken daran, daß sie es den Menschen, den Parteimitgliedern, den Mitarbeitern gegenüber an Aufmerksamkeit fehlen lassen. Mehr noch, sie studieren die Parteimitglieder nicht, wissen nicht, welcher Art Leute es sind und wie sie sich entwickeln, kennen die Mitarbeiter überhaupt nicht. Darum fehlt es Ihnen an der individuellen Art des Herantretens an die Parteimitglieder, an die Parteifunktionäre. Und gerade deshalb, weil es ihnen an der individuellen Art des Herantretens bei der Beurteilung der Parteimitglieder und Parteifunktionäre fehlt, gehen sie gewöhnlich aufs Geratewohl vor: sie loben sie entweder in Bausch und Bogen, ohne Maß, oder prügeln sie ebenso in Bausch und Bogen, ohne Maß, schließen sie zu Tausenden und Zehntausenden aus der Partei aus. Solche führenden Funktionäre sind überhaupt bestrebt, im Maßstab von Zehntausenden zu denken und kümmern sich nicht um den ,Einzelnen`, um die einzelnen Parteimitglieder, um deren Schicksal. Sie halten es für eine Lappalie, Tausende und Zehntausende aus der Partei auszuschließen und trösten sich damit, daß unsere Partei zwei Millionen Mitglieder hat und zehntausende Ausgeschlossener an der Lage der Partei nichts zu ändern vermögen. So aber können an Parteimitglieder nur Leute herantreten, die im Grunde genommen zutiefst parteifeindlich eingestellt sind. Infolge dieser seelenlosen Haltung gegenüber Menschen, gegenüber Parteimitgliedern und Parteifunktionären wird bei einem Teil der Partei künstlich Unzufriedenheit und Erbitterung hervorgerufen, die trotzkistischen Doppelzüngler aber machen sich geschickt an solche erbitterte Genossen heran und verstehen es, sie mit sich in den Sumpf des trotzkistischen Schädlingswesens zu zerren." Genossen! Ihr habt sicherlich beachtet, daß während der Diskussion über die Thesen zu den Abänderungen am Statut der KPdSU (ß) die Frage der Maßnahmen zum Kampfe gegen die Verleumdung ehrlicher Parteimitglieder nicht den letzten Platz einnahm. Im Zentralkomitee und in der Redaktion der „Prawda" ist ebenfalls eine große Anzahl von Briefen zu diesem Thema eingelaufen. Ich will einige Beispiele anführen, wie der Feind seine Tätigkeit unter der Flagge der „Wachsamkeit" ausübt. Sekretär des Issaer Rayonkomitees der KPdSU (B) im Gebiet Tambow war ein gewisser Kaljakajkin. Er schloß in kurzer Zeit von einer Gesamtzahl von 175 Mitgliedern der Parteiorganisation 58 aus der Partei aus. Kaljakajkin ging dabei in folgender Weise vor: sobald er jemanden aus der Partei ausgeschlossen hatte, stellte er sofort die Frage, daß gegen alle Kommunisten, die zu dem Ausgeschlossenen in irgendeiner Beziehung standen, ein Parteiverfahren eingeleitet werde. Er arbeitete mit einem eigenartigen „Laufband". Auf Betreiben Kaljakajkins wurde zum Beispiel Nasarow aus der Partei ausgeschlossen, der sodann auf Verlangen des Rayonkomitees verhaftet wurde. Er blieb ungefähr sieben Monate in Haft und wurde dann von den Untersuchungsorganen freigelassen, da die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen nicht bewiesen werden konnten. Während der Zeit aber, da Nasarow in Haft war, wurden seine Frau und 7 Kommunisten aus der Partei, 28 Komsomolzen aus dem Komsomol ausgeschlossen und 10 parteilose Lehrer ihres Postens enthoben, weil sie mit ihm in Verbindung gestanden hätten. Kaljakajkin wurde schließlich, wie das auch nicht anders zu erwarten war, als Volksfeind entlarvt, aus der Partei ausgeschlossen und verhaftet. In der Parteiorganisation von Archangelsk wurde zum Beispiel ein so böswilliger Verleumder wie Prilutschny entlarvt; er hatte 142 Eingaben gegen Kommunisten geschrieben, von denen sich keine einzige bestätigte. In Leningrad trieb lange Zeit die parteifeindliche Gruppe Napolskaja ihr Unwesen, die eifrig kompromittierendes Material gegen ehrliche Kommunisten „organisierte", gegen sie Eingaben an das Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten schrieb und ehrliche Menschen ins Unglück zu stürzen suchte. Durch diese Gruppe wurden einige Dutzend ehrlicher Menschen verleumdet. Gladkich, der frühere Sekretär des Rowdinoer Rayonkomitees der KPdSU(B), Gebiet Archangelsk, stellte jedem Kommunisten die Aufgabe, einen Volksfeind ausfindig zu machen und gab im voraus bekannt, daß „dabei keinerlei Überspitzungen herauskommen werden". Im Rayon Kljutschi im Gebiet Aktjubinsk wurde von dem Volksfeind Peskowskaja der Parteiausschluß von 156 Kommunisten organisiert, die 64 Prozent der gesamten Organisation ausmachten. In der Kollektivwirtschaft „Progreß" desselben Rayons wurde die gesamte Parteiorganisation, die aus 13 Mitgliedern bestand, aus der Partei ausgeschlossen. Ihre Hauptanstrengungen richteten die Feinde darauf, die ehrlichen bolschewistischen Kader zu zerschlagen. Der Volksfeind Kudrjawzew, der sich bis zu seiner Entlarvung in einer der ukrainischen Parteiorganisationen auf leitendem Posten befand, erklärte in seinen Aussagen folgendes: „Wir trachteten danach, eine möglichst große Zahl von Menschen aua der Partei auszuschließen. Wir schlossen auch Leute aus, bei denen es absolut keinen Grund zum Ausschluß gab. Das war einzig und allen) darauf berechnet, die Zahl der erbitterten Menschen zu vergrößern und damit die Zahl unserer Verbündeten zu vermehren." Die Zerstörung des Parteiapparates gehörte ebenfalls zum Plan der Wühlarbeit der Volksfeinde. Folgendes sagte ein anderer Volksfeind aus, der sich in der Ukraine durch Betrug in eines der Gebietskomitees der Partei eingeschlichen hatte. „Im Verlaufe von fünf, sechs Tagen trieb ich den Apparat des Gebietskomitees auseinander, setzte ich fast alle Abteilungsleiter des Gebietskomitees ab, jagte 12 bis 15 Instrukteure davon und ersetzte sogar den technischen Apparat des Gebietskomitees durch neue Leute. All dies tat ich unter der Flagge des Kampfes gegen Feinde und der Säuberung des Gebietskomitees der KP (B) der Ukraine von Leuten, denen es an Wachsamkeit fehlte. Nach der Säuberung` des Apparats des Gebietskomitees ging ich unter der gleichen Flagge daran, die Stadtkomitees und Rayonkomitees auseinander zujagen. In kurzer Zeit setzte ich 15 Sekretäre und eine ganze Reihe anderer Funktionäre ab, gegen die keinerlei kompromittierendes Material vorlag. Ich erweckte damit den Anschein eines Kampfes gegen die Feinde und erreichte gleichzeitig, daß eine Reihe von Kommunisten, die ich völlig grundlos von der Arbeit entließ, gegen die Partei erbittert wurde. Außerdem entließ ich auch eine Reihe von Teilnehmern unserer konterrevolutionären Organisation, versetzte sie auf niedrigere Posten und rettete sie so vor dem Auffliegen." In manchen Organisationen wurden die Verleumder so dreist, daß sie überhaupt keine Hemmungen mehr kannten. In einem Rayon des Kiewer Gebiets wurde zum Beispiel der Verleumder Chanewski entlarvt. Von den zahlreichen Eingaben, die Chanewski gegen Kommunisten eingereicht hatte, bestätigte sich keine einzige. Dieser Verleumder ließ sich jedoch nicht aus der Fassung bringen und wendete sich in einer seiner „Enthüllungseingaben" an das Gebietskomitee der KP (B) der Ukraine mit der Bitte: „Ich bin im Kampfe gegen die Feinde von Kräften gekommen und bitte deshalb, mir einen Platz in einem Kurort anzuweisen. (Lebhafte Heiterkeit.) Charakteristisch ist das Auftreten des Sekretärs des Parteikomitees der Gebiets-Landabteilung, Nefedow, in einer Versammlung des Parteiaktivs von Irkutsk. Er teilt die Parteimitglieder in drei Gruppen ein: „Die erste Figur", erklärt er, „ist derjenige, der sehr aktiv ist, er muß also überprüft werden, sicherlich führen die Spuren zum Feind. Die zweite Figur ist derjenige, dem ein ,Ballast`, ein schweres Gewicht, anhängt, es ist also klar, daß er zurückbleiben wird, das Gewicht behindert ihn; das muß ebenfalls berücksichtigt werden, er ist zu überprüfen, und die Spuren werden offenbar ebenfalls zum Feinde führen. Und die dritte Figur haben wir, wenn wir einen Menschen finden, der nicht um des Gewissens willen, sondern aus Angst arbeitet, da irrt man sicher nicht - es ist ein Feind." (lebhafte Heiterkeit.) Wie, ihr seht, eine ganze „Theorie". Die „Tätigkeit" mancher Verleumder nahm so große Ausmaße an, daß sie begannen, eine gewisse „Rationalisierung" einzuführen. Da ist zum Beispiel Alexejew, Parteimitglied seit 1925, Leiter des Rayon-Parteikabinetts von Irbejskoje (Region Krassnojarsk). Er arbeitete schlecht, verbrachte seine ganze Zeit mit dem Schreiben verleumderischer Eingaben gegen ehrliche Kommunisten und parteilose Lehrer. Hier gab es bei ihm so viel „Arbeit", daß er sich eine Liste mit speziellen Rubriken anlegte: „großer Feind", „kleiner Feind", „kleinerer Feind", „ganz kleiner Feind". (Allgemeine Heiterkeit.) Es erübrigt sich zu sagen, daß er im Rayon eine völlig unmögliche Situation geschaffen hatte. Schließlich wurde er als Verleumder aus der Partei ausgeschlossen. Beim Fall Alexejew dachte ich nach, an wen ein solcher Typ erinnert, und mir kam Sobakewitsch aus Gogols Erzählung „Die toten Seelen" in den Sinn. Bekanntlich waren für Sobakewitsch alle Menschen Gauner und Räuber. Als Tschitschikow Sobakewitsch gegenüber gestand, daß ihm in der Gouvernementsstadt der Polizeimeister wegen seiner Geradheit und Treuherzigkeit am besten gefiel, antwortete ihm Sobakewitsch seelenruhig: „Ein Gauner! Er wird Sie verkaufen und betrügen und sich noch mit Ihnen zu Tisch setzen. Ich kenne sie alle: alle sind sie Gauner, die ganze Stadt ist so: ein Gauner sitzt auf dem anderen und jagt dem dritten nach. Alle sind sie bereit, den Herrgott zu verkaufen. Es gibt dort nur einen einzigen anständigen Menschen - den Staatsanwalt, und auch der ist ein Schwein, wenn man die Wahrheit sagen soll." (Lachen im Saal.) Offensichtlich leben Urenkel von Sobakewitsch auch in unserer Zeit noch und haben sich hier und dort sogar in die Partei eingeschlichen. Man muß einen guten Besen nehmen und unser Parteihaus von solchem Unrat säubern! (Einmütiger Beifall.) Das Bestreben, sich den lebendigen Menschen vom Leibe zu. halten, der Widerwille, die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen sachlich zu untersuchen, bleibt nach wie vor die Krankheit sehr vieler führender Parteifunktionäre. Noch gibt es in unseren Parteiorganisationen nicht wenig Rückversicherer, Leute, die nur darauf bedacht sind, sich gegen allerlei Eventualitäten zu sichern. Besonders häufig kam es seinerzeit, und kommt es auch jetzt noch zu Parteiausschlüssen wegen „Beziehungen" zu Feinden. Mit dieser Begründung wurde eine nicht geringe Zahl von ehrlichen Funktionären in Bausch und Bogen aus der Partei ausgeschlossen; ihre ganze Schuld bestand darin, daß sie sich infolge ihrer Arbeitsbedingungen mit Leuten treffen mußten, die sich später als Volksfeinde erwiesen, mit ihnen sprachen, mit ihnen „durch dieselbe Straße gingen". Diese landläufige Formel -„Beziehungen zu Volksfeinden" - wurde von parteifeindlichen Elementen weitgehend ausgenutzt, um über ehrliche Kommunisten herzufallen. Diese Formel wurde in so breiter und verschwommener Auslegung Gebraucht, daß die allerverschiedensten Dinge mit einbezogen wurden -- sowohl einfache Bekanntschaft und die sich aus der Berufstätigkeit ergebende gemeinsame Arbeit mit Feinden als auch wirkliche Verbindung mit Feinden und Teilnahme an konterrevolutionärer Arbeit -, alles ging ohne jeden Gradunterschied in der allgemeinen Formel unter. Auf dieser Grundlage wurden, und werden auch jetzt noch, viele Fehler begangen. Bei einer solchen summarischen Verurteilung von Menschen aus formalen Gründen entgingen die wirklichen, die abgefeimten Volksfeinde, die Schurken ersten Ranges, der strafenden Hand des Gerichts. Die Verleumder treiben dort ihr Unwesen, wo ihnen die „Selbstversicherer" Vorschub leisten. Hier ein Beispiel einer solchen „Selbstversicherung". Auf einer der Kohlengruben des Trustes „Swerdlow-Ugol" stellten die Grubenleiter und der Chefingenieur einem Abschnittsleiter eine Charakteristik folgender Art aus: „Er versteht zu arbeiten. Säuft systematisch. Ist auch imstande, mit Untergebenen zu saufen. Erfüllt in der letzten Zeit das Programm. Besitzt organisatorische Fähigkeiten. Gewährleistet die Arbeit des Abschnitts. Liebt keinen Schwung in der Arbeit. Sehr konservativ und ein Opportunist in der Frage der Förderung. Ist bestrebt, möglichst kleine Aufgaben zu erhalten , möglichst wenig zu arbeiten und möglichst viel zu verdienen." (Heiterkeit.) Manche Parteimitglieder nahmen zum Zwecke der Rückversicherung die Hilfe medizinischer Institutionen in Anspruch. Hier eine Bescheinigung, die einem Bürger ausgestellt wurde. „Genosse (folgt der Name) kann infolge des Zustandes seiner Gesundheil und seines Bewußtseins von keinerlei Klassenfeinden für deren Ziele ausgenutzt werden. Psychiatrische Abteilung des Oktober-Rayons der Stadt Kiew. (Folgt Unterschrift.) (Lebhafte Heiterkeit.) Ziemlich stark hat sich bei uns die Theorie eines eigenartigen „biologischen“ Herangehens an die Menschen, an die Parteimitglieder eingebürgert: man beurteilt einen Kommunisten nicht nach seinen Handlungen, sondern nach den Handlungen seiner nahen und fernen Verwandten. Dabei konnte es vorkommen, daß die ungenügende ideologische Festigkeit und die soziale Stellung irgendeiner Urgroßmutter für eine ganze Reihe von Generationen den Nachkommen die Karriere verderben konnte. (Heiterkeit.) Eine solche Einstellung hat mit dem Marxismus nichts gemein. Wir müssen von dem Leitsatz ausgehen, den Genosse Stalin wiederholt entwickelt und hervorgehoben hat: daß der Sohn nicht für den Vater verantwortlich ist, daß man ein Parteimitglied nach seinen eigenen Taten beurteilen muß. Bei uns ist jedoch leider in der Praxis die Erscheinung verbreitet, daß man die sachliche und politische Physiognomie eines Funktionärs nicht nach seiner eigenen Arbeit bestimmt, sondern nach der Physiognomie seiner nahen und fernen Verwandten und Vorfahren. Man kann nicht sagen, daß die Vertreter dieser „Theorie" offen auftreten. Sie betreiben im stillen und zähe ihre Arbeit und urteilen über einen Menschen nicht nach seiner Arbeit, sondern nach seinem Stammbaum. Mit diesen „biologischen" Methoden muß Schluß gemacht. werden. (Lauter Beifall.) Bei uns sind nicht wenige Leute aufgekommen - ich würde sie Pseudomoralisten nennen -, die an den Parteimitgliedern nur die negativen Seiten bemerken, die den ganzen Lebensweg eines Funktionärs nicht sehen und abschätzen, seine Vorzüge und Mängel nicht kennen wollen. Diese Leute betrachten den Menschen als ein für allemal herausgebildetes, starres und lebloses Schema. Diese Leute sind Erfinder von „Eichmaßen" und Schemata, die dann den einzelnen Funktionären angelegt werden, um zu beurteilen, ob der Betreffende gut oder schlecht ist, ob er in das Schema paßt oder nicht. (Heiterkeit.) Diese Leute vergessen, daß unsere gesamte Arbeit am Aufbau des Sozialismus, daß unsere gesamte Erziehungsarbeit auf die Umgestaltung des Bewußtseins der Menschen gerichtet ist. 1'rmcrc Partei ist doch dazu da, wir haben ja die Siege des Sozialismus dazu errungen und stellen die Aufgabe des kommunistischen Aufbaus dazu, um die Menschen, um ihr Bewußtsein umzumodeln. Wenn manche glauben, daß die Ummodelung des Bewußtseins der Menschen die Parteimitglieder nicht angehe daß die Kommunisten von Geburt frei seien von allen Vorurteilen und absolut keinerlei Umerziehung bedürfen, so ist (las nichts anderes als eine idealistische, schematische Auffassung vom Menschen. Ein solches Herangehen an den Menschen, bei dem man über ihn abstrakt, nach vorher festgelegtem Maße urteilt, anstatt ihn in allen seinen Verbindungen und Zusammenhängen zu studieren, führt unvermeidlich zu Passivität, zu pessimistischer Einschätzung der Menschen. Bei solchem pessimistischen Herangehen ist der Blick nur der Vergangenheit zugewendet. Eine solche Art der Einschätzung des Menschen hat mit dem Bolschewismus nichts gemein. Ihrer Methodologie nach steht sie dem Bolschewismus zutiefst feindlich gegenüber. Mir scheint, daß all das ein Rückfall in den Menschewismus, eine eigenartige Form des Opportunismus gegenüber lebendigen Menschen ist, wo man nicht bestrebt ist, die Menschen vorwärts zuführen, ihre Mängel zu beseitigen und sie umzuerziehen, sondern die Mängel der Menschen aufbauscht, sie aufbläht und in den Menschen nicht das Wertvolle erkennt, das unbedingt entfaltet, auf jede Weise gefördert werden muß. K ratzt man aber diese Pseudomoralisten ein wenig, so kommen zumeist Scheinheilige und Heuchler zum Vorschein. Mit solcher Art Totengräbern ist natürlich nichts Vernünftiges anzufangen. (Stürmischer Beifall.) Zugleich muß auch mit der Praxis der halben Rehabilitierung von wiederaufgenommenen Parteimitgliedern Schluß gemacht werden. In der Praxis ist bei uns der Typ des Parteifunktionärs ziemlich stark verbreitet, der um der Rückversicherung willen auf dem rehabilitierten Mitglied oder Kandidaten der Partei „für jeden Fall" einen Fleck oder ein Fleckchen sitzen läßt: war der Betreffende ausgeschlossen und muß man ihn jetzt rehabilitieren, so erteilt man ihm eine Rüge, obwohl nicht zu ergründen ist - wofür; hatte er eine Rüge, so erteilt man ihm einen Verweis - um ihn ein wenig einzuschüchtern. (Heiterkeit.) Mit dieser Praxis der halben Rehabilitierung muß entschieden Schluß gemacht werden; wenn der Betreffende volle Rehabilitierung verdient, so müssen ihm alle Strafen restlos abgenommen werden. Aus diesen Tatsachen ist zu ersehen, daß in einer Reihe von Organisationen der Beschluß des Januar-Plenums des ZK noch nicht entschieden genug durchgeführt wird, jener Beschluß, in dem auf die Notwendigkeit hingewiesen wurde, die maskierten Feinde zu entlarven und restlos auszurotten, die sich in unsere Reihen eingeschlichen haben und durch falsches Geschrei über Wachsamkeit ihre Feindseligkeit gegen die Partei zu verhüllen trachten. Der Methode des individuellen Herangehens an die Parteimitglieder ist noch nicht volle Geltung verschafft worden. Summarische, unbegründete Parteiausschlüsse kommen immer noch vor. Der Beschluß des Januar-Plenums des ZK bezweckte, ein Höchstmaß an Garantien für den Kampf gegen unbegründete Ausschlüsse zu schaffen, das individuelle Herangehen wieder zur vollen Geltung zu bringen und in Fragen des Schicksals der Parteimitglieder außerordentliche Aufmerksamkeit walten zu lassen. Angesichts der außerordentlichen Bedeutung dieser Fragen ist es notwendig, das Statut durch eine Reihe von Leitsätzen zu ergänzen, durch die ein aufmerksames Verhalten gegenüber dem Parteimitglied und eine sorgfältige Untersuchung gewährleistet werden sollen, ob die gegen ein Parteimitglied erhobenen Beschuldigungen begründet sind; die Rechte der Parteimitglieder müssen vor jeder Willkür geschützt werden und aus der Praxis die Anwendung der höchsten Parteistrafe, des Parteiausschlusses , gegenüber Parteimitgliedern, die sich geringfügige Vergehen zuschulden kommen ließen, ausgemerzt werden. Es ist notwendig, des Hinweises des Genossen Stalin eingedenk zu sein: „Die Partei ist für das Parteimitglied eine sehr große und ernste Sache geworden, und die Aufnahme in die Partei oder der Ausschluß aus der Partei stellen im Leben eines Menschen einen sehr wichtigen Wendepunkt dar." „Für die einfachen Parteimitglieder ist das Verbleiben in der Partei oder der Ausschluß aus der Partei eine Frage von Leben und Tod." An anderer Stelle hat Genosse Stalin darauf hingewiesen, daß in der Partei die höchste Strafe der Ausschluß aus der Partei ist, so wie in der Armee die höchste Strafe die Erschießung ist. (Siehe J. Stalin, Sammelband „über die Opposition", S. 34, russ.) Die Beschlüsse des Februar-März-Plenums des ZK der KPdSU (B) vom Jahre 1937 und des Januar-Plenums des ZK der KPdSU (B) vom Jahre 1938 zur Frage des Parteiausschlusses laufen gerade darauf hinaus, daß die Parteiausschlüsse auf ein Minimum beschränkt werden müssen. Kommt der Parteiausschluß dem höchsten Strafmaß in der Armee, d. h. der Erschießung gleich, so darf man ihn nicht wahllos nach links und rechts anwenden. Es ist notwendig, daß die Rolle der Parteistrafen, die im Parteistatut für die verschiedenen Arten von Vergehen vorgesehen sind, wieder zu ihrem Rechte kommt. Man darf nicht über alle Vergehen in gleicher Weise urteilen, ohne zu untersuchen, uh das Vergehen ernst oder belanglos ist. Parteiausschlüsse werden eine Zeitlang in der Praxis vieler Parteiorganisationen zum Wechselgeld geworden, und solche Parteistrafen, wie die Erteilung eines Verweises, eines Tadels, Hinweise auf Vergehen, die Erteilung einer Rüge, einer strengen Rüge, einer strengen Rüge mit Verwarnung, d. h. die ganze genügend be wegliche Skala von Einwirkungsmaßnahmen der Partei, wie sie in unserem Statut vorgesehen ist und der verschiedenen Art und den verschiedenen Graden von Parteivergehen entspricht, gerieten in Vergessenheit. Es ist notwendig, die Rolle der Erziehungs- und Einwirkungsmaßnahmen, die im Statut vorgesehen sind, wieder zu ihrem Rechte kommen zu lassen. Es muß auch über die alten, aufgehobenen Parteistrafen gesprochen werden. Darüber wurde in den Parteiversammlungen vor dem Parteitag ebenfalls nicht wenig gesprochen. Hat sich jemand gebessert und ist seine Parteistrafe aufgehoben, so braucht man nicht ständig an sie zu erinnern, braucht man das Parteimitglied nicht für alte, wiedergutgemachte Fehler büßen zu lassen und moralisch zu disqualifizieren. Es gibt bei uns nicht wenig Fälle, daß sich jemand vor 10 Jahren ein Vergehen zuschulden kommen ließ und dafür eine Parteistrafe erhielt. Dann hat er sich gebessert und die Parteietrafe wurde aufgehoben. An diese Parteistrafe wird jedoch unbedingt erinnert, sobald von diesem Menschen die Rede ist. Das bringt viel Schaden, zum Beispiel im Hinblick auf die Ausübung des Rechtes, in die Parteiorgane gewählt zu werden. Bekanntlich werden solche Genossen bei der Erörterung der Kandidaturen für die Wahlen zu den Parteiorganen häufig abgelehnt. Das ist aber falsch: hat jemand sein Vergehen wiedergutgemacht, wozu soll ihm dann sein ganzes Leben lang ein moralischer Fleck anhaften? Es ist nicht nötig, für Gewesenes büßen zu lassen. (Zurufe: Sehr richtig!)“ Letztendlich beschloss das Plenum des ZK der KPdSU schon im Januar 1938:
Hiermit ist die wahre Geschichte des Großen Terrors in der Sowjetunion möglichst kurz geschildert worden, dabei habe ich versucht die gängigsten antikommunistischen Lügen über diese Zeit zu widerlegen. Michael K.
|
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|