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J. Kusminow

 

Der bürgerliche Staat - ein Werkzeug zur Bereicherung der Monopole

(Aus: 'Kommunist' Nr. 9/1954, abgedruckt in 'Neue Welt', Heft 16, April 1954)

 

 

 

"In der Epoche des Imperialismus entsteht in den kapitalistischen Ländern und entwickelt sich rasch eine neue, früher unbekannte Erscheinung: die so genannte staatliche Regulierung der Wirtschaft. In besonders starkem Maße machte sich die staatliche Regulierung der kapitalistischen Wirtschaft während des Weltkrieges von 1914 bis 1918 in den kriegführenden Staaten, insbesondere in Deutschland bemerkbar. Die bürgerlichen Wirtschaftler und die Reformisten bezeichneten diese Erscheinung als eine 'neue Ära' in der Entwicklung des Kapitalismus, die die Veränderung seines Wesens kennzeichnet: Die einen versicherten, dass sich der Kapitalismus aus einem anarchischen in einen planvollen oder organisierten Kapitalismus verwandle, während die anderen von einer Umgestaltung des Kapitalismus in einen 'staatlichen (oder militärischen) Sozialismus' sprachen.

 

Lenin, der die Hirngespinste der Lakaien der Bourgeoisie entlarvte, bezeichnete diese neue Erscheinung als staatsmonopolistischen Kapitalismus, enthüllte sein Wesen und stellte seine Bedeutung für die Entwicklung des Klassenkampfes des Proletariats fest. Die Thesen über den staatsmonopolistischen Kapitalismus sind ein Bestandteil der Leninschen Theorie vom Imperialismus.

 

Das ökonomische Wesen des Imperialismus zeigt sich, wie Lenin lehrt, in den Monopolen, die durch eine hohe Konzentration der Produktion entstehen. Im Imperialismus spielen die Monopole in der Wirtschaft der kapitalistischen Länder eine entscheidende Rolle. Der staatsmonopolistische Kapitalismus erwächst aus den Monopolen. Er ist das Ergebnis und die höchste Entwicklungsstufe der Monopole. Die Entwicklung der Monopole und des Finanzkapitals führt dazu, dass die Fäden des wirtschaftichen Lebens in den Händen einer kleinen Clique von Industrie- und Finanzmagnaten, der Finanzoligarchie, zusammenlaufen. Die Monopole des Finanzkapitals ordnen sich jedoch, sobald sie erst einmal in der Wirtschaft entstanden sind, ohne weiteres auch den Staatsapparat unter. Der bürgerliche Staat ist immer ein Werkzeug in den Händen des Kapitals. In der Epoche des Imperialismus wird er zu einem Werkzeug der Großmonopole, der Finanzoligarchie. Dabei wird der Staatsapparat in dem Maße wie die Vorherrschaft der Finanzoligarchie wächst, in immer engere Verbindung mit den Großmonopolen gebracht, die ihn sich dienstbar machen und zu ihrer Bereicherung ausnutzen. Dies ergibt sich aus der Wirkung des ökonomischen Grundgesetzes des modernen Kapitalismus.

 

Lenin, der die ökonomischen Besonderheiten und Merkmale des Imperialismus umfassend kennzeichnete, wies auf den Entwicklungsprozess der kapitalistischen Produktionsverhältnisse in der neuen Epoche hin und stellte die wichtigsten Merkmale des ökonomischen Grundgesetzes des modernen Kapitalismus fest. Mit der Veränderung und Entwicklung der Produktionsverhältnisse erfolgt auch die Veränderung und Entwicklung der ökonomischen Gesetze der jeweiligen Formation, darunter auch des ökonomischen Grundgesetzes. Die ökonomischen Grundgesetze des Kapitalismus existieren nicht unverändert fort, sondern wandeln und entwickeln sich entsprechend den veränderten Verhältnissen. Die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse in der Epoche des Kapitalismus bedeutet sowohl die Veränderung des ökonomischen Grundgesetzes des Kapitalismus als auch anderer Gesetze.

 

Lenin zeigt, dass sich das Monopolkapital nicht mehr mit einem Durchschnittsprofit zufrieden gibt, und dass die Herrschaft der Monopole bedeutet, ' ... dass die Kapitalisten eines Industriezweiges unter vielen anderen oder eines Landes unter vielen anderen usw. hohe Monopolprofite herausschlagen.' (W. I. Lenin, Ausgew. Werke in zwei Bänden, Bd. 1, Dietz Verlag Berlin 1952, S. 872).

 

Lenin deckte die Quellen und Mittel auf, die den Monopolen einen hohen monopolistischen Maximalprofit sichern. Gestützt auf die Werke Lenins formulierte Stalin das ökonomische Grundgesetz des modernen Kapitalismus und seine Erfordernisse und bereicherte die Leninsche Theorie vom Imperialismus.

 

Das ökonomische Grundgesetz des modernen Kapitalismus kennzeichnet die grundlegende Veränderung der den Kapitalisten zur Bereicherung dienenden Quelle. Die Quelle des Durchschnittsprofits war in der Zeit des vormonopolistischen Kapitalismus die Masse des Mehrwerts, der durch die Arbeit der Werktätigen eines gegebenen Landes geschaffen und gemäß der Größe des angewandten Kapitals verteilt wurde. Auch in der Epoche des Imperialismus ist die Hauptquelle der Profitsteigerung die durch das Joch der Monopole, durch Arbeitsintensivierung und Zunahme der Arbeitslosigkeit bedingte verschärfte Ausbeutung der Arbeiterklasse in den kapitalistischen Betrieben. Die Herrschaft der Monopole ist zwangsläufig mit einer bisher noch unbekannten verstärkten Ausbeutung der Arbeiter im Produktionsprozess verknüpft. Nach den Angaben des Mitglieds der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, E. Varga, erhöhte sich der Ausbeutungsgrad der Arbeiter der USA von 128 Prozent im Jahre 1899 auf 253 Prozent oder um fast das Doppelte. Diese Quelle allein ist jedoch zur Bildung von Maximalprofiten nicht ausreichend.

 

Eine weitere entscheidende Quelle der Profitsteigerung im Imperialismus ist die Ausbeutung, Ausplünderung und Verelendung der Mehrheit der Bevölkerung eines gegebenen Landes. Unermesslich verstärkt sich die zusätzliche Ausbeutung der Arbeiter, erstens als Verbraucher durch die hohen Monopolpreise für Bedarfsgüter und zweitens als Steuerzahler über den Staatshaushalt. Es ist bekannt, dass beispielsweise die direkten und indirekten Steuern in den größten kapitalistischen Ländern gegenwärtig etwa ein Drittel der Arbeitslöhne verschlingen. Die Teuerung und die Steuerlasten, die mit der zunehmenden Militarisierung in untrennbarem Zusammenhang stehen, sind ein wichtiger Faktor der absoluten Verelendung der Arbeiterklasse.

 

Eine weitere Quelle des Maximalprofits ist die Ausbeutung und der Ruin der Bauernschaft und Handwerker des jeweiligen Landes. Durch niedrige Aufkaufpreise für landwirtschaftliche Produkte und hohe Verkaufspreise für Bedarfsgüter an die Bauern, plündern die Monopole die Bauern aus und nehmen ihnen fast immer nicht nur ihr Mehrprodukt, sondern auch einen Teil des notwendigen Produkts ab. Darüber hinaus wird die Bauernschaft durch das Steuersystem ausgepresst.

 

Eine Quelle der Maximalprofite der Monopole ist ferner die Versklavung und systematische Ausbeutung der Völker anderer, insbesondere der zurückgebliebenen Länder. Die Monopole befassen sich auch mit der Kapitalausfuhr nach den abhängigen Ländern und plündern deren Völker durch die Entwicklung des Kapitalismus unter Beibehaltung feudaler Überreste, ungleichen Warenaustausch infolge geringer Aufkaufpreise und hoher Verkaufspreise der Monopole sowie schließlich durch eine direkte Beraubung und Ruinierung der Völker aus. Diese Quelle des Maximalprofits darf in keiner Weise unterschätzt werden. Der fortschrittliche amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Victor Perlo errechnete, dass die amerikanischen Monopolisten im Jahre 1948 aus dieser Quelle 7,5 Milliarden Dollar Profite erhielten, davon durch Kapitalinvestitionen in anderen Ländern 1,9 Milliarden, durch Warenverkäufe über 2,5 Milliarden, durch Warenkäufe etwas unter 1,2 Milliarden sowie durch Transport, Versicherung usw. 1,9 Milliarden Dollar. Diese Angaben vermitteln zwar keine lückenlose Vorstellung davon, in welchem Maße die abhängigen Länder von den Monopolen der USA ausgeplündert werden, sie zeigen jedoch, dass für die Erzielung von Maximalprofiten die Ausraubung anderer Völker außerordentlich wichtig ist.

 

Die Gesamtmasse der Produkte, die von den Kapitalisten der imperialistischen Staaten sowohl aus dem eigenen Land als auch aus anderen Ländern herausgepresst wird, wird nach dem Gesetz des Maximalprofits unter ihnen verteilt. Das heißt, dass die Großmonopole nicht nur den gesamten eigenen Profit einstecken, sondern sich auch noch einen Teil der Profite der kleinen und mittleren Betriebe aneignen, die häufig nicht einmal den Durchschnittsprofit erhalten und deshalb zugrunde gehen.

 

Die Steigerung des Ausbeutungsgrades in den Betrieben, die hohen Monopolpreise für die Bedarfsgüter der Arbeiter, die zunehmende Steuerbelastung der Werktätigen, die hohen Monopolpreise für Waren, die der Bauer kaufen muss und die niedrigen Preise für die Waren, die er verkauft, die verschiedenen Arten der Ausplünderung der kolonialen und abhängigen Länder sowie die Verteilung der Profite unter den Kapitalisten zugunsten der Großmonopole - all diese Quellen des Maximalsprofits entwickeln sich am stärksten in Kriegszeiten und bei einer Militarisierung der Volkswirtschaft.

 

 

So übersteigt die Maximalprofitmasse bei weitem die durch die Arbeit der Werktätigen geschaffene Mehrwertmasse. Demzufolge kennzeichnet der Maximalprofit nicht nur das Verhältnis zwischen der monopolistischen Bourgeoisie und der Arbeiterklasse und zwischen der monopolistischen Bourgeoisie und der Bauernschaft des betreffenden Landes, sondern auch zwischen der monopolistischen Bourgeoisie der Metropole und den ausgebeuteten werktätigen Massen der Kolonien und abhängigen Länder.

 

Um sich den Monopolprofit zu sichern, bedienen sich die Monopolisten immer häufiger des bürgerlichen Staatsapparates. Diese Notwendigkeit entspringt der eigentlichen Natur des Maximalprofits. Eine ungeheure Steigerung des Ausbeutungsgrades der Arbeiter wird in der Epoche des Imperialismus, besonders in Kriegszeiten, durch direkten Zwang, Einführung eines militärischen Zwangsregimes in den Betrieben und durch die Anwendung offener Formen der Zwangsarbeit erreicht. Die Ausplünderung der Werktätigen durch maßlose Steuern ist ohne den Einsatz des Staatsapparats unmöglich. Der Staatshaushalt wird im Imperialismus zu einer eigentümlichen Pumpe, die die Geldmittel aus den Taschen der Werktätigen in die Taschen der Monopole fließen lässt. Ebenso unmöglich ist es, die Völker der kolonialen und abhängigen Länder ohne Hilfe des Staates, seiner Streitkräfte, seiner Polizei und des diplomatischen Apparates auszurauben.

 

Kurz gesagt: Zur Sicherung des kapitalistischen Maximalprofits werden weitgehend direkte Zwangsmethoden angewandt, wird der Staat für die Bereicherung der Monopolisten und zur Ausraubung und Unterjochung der Werktätigen ausgenutzt. Hieraus resultiert das Streben der Monopole, sich des Staatsapparates zu bemächtigen und ihn sich völlig dienstbar zu machen. Die Verschmelzung des Staatsapparates mit den Monopolen bei entsprechender führender Rolle der letzteren, das heißt die Unterordnung des bürgerlichen Staatsapparates unter die Monopole und sein Einsatz für die Sicherung von Maximalprofiten, ergibt sich unvermeidlich aus der Wirkung des ökonomischen Grundgesetzes des modernen Kapialismus und bildet das Wesen des staatsmonopolistischen Kapitalismus.

 

*

 

Die Unterordnung des bürgerlichen Staatsapparates unter die Monopole ist ein komplizierter Prozess, der sich in verschiedenartigen Formen und in einem erbitterten Kampf zwischen den einzelnen Gruppen der herrschenden Klassen sowie den einzelnen Cliquen der Monopolisten abwickelt.

 

Die wichtigste Form der Unterordnung des Staatsapparates unter die Monopole ist eine Personalunion der Monopole mit den Regierungen der bürgerlichen Länder. Lenin verwies darauf, dass die Personalunion der Banken mit der Industrie in der Epoche des Imperialismus durch die Personalunion der einen wie der anderen Gesellschaften mit der Regierung ergänzt wird.

 

Folgende grundsätzliche Arten und gleichzeitige Entwicklungsstufen der Personalunion können festgestellt werden:

 

a) Einbeziehung von Regierungsvertretern in die Vorstände der Monopolverbände;

 

b) Eindringen von Agenten der Monopolisten in den Staatsapparat;

 

c) Eindringen der Monopolisten selbst in den Staatsapparat.

 

Lenin zitiert das 1905 erschienene Buch des deutschen Wirtschaftswissenschaftlers Jeidels, der die schon in jener Zeit weit verbreitete Praxis der Einbeziehung von Parlamentsmitgliedern, bekannten Persönlichkeiten und hohen Staatsbeamten in die Aufsichtsräte und Vorstände der Banken und Aktiengesellschaften unterstreicht. Diese Persönlichkeiten wurden von den Monopolen herangezogen, weil sie 'im Verkehr mit den Behörden manche Erleichterung schaffen können'.

 

Lenin zeigt die Entwicklung dieser Art von Personalunion am Beispiel Englands, Russlands und anderer Länder. Bezüglich Englands verwies Lenin unter Hinweis auf die im Jahre 1913 einsetzende Kriegsvorbereitung auf die Tatsache, dass zahlreiche Admirale und angesehene Staatsbeamte aus beiden Parteien, der konservativen und der liberalen, als Aktionäre und Direktoren von Werften, Pulverfabriken, Dynamitwerken, Rüstungsbetrieben und anderen Betrieben fungierten. Dieser Prozess entwickelte sich in den darauffolgenden Jahren in allen kapitalistischen Staaten in verstärktem Maße weiter.

 

Die Einschaltung von Regierungsmitgliedern und hohen Beamten, die im Staatsapparat Schlüsselstellungen innehaben, in den Apparat der Monopole, macht diese Menschen zu zuverlässigen Agenten der betreffenden Monopole.

 

Eine Personalunion dieser Art ist jedoch noch nicht imstande, den Staatsapparat den Monopolisten völlig unterzuordnen. Das sind nur die ersten Schritte dazu. Die Monopole bedienen sich vieler anderer Mittel wie etwa jener Art von Personalunion, bei der ihre eigenen Vertreter in den Staatsapparat eindringen. Im Laufe der Zeit gewinnt der Staatsapparat für die Sicherung des Maximalprofits so hohe Bedeutung, dass die Monopolisten diese Funktionen nicht mehr ihren, wenn auch treuen Agenten anvertrauen, sondern die wichtigsten Kommandostellen selbst besetzen.

 

Dies haben Beobachter bereits während des Ersten Weltkriegs festgestellt. A. Rochester bemerkt sehr richtig, dass während des Krieges 1914-1918 die Meute der Geschäftsleute der großen Gesellschaften und der Wallstreet erstmalig in der Geschichte überraschend in Washington eindrang, um sich an der Verwaltung der während des Krieges entstandenen verschiedenen Sonderinstitutionen zu beteiligen.

 

Aber dies alles war unbedeutend im Vergleich zu der Zeit des Zweiten Weltkriegs und danach, als Hunderte von Monopolisten den Staatsapparat der imperialistischen Großmächte überschwemmten. Das Kabinett Truman und die Regierungsbehörden waren mit Monopolisten überfüllt. Allein in der Zeit von 1946 bis 1948 wurden von Truman 66 bekannte Financiers, Industrielle und Rechtsanwälte der Gesellschaften sowie über drei Dutzend Generale, Admirale und andere Militärs, die in enger Beziehung zu den Großmonopolen standen, für verschiedene Staatsposten bestimmt. Dieser Prozess 'dehnte sich so weit aus, dass in den Nachkriegsjahren zwischen Washington und den Geschäftszentren des Landes eine beständige beiderseitige Personalzirkulation vor sich geht', schreibt Rochester.

 

Während früher das Eindringen der Monopolisten in den Staatsapparat vornehmlich stillschweigend erfolgte, geht es jetzt augenfällig und ohne alle Beschönigung vonstatten. Die Monopolisten proklamieren offen ihren Kurs auf völlige Inbesitznahme des Staatsapparates und verfolgen diesen Kurs auch ebenso offen. Bezeichnend hierfür ist das 1952 erschienene Buch des Präsidenten der Inland Steel Co., Clarence Randoll, in dem an erster Stelle die Frage der Hebung der Rolle des amerikanischen Monopolisten im gesellschaftlichen Leben und in der Staatsverwaltung steht. Randoll erklärt öffentlich, dass ihn das bisherige Eindringen der Monopolisten in den Staatsapparat nicht befriedigt. Er entwickelt ein ausführliches Programm für den Eintritt der Monopolherren bereits in jungen Jahren in die Regierungsbehörden, wo sie dann gemäß ihern Erfolgen auf geschäftlichem Gebiet in höhere Staatsämter aufrücken sollen.

 

Der Grund für die Entwicklung der Personalunion und die Unterordnung des Staatsapparats unter die Monopole liegt in der zunehmenden Monopolisierung und der wachsenden Vorherrschaft der Finanzoligarchie. Dieser Prozess ist von dauerhaftem Charakter und findet im Ganzen gesehen in aufsteigender Linie statt. Gleichzeitig kann jedoch der Personalbestand der herrschenden Spitze nicht dauerhaft und beständig sein. Er ist ein Abbild der Kräfteverschiebungen innerhalb der Finanzoligarchie sowie des erbitterten Kampfes zwischen den Gruppen der Monopolisten um die Positionen im Staatsapparat. Nehmen wir als Beispiel die USA. Die erste Geige in der Finanzoligarchie der USA spielte in den Vorkriegsjahren die Morgan-Gruppe. Diese Gruppe kontrollierte 1935 Konzerne mit einer Aktiva in Höhe von 30,2 Milliarden Dollar, während die Aktiva der Gesellschaften von der Kuhn-Loeb-Gruppe nur ein Drittel und die der Rockefeller-Gruppe kaum den fünften Teil der genannten Summe unter ihrer Kontrolle hatten. Der Hauptkampf um die Posten im Staatsapparat spielte sich zwischen diesen drei Finanzgruppen ab.

 

Infolge des Zweiten Weltkrieges hat sich das Kräfteverhältnis innerhalb der Finanzoligarchie in den USA grundlegend verändert.

 

Aktiva

der von den bedeutendsten Finanzgruppen der USA

kontrollierten Gesellschaften

 

1935 1948

in Mrd. Dollar in % zum Ergebnis in Mrd. Dollar in % zum Ergebnis

________________________________________________________________________________________________

 

Morgan.............. 30,2 49,5 55,3 45

Kuhn-Loeb......... 10,9 17,8 10,3 8,4

Rockefeller......... 6,6 10,8 26,7 21,8

Chicago-Gruppe.. 4,3 7,0 9,3 7,6

Mellon................. 3,3 5,4 5,8 4,7

Dupont-Gruppe..... 2,6 4,3 6,4 5,2

Boston-Gruppe...... 1,7 2,8 6,0 4,8

Cleveland-Gruppe.. 1,4 2,4 3,0 2,5

________________________________________________________________________________________________

61,0 100,0 122,8 100,0

 

 

Die Morgan-Gruppe, deren Aktiva um fast das Doppelte gestiegen sind, hat sich den ersten Platz bewahrt, ihr Anteil an der Gesamtsumme der von allen Finanzgruppen kontrollierten Aktiva ging jedoch etwas zurück. Die Kuhn-Loeb-Gruppe konnte ihre Aktiva nur auf dem Stand des Jahres 1935 halten und fiel vom zweiten auf den dritten Platz zurück. Die Rockefeller-Gruppe steigerte ihre Aktiva um das Vierfache; ihr Anteil erhöhte sich um über das Doppelte.

Sie belegte den zweiten Platz nach der Morgan-Gruppe. Außerordentlich stark gewachsen sind die regionalen Finanzgruppen, die Chicago-, Boston- und Cleveland-Gruppe, die sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik der USA eine bemerkenswerte Rolle zu spielen begannen.

 

Neben diesen alten Finanzgruppen bildeten sich infolge des Krieges neue starke Gruppen im Südwesten der USA, vor allem in Kalifornien und Texas, die sich dem Kampf anschlossen. Die kalifornische Finanzgruppe Giannini kontrolliert über die Transamerican Corporation über sieben Milliarden Dollar an Gesellschaftsaktiva. Die Hauptbank der Giannini-Gruppe, Bank of American Trusts and Savings, verdreifachte ihren Fonds während des Krieges und ist jetzt die größte Bank der USA. Eine bemerkenswerte Rolle begannen in der Wirtschaft die Fianciers aus Texas zu spielen. Der Clevelander Financier Robert Young startete in den letzten Jahren im Verein mit den Texas- Großfinanciers Marchison und Richardson eine geräuschvolle Kampagne 'gegen die Wallstreet', d. h. gegen die Finanzgruppen des Ostens, Morgan, Rockefeller und andere. Dieser Kampf geht zur Zeit um die Eisenbahngesellschaft New York Central System, in deren Aufsichtsrat die Vertreter von Morgan, Rockefeller und Mellon sitzen und wo Young, der zusammen mit seinen Kumpanen ein großes Aktienpaket erworben hat, für sich das Amt des Vorsitzenden und zwei Plätze im Aufsichtsrat beansprucht.

 

Der Beobachter der 'New York Times' schrieb kürzlich aus diesem Anlass, dass Robert Young 'den ungeheuren Reichtümern der Morgans, Vanderbilts, Rockefellers und Mellons den Kampf angesagt hat'. Nach Ansicht des Beobachters ist dies jedoch nur eines der Vorgeplänkel und die Ankündigung härterer Zusammenstöße zwischen den Financiers des Westens und des Ostens der USA.

 

Auch im Kampf der Finanzcliquen um die Stellungen im Staatsapparat treten die Kräfteverschiebungen innerhalb der Finanzoligarchie der USA augenfällig in Erscheinung, so z. B. bei der Verteilung der Posten in der Regierung Eisenhowers.

 

Mit der zunehmenden Bedeutung der Rockefeller-Gruppe in der Wirtschaft verstärkte sich auch deren Aktivität auf politischem Gebiet, im Kampf um die wichtigsten Posten im Staatsapparat und in den 'regulierenden' Organen. Da die auf Kosten der Völker der kolonialen und abhängigen Länder profitierenden Erdölmonopole die Basis dieser Gruppe bilden, ist sie besonders stark an jenen Staatsorganen interessiert, die mit internationalen Geschäften und mit der Außenpolitik zu tun haben. In der Truman-Regierung bekleidete die Rockefeller-Gruppe wichtige Posten und sicherte sich das Amt des Außenministers. Die Ernennung von John Foster Dulles (Direktor und Aufsichtsratsmitglied vieler Industrie- und Finanzgesellschaften, die im Einflussbereich Rockefellers liegen) zum Berater des State Departments war ein beachtlicher Sieg dieser Gruppe. In der Regierung Eisenhower bemächtigte sich die Rockefeller-Gruppe des längst ersehnten Posten des Außenministers. Dieses Amt bekleidet John Foster Dulles. Die Ernennung Dulles' fand auch ihre Auswirkung auf die Zusammensetzung der diplomatischen Vertreter der USA im Ausland. Ein naher Berater von Präsident Eisenhower ist der nicht unbekannte Mc Cloy, der in engen Beziehungen zu Rockefeller steht. Auch den vom innenpolitschen Standpunkt aus äußerst wichtigen Posten des Justizministers bekleidet einer der Drahtzieher Rockefellers, Herbert Brownell.

 

Starke Stellungen im Kabinett Eisenhowers hat die Dupont-Gruppe inne, die sich durch Rüstungslieferungen und Atomwaffenproduktion außerordentlich vergrößert hat. Für den Posten des Verteidigungsministers, der von besonderer Wichtigkeit für die Vergebung von Rüstungsaufträgen ist, wurde Charles E. Wilson, der Präsident der Dupont-Gesellschaft General Motors, vorgesehen. Die Wilson unterstellten Minister für die einzelnen Waffengattungen sind ebenfalls Großmonopolisten. Auf diese Weise bemächtigten sich die Waffengroßfabrikanten, die an den staatlichen Aufträgen und Verträgen verdienen, aller militärischer Ämter und erhielten die uneingeschränkte Möglichkeit, sich durch die Militarisierung der Wirtschaft und des Staatshaushaltes noch weiter zu bereichern. Die Finanzgruppe Dupont belegte außerdem den Posten des Innenministers (Douglas Mc Kay) und des Ministers für Post- und Fernmeldewesen (Arthur E. Summerfield) mit Beschlag. Sie beide sind Großgeschäftsleute, die in engem Kontakt mit General Motors stehen.

 

Es muss gesagt werden, dass auch die Morgan-Gruppe in der Regierung Eisenhower keinen geringen Einfluss besitzt. Ihr Drahtzieher, der Vorsitzende der Federal Reserve Bank in New York und verschiedener anderer Gesellschaften, Robert Stevens, bekleidet den Posten des Armeeministers. Zu den Morgan-Günstlingen gehören auch Harald Stassen, der einer so wichtigen Institution wie dem Amt für Gemeinsame Sicherheit (ehemalige Marshallplanverwaltung) vorsteht, Henry Cabot Lodge, Chefdelegierter der USA bei den UN und der stellvertretende Finanzminister Burgess. Morgan ist außerdem eng mit der Dupont-Gruppe verbunden. Die in der Regierung sitzenden Vertreter von General Motors können in gewissem Sinne auch die Interessen der Morgan-Gruppe wahrnehmen.

 

Auch die Verstärkung der regionalen Finanzgruppen findet in der Regierung Eisenhower ihren Niederschlag. Das Amt des Finansministers bekleidet kein Vertreter der 'alten' Wallstreetfinanzgruppen des Ostens, sondern ein Vertreter des Mittleren Westens, der Geschäftsmann der Cleveland-Gruppe, George Humphrey. Der Posten des Handelsministers wurde an den Bostoner Milliardär und Direktor der First National Bank of Boston, Sinclair Weeks, vergeben. Man kann mit einer gewissen Berechtigung annehmen, dass die Vertreter dieser beiden, den alten Wallstreetgruppen entgegenwirkenden Finanzgruppen gleichzeitig, im ersten Fall durch Unterstützung Rockefellers, im zweiten durch die Morgans, in das Kabinett gelangten. Den größten Erfolg hatte jedoch eine neue regionale Finanzgruppe, und zwar die California-Gruppe Giannini, zu verzeichnen. Die Zeitschrift 'Nation' schrieb, dass der Bedeutung Kaliforniens als Finanzgroßzentrum dadurch Rechnung getragen wird, dass der Posten des Vizepräsidenten im Kabinett Eisenhowers von einem Vertreter der Giannini-Gruppe, Richard Nixon, eingenommen wird. Der Oberste Richter der USA, Warren, und der Führer der Republikanischen Partei im Senat, Knowland, vertreten die Interessen derselben Finanzgruppe.

 

Somit liefert die Zusammensetzung der Regierung Eisenhower (ebenso wie die Trumans) den Beweis für die völlige Unterordnung des Staatsapparates der USA unter die Großmonopole. Die Beherrschung des Staatsapparates steht jedoch im Zeichen eines erbitterten Kampfes zwischen den Monopolen und spiegelt das ständig wechselnde Kräfteverhältnis innerhalb der Finanzoligarchie wider.

 

*

 

Die treibende Kraft bei den Bemühungen der Monopole, sich den Staatsapparat dienstbar zu machen, ist ihr Wunsch nach Sicherung des Maximalprofits. Lenin wies darauf hin: Alle Schritte in der Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus gehen Hand in Hand mit der Verstärkung der Ausbeutung der werktätigen Massen, mit der Verstärkung der Unterdrückung, mit der Erschwerung des Widerstandes gegen die Ausbeuter, mit dem Erstarken der Reaktion und des militärischen Despotismus und führen gleichzeitig zu einem ungeheuren Anwachsen der Profite der Großkapitalisten auf Kosten aller übrigen Bevölkerungsschichten, zur Versklavung der werktätigen Massen auf viele Jahrzehnte durch Tribute an die Kapitalisten in Form von Milliardenzinsen für die Anleihen (vgl. Lenin, 'Das Jahr 1917', Dietz-Verlag, Berlin 1950, S. 105/106).

 

Es ist vollauf verständlich, dass die Monopolisten, die sich den Staatsapparat dienstbar machen, in erster Linie nach jenen Ressorts trachten, die ihnen den größten Nutzen verheißen. Dies trifft vor allem auf die staatlichen Finanzen, das Ministerium für Handel und Industrie und das Verkehrsministerium zu. Der bürgerliche Staat ist ein Apparat zur Steuereinziehung; in seinen Händen konzentrieren sich erhebliche Mittel in Form der Einkünfte des Staatshaushaltes, der staatlichen Industriebetriebe, der Eisenbahnen, Arsenale, Heeresbestände usw. Es entsteht das, was Lenin insgesamt als staatliche Wirtschaft bezeichnete, wobei er die Wichtigkeit der Fragen dieser Wirtschaft unterstrich.

 

In der Epoche des Imperialismus entwickelt sich die staatliche Wirtschaft sehr rasch und erlangt besondere Bedeutung als Quelle der Bereicherung der Monopole. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts behielt der Bundeshaushalt der USA die Höhe von 200 bis 400 Millionen Dollar bei und war meistens ausgeglichen. Die Epoche des Imperialismus löste eine schwindelerregende Zunahme der Budgets aus. Die Einnahmeseite des US-Haushalts betrug im Haushaltsjahr 1918/19 über 5 Milliarden Dollar, auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkrieges, im Jahre 1944/45, etwa 45 Milliarden und im Jahre 1951/52 58,5 Milliarden Dollar. Noch rascher wuchs die Ausgabenseite, wodurch sich ein ungeheures Defizit bildete und die Staatsschulden steil anstiegen.

 

Die Hauptquelle der Staatseinkünfte sind in den kapitalistischen Ländern die Steuern, deren ganze Last auf den Schultern der Werktätigen ruht. Das stürmische Anwachsen der Einnahmeseite des Haushaltsplans bedeutet eine ebenso rasche Zunahme der Steuern. Durch die Steuererhebungen steht dem bürgerlichen Staat in der Epoche des Imperialismus ein sehr großer Teil des Volkseinkommens zur Verfügung. Während sich die Einnahmen des Bundeshaushaltes der USA vor dem Ersten Weltkrieg auf kaum zwei bis drei Prozent des Volkseinkommens der USA beliefen, betrugen sie beipielsweise im Jahre 1951/52 schon über 22 Prozent. Dieser ungeheure Teil des für den Haushalt abgezweigten Volkseinkommens ist eine Futterkrippe für die Großmonopole, die sich des Staatsapparats bemächtigt haben.

 

Während sich die Einnahmen des Staatshaushaltes der kapitalistischen Länder aus den Steuern der Werktätigen zusammensetzen, kommen die Ausgaben zum überwiegenden Teil den Monopolisten zugute. Der Löwenanteil der Ausgaben eines bürgerlichen Staates entfällt auf militärische Aufwendungen. Lenin sagte, dass der imperialistische Staat 'für Armee und sonstiges den fettesten Bissen beansprucht, für 'Kultur' aber nur ein paar Brocken hinauswirft!', ganz zu schweigen von Kriegszeiten, in denen die militärischen Ausgaben 80 bis 90 Prozent alles Haushaltsausgaben betragen; in der Epoche des Imperialismus sind diese Aufwendungen auch in der Zeit zwischen den Kriegen sehr hoch. So gingen die direkten militärischen Ausgaben der USA, wenn sie sich auch im Jahre 1947/48 etwas verringert hatten, nach dem Zweiten Weltkrieg infolge der aggressiven Außenpolitik der amerikanischen Imperialisten, der Vorbereitung eines neuen Weltkrieges sowie des Koreakrieges rasch in die Höhe. Der Entwurf des Haushaltsplans der USA für 1954/55 sieht direkte militärische Ausgaben in Höhe von 44,8 Milliarden Dollar vor - das sind etwa 68 Prozent des gesamten Haushalts. Diese Riesensummen werden natürlich nicht benötigt, um den USA, die von niemanden bedroht werden, 'Sicherheit' zu verschaffen, sondern für die Durchführung einer aggressiven Außenpolitik und die Gewährleistung der Maximalprofite mit Hilfe von Rüstungsaufträgen, Heeresbedarfslieferungen, Bauverträgen, Darlehen und Subventionen für die amerikanischen Monopole. Das gleiche Bild zeigt sich jetzt auch in den anderen kapitalistischen Ländern, die sich der aggressiven Außenpolitik der USA angeschlossen haben.

 

Die direkten militärischen Ausgaben lassen jedoch noch nicht die ganze Höhe der für diese Zwecke aufgewendeten Beträge erkennen. Der Staatshaushalt der kapitalistischen Länder enthält noch weitere Posten, die direkt oder indirekt mit militärischen Ausgaben sowie mit Kriegsvorbereitungen oder Kriegsfolgen in Verbindung stehen. Hierzu gehören beispielsweise in dem derzeitigen Haushalt der USA unter anderem die Aufwendungen für die Atomwaffenproduktion und für die Aufrüstung anderer Länder, darunter der Satelliten des amerikanischen Imperialismus.

 

Einen großen Posten bilden im Haushalt der kapitalistischen Länder die aus den Staatsschulden erwachsen Kosten. Die Staatsschulden Großbritanniens erhöhten sich im Jahre 1952 gegenüber 1913 um das 39fache, die der USA um das 220fache. Allein die Bezahlung der für die Staatsschulden zu entrichtenden Zinsen erfordert gegenwärtig in Großbritannien 570 bis 580 Millionen Pfund Sterling und in den USA 6 bis 6,5 Milliarden Dollar jährlich.

 

Einen beachtlichen Platz nehmen im Ausgabenteil des Haushalts der kapitalistischen Länder die Sonderposten ein, die die direkte Unterstützung und Auffütterung der Monopole bezwecken und der 'Gesundung' bankrotter Firmen, der Preisstützung und 'krisenvorbeugenden Maßnahmen' dienen.

 

In der Nachkriegszeit nahmen in den USA die staatliche Finanzierung des Außenhandels sowie die staatlichen Kapitalinvestitionen in anderen Ländern einen ungeheuren Umfang an. Die Aufwendungen für 'internationale Geschäfte und Finanzierungen' schwanken in der Nachkriegszeit zwischen fünf und acht Milliarden Dollar jährlich und betragen acht bis 16 Prozent aller Haushaltsausgaben. Diese umfangreichen Beträge sind eine wichtige Quelle zur Bereicherung der Monopole. Mit Hilfe des Staatshaushalts wurden im Jahre 1949 45 Prozent des amerikanischen Exports finanziert. Die staatlichen Investitionen, die vor dem Kriege praktisch fehlten, betragen in der Nachkriegszeit 40 Prozent aller Auslandsinvestitionen der USA. Dabei wird, wie Henri Claude richtig bemerkt, dem Staat und dem Staatshaushalt 'die Aufgabe zuteil, Neuland zu schaffen und den Boden zu bearbeiten, damit die Privatmonopole danach zu säen und zu ernten beginnen' (Henri Claude: 'Wer braucht den Krieg?'). Im Zusammenhang mit der Finanzierung des Außenhandels und der Gewährung knechtender Anleihen und Kredite entstanden in den USA viele staatliche Organisationen, in denen die 'Geschäftswelt' zahlreich vertreten ist.

 

Auf diese Weise verwandelt sich der Staatshaushalt in der Epoche des Imperialismus in ein mächtiges Instrument zur Sicherung des Maximalprofits. So wird der Kampf der Monopole untereinander um den Besitz dieses Mittels und sein Einsatz in ihrem Interesse verständlich. Nicht zufällt befinden sich unter den Finanzministern der kapitalistischen Länder meistens Großfinanciers wie etwas Mellon, Snyder oder Humphrey in den USA. Die Staatsfinanzen werden von 'regulierenden' Organisationen aller Art umrankt, die ein Erzeugnis der Monopole sind und ihnen als Mittel dienen, um sich des Haushalts zu bemächtigen.

 

In direktem Zusammenhang mit dem Staatshaushalt stehen die Entwicklung und die Funktion des Staatseigentums, das sich auf zweierlei Weise bildet: entweder durch den Neubau von Industriebetrieben, Gebäuden, Arsenalen, Straßen usw. aus den Haushaltsmitteln oder durch die Umwandlung von Privatbetrieben in Staatseigentum, meist durch großzügigen Kauf auf Kosten des Staates. Der Bau von Betrieben auf Staatskosten wurde besonders während des Krieges praktiziert. Trotz besonderer Steuervergünstigungen, die die Privatinvestitionen förden sollten, überstiegen in den USA während des Zweiten Weltkrieges die staatlichen Investitionen in der verarbeitenden Industrie um das Doppelte die der privaten Investitionen. Die Erklärung für diese Erscheinung liegt in den Bedingungen und Besonderheiten des Baus und der Verwendung von staatlichen Betrieben.

 

Obgleich diese Betriebe aus Staatsmitteln bezahlt wurden, sind sie von den Monopolen im Rahmen für sie äußerst günstiger Verträge errichtet worden. Außerdem wurde der überwiegende Teil der staatlichen Betriebe privaten Firmen, vor allem den Großmonopolen, zu sehr vorteilhaften Bedingungen zur Ausnutzung überlassen. Die auf Staatskosten gebauten Betriebe wurden von den Monopolen zur Ausführung von Rüstungsaufträgen und zur Erzielung riesiger Profite benutzt. Zu guter Letzt sind die meisten dieser staatlichen Betriebe nach dem Kriege für einen Schleuderpreis an die größten Monopole abgegeben worden. Auf diese Weise verdienen die Monopole sowohl am Bau und an der Ausbeutung der Betriebe als auch in der Endphase der Existenz der Staatsbetriebe, indem sie diese als Eigentum zu günstigsten Bedingungen erwerben.

 

Auch in Großbritannien sind Dutzende während des Krieges auf Staatskosten erbauter Industriebetriebe nach Kriegsende für ein Spottgeld den Großmonopolen überlassen worden. Die Labourregierung befasste sich demnach nicht nur mit Experimenten auf dem Gebiet der bürgerlichen Nationalisierung (wovon später die Rede sein wird), sondern ließ gleichzeitig mit freigiebiger Hand viele Dutzende staatlicher Betriebe in privaten Besitz übergehen.

 

Dabei wäre es jedoch falsch anzunehmen, dass nach dem Kriege lediglich der einseitige Prozess der Liquidierung des wähernd des Krieges geschaffenen Staatseigentums stattfindet. Neubauten auf Staatskosten werden in verschiedenen wichtigen Industriezweigen auch in der Nachkriegszeit ausgeführt. In den USA trifft dies beispielsweise auf die Atomindustrie zu, für deren Aufbau bis zum Beginn des Jahres 1954 aus Haushaltsmitteln nicht weniger als 10 Milliarden Dollar investiert wurden. Bereits Anfang 1952 hatte die Atomindustrie, gemessen an den Kapitalinvestitionen für die Produktion, für Gebäude und Ausrüstungen, die United Steel Corporation und General Motors zusammengenommen, überholt. Dieser neue große Industriezweig ist das Lieblingskind des amerikanischen Imperialismus, der den Kampf um die Weltherrschaft aufgenommen hat. Die Entwicklung dieses Industriezweiges, der umfangreiche Investitionen benötigte und mit erheblichem Risiko verbunden ist, wird auf Veranlassung der Finanzoligarchie aus Mitteln des Staatshaushalts bestritten.

 

Praktisch jedoch befindet sich die Atomindustrie in den Händen der Großmonopole der USA. Die Morgan-Gesellschaft General Electric erhielt, nachdem sie Dupont verdrängt hatte, im Jahre 1946 einen Vertrag zur Inbetriebnahme eines Werkes für die Herstellung von Plutonium in Hanford. Den Vertrag zur Aufnahme der Produktion eines anderen Grundstoffes für Atombomben - Uran 235 - in Oakridge holte sich Union Carbide and Carbon Corp., die in engen Beziehungen zu Rockefeller und Mellon steht. Dupont trat im Jahre 1950 erneut auf den Schauplatz und erhielt einen Vertrag für den Bau eines Werkes zur Herstellung einer neuen Vernichtungswaffe, der Wasserstoffbombe, im Staate Süd-Carolina. Das sind die wahren Herren der Atomindustrie, die sie benutzen, um vom Staat großzügig Subventionen zu erhalten und Riesenprofite zu erzielen. Mit zynischer Offenheit gab dies eines der Mitglieder der Atomkommission, Bankier Strauß, zu: 'Dies ist ein Regierungsmonopol in dem Sinne', so sagte er, 'dass der Regierung das Eigentumsrecht an den Rohstoffen sowie das Recht auf Verwendung der Fertigprodukte zusteht. Die gesamte Produktion liegt in den Händen privater Industrieller.'

 

Das staatliche Organ zur Verwaltung der Atomindustrie, die Kommission für Atomenergie, befindet sich völlig in den Händen der Großmonopole. Dies ist nach den Worten Lilienthals 'die neue Struktur der amerikanischen Industrie, die eine Verschmelzung staatlicher und privater Interessen verkörpert'. In Wahrheit jedoch erfolgt eine Verflechtung des Eigentums und des Apparates der Monopole und des Staates auf der Basis der führenden Rolle der Monopole; das bedeutet die Unterordnung der staatlichen Wirtschaft und des Staatsapparates unter die Großmonopole. Das 'Verschmelzen der privaten und staatlichen Interessen' besteht hier darin, dass sämtliche Bau- und Betriebskosten aus dem Staatshaushalt, das heißt, von den Steuerzahlern, bestritten werden, wogegen alle Vorteile den Monopolherren zugute kommen.

 

Die gleiche Rolle spielt auch das Staatseigentum, das durch die bürgerliche Nationalisierung, also durch den Kauf verschiedener Privatbetriebe entsteht. In bestimmten Fällen ist der Kauf von kapitalistischem Eigentum eine Form der finanziellen Unterstützung der am Rande des Bankrotts stehenden Monopolisten. So erwarb die deutsche Regierung während der Wirtschaftskrise der Jahre 1929 bis 1933, um die Bankiers und Geldleute der Trusts und Banken vor dem Ruin zu retten, große Aktienpakete der verschiedensten Trusts und Banken zu einem Preis, der fast dem Nominalwert entsprach, während ihr Preis auf dem Markt um die Hälfte, bisweilen sogar auf ein Drittel des Nominalwertes gesunken war. Aber alle diese Aktien wurden in der Folgezeit den Monopolisten zu den niedrigen Preisen zurückgegeben.

 

Kennzeichnend für die bürgerliche Nationalisierung ist die von der Labourregierung Großbritanniens in der Nachkriegszeit durchgeführte Nationalisierung der Kohle-, Elektoenergie- und Gasindustrie, des Inlandsverkehrswesens (Eisenbahn und Binnenschifffahrt) und der Stahlindustrie. Die genannten Industriezweige waren ein Beispiel für die technische Rückständigkeit. Die Produktionspreise und die Betriebskosten waren äußerst hoch, und die technische Modernisierung dieser Industriezweige erforderte große Mittel. Die Nationalisierung der Industriezweige machte Mittel aus dem Staatshaushalt zu deren Modernisierung erforderlich und sicherte gleichzeitig den ehemaligen Besitzern Einkünfte, die über den bisherigen lagen. Die 'geschädigten' Inhaber der nationalisierten Betriebe erhielten für die abgenutzten und veralteten Ausrüstungen und Gebäude insgesamt eine Entschädigung in Höhe von 2,9 Milliarden Pfund Sterling; ihr jährliches Einkommen in Höhe von 80 Millionen Pfund Sterling (ohne die Stahlindustrie) wurde ihnen garantiert. Der Labourminister für Brennstoff, Shinwell, dachte an diese großzügige Entschädigung, als er bezüglich der Bergwerksbesitzer sagte: 'Die Regierung muss verschiedenen Bergwerksbesitzern ihr Eigentum entziehen, aber sind sie davon etwa nicht begeistert? Die gesamte Kohleindustrie ist schwer krank, und viele werden froh sein, ihre Bergwerke loszuwerden.' Der 'Raub' des Eigentums kann selbstverständlich den Eigentümer nur dann in Entzücken versetzen, wenn er als Ersatz noch größere Eigentumswerte erhält. Selbst einige Sprecher im Parlament sahen sich zu der Erklärung gezwungen, dass die festgesetzte Entschädigung ein viel zu hohes Entgelt für veraltete und unproduktive Betriebe sei, und dass man 'bei unvoreingenommener Prüfung der Fakten und Zahlen über die große Freigiebigkeit der Regierung erstaunt sein muss.'

 

An der Nationalisierung verdienten vor allem die Großmonopole, die sich die verstaatlichten Betriebe aneigneten. Äußerst bemerkenswert ist die Tatsache, dass sämtliche staatlichen Organe zur Verwaltung dieser Betriebe, wie die nationale Kohleverwaltung, die Britische Verkehrskommission, die Britische Elektroenergie-Verwaltung mit ihren Gebietsabteilungen von den Großmonopolen in Besitz genommen wurden und auf diese Weise die Unterordnung des Staatseigentums und des Staatsapparates unter die Monopole vollzogen wurde.

 

Die eigentlichen Herren der staatlichen Betriebe, die Monopolisten, ziehen aus dieser Lage alle nur erdenklichen Vorteile für ihre Firmen. So beziehen in Frankreich die Großfirmen der chemischen und der Hüttenindustrie ihre Elektroenergie aus den staatlichen Kraftwerden zum Preise von 1,08 francs je Kilowattstunde bei Selbstkosten in Höhe von 2,71 francs. Die Differenz wird durch hohe, für den Hausverbrauch und für Kleinbetriebe festgesetzte Strompreise wettgemacht.

 

Die Großmonopole verdienen auch an der Rückgabe der Betriebe in ihre Hände, wie das Beispiel Großbritanniens zeigt. Die Regierung der Konservativen führte bereits in den Jahren 1952/53 der Rückgabe der Stahlindustrie und des Kraftverkehrs durch. Die mangelnde Rentabilität der nationalisierten Industriezweige, die seinerseits den Anlass zu ihrer Enteignung gab, wird jetzt als Argument zugunsten der Rückgabe der Betriebe angeführt. Der im Oktober 1953 stattgefundene Parteitag der Konservativen Partei begrüßte die Rückgabe der Stahlindustrie und des Güterkraftverkehrs und forderte die Regierung auf, 'die Politik der Entnationalisierung fortzusetzen'.

 

Die Nationalisierung hat demnach ihre Rolle ausgespielt; jetzt ist die Reihe an der Entnationalisierung. Die Finanzoligarchie verdient an beiden, weil sie lediglich zwei nicht voneinander zu trennende Seiten desselben Mechanismus sind zur Bereicherung der Monopole auf Kosten des Staatshaushalts. Hier zeigt sich deutlich die Demagogie der rechten Labouristen, die die bürgerliche Nationalisierung als eine sozialistische Maßnahme hinstellten. Derartige demagogische Erklärungen sollten die wachsende Vorherrschaft der Finanzoligarchie und die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus verschleiern.

 

Auf welche Weise die Monopole den von ihnen in Besitz genommenen Staatsapparat nutzbar machen, zeigt anschaulich die berüchtigte staatliche 'Regulierung' der kapitalistischen Wirtschaft, die von bezahlten Agenten der monopolistischen Bourgeoisie als ein Mittel zur planmäßigen Entwicklung der Wirtschaft im Interesse des Volkes hingestellt wird. In Wirklichkeit ist dies jedoch nichts anderes als die Unterordnung der gesamten Wirtschaft des Landes unter eine geringe Anzahl von Monopolen. Der Einfluss, den der bürgerliche Staat auf die Wirtschaft ausübt, kann nur im Rahmen des ökonomischen Grundgesetzes des modernen Kapitalismus, d. h. zum Zwecke der Bereicherung der Monopole wirken. Er hat weder mit einer planmäßigen wirtschaftlichen Entwicklung noch mit den Interessen des Volkes etwas gemein. Die staatliche 'Regulierung' der Wirtschaft im Kapitalismus, die die Steigerung der Profite zum Ziel hat, bedeutet fraglos die zunehmende Ausbeutung und Verarmung der Arbeiterklasse und aller Werktätigen, die Verschärfung der Konkurrenz, den Ruin der mittleren Bourgeoisie und des Kleinbürgertums sowie die Zuspitzung der Widersprüche des Kapitalismus. Die regulierenden Organe des bürgerlichen Staates entstehen als ein Produkt der Monopole und werden nach ihrem Muster und Ebenbild aufgebaut. Sie sind restlos mit Vertretern der Monopole besetzt.

 

Um den Charakter und den Mechanismus der staatlichen Wirtschafts'regulierung' festzustellen, wollen wir kurz bei der Regulierung der staatlichen Aufträge und Preise sowie bei der Regulierung der Arbeitsbedingungen und Löhne verweilen. Die Staatsaufträge für die Privatfirmen sind ein wichtiges Mittel zur Bereicherung der Monopole. Sie umfassen sowohl Rüstungsgüter und Armeeausrüstungen, als auch Rohstoffe, Material und Ausrüstungen für die staatlichen Betriebe und verschiedentlich auch für Privatbetriebe, die Staatsaufträge ausführen. Der Kreis jener Waren, für die staatliche Aufträge erteilt werden, erweitert sich besonders während eines Krieges und in Zeiten der Kriegsvorbereitung, wo der Staat für zahlreiche Industriezweige zum Hauptabsatzmarkt ihrer Produktion wird. So wurden in den USA auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkrieges 50 bis 60 Prozent der gesamten Produktion der verarbeitenden Industrie an militärische Stellen geliefert. In den Zweigen der Schwerindustrie entfielen 80 bis 90 Prozent der Gesamtproduktion auf Lieferungen an den Staat. Diese Zahlen sind ein ausgezeichneter Gradmesser für das Interesse der amerikanischen Monopole an der Vergebung von Staatsaufträgen an die einzelnen Firmen. Selbstverständlich fällt die Mehrzahl der Aufträge den Großmonopolen zu. In dem im Januar 1954 veröffentlichen Bericht des Verteidigungsministeriums der USA heißt es, dass innerhalb von drei Jahren, vom Juli 1950 bis Juli 1953, Rüstungsaufträge im Werte von 98,723 Milliarden Dollar (94,5 Prozent des Gesamtbetrages der direkten militärischen Aufwendungen in dieser Zeit) vergeben wurden. Hundert der größten Monopole erhielten, wie auch während des Zweiten Weltkrieges, den Löwenanteil der Rüstungsaufträge, nämlich 64 Prozent. An erster Stelle steht dabei General Motors, an zweiter Boeing Aircraft und an dritter General Electric.

 

Die Vergebung des größten Teils der Staatsaufträge an die Monopole verschafft ihnen die günstigsten Voraussetzungen zur Bereicherung durch forcierte Ausbeutung der Arbeiterklasse und zusätzliche Ausplünderung der Werktätigen mittels des Steuersystems. Dieses Ziel wird vor allem durch die Preis'regulierung' verfolgt.

 

Die bürgerlichen Ökonomen preisen die staatliche Preis'regulierung' als eine Maßnahme, die der Preisstabilisierung, der Sicherung des Lebensstandards der Werktätigen und der Profitbeschränkung dient. In Wirklichkeit sehen die Dinge anders aus. Die Kardinalfrage, die Preise bei Staatsaufträgen, wird von den für den Abschluss von Verträgen zuständigen und mit Vertretern der Monopole durchsetzten staatlichen Organen entschieden. Diese Preise werden vorwiegend auf dem so genannten direkten Verhandlungswege zwischen den Monopolisten bestimmt, die in den genannten Organen sitzen und denen, die die Aufträge ausführen. Die Besprechungen sind streng geheim. Seymour Harris formulierte aufgrund seiner Arbeitserfahrungen im Amt für Preiskontrolle während des Zweiten Weltkrieges kurz das Grundprinzip für die Festsetzung dieser Preise: 'Lieferungen sind wichtiger als Preise.' 'Die militärischen Vertreter', schrieb Harris ferner, 'sind der Meinung, dass die Produktionskosten keinen entscheidenen Einfluss auf die Festsetzung der Preise haben dürfen.' Das heißt, dass der einzige die Preise 'regulierende' Faktor unter diesen Umständen der Streit der Großmonopole um die Posten in den Regulierungsorganen, um die Vergebung der Aufträge und um die Preise für diese Aufträge ist. Nur so lassen sich die ungeheuren Unterschiede in der Höhe der von den einzelnen Lieferanten erzielten Preise erklären. Durch die Rüstungslieferungen fließen den Großmonopolen sagenhafte Gewinne zu. Seymour Harris musste zugeben, dass die Preis'kontrolle' während des Krieges außer einer enormen Steigerung der Profite keinerlei spürbare Ergebnisse zeitigte. Anders konnte es auch gar nicht anders sein, da die staatliche Preis'regulierung' nur dieses eine Ziel verfolgt.

 

Dies bestätigen auch die Erfahrungen der Nachkriegszeit. Die Preisregulierung, die im Zusammenhang mit der Entwicklung der Rüstungsproduktion und mit den Vorbereitungen auf einen neuen Krieg in den USA wiederum eingeführt wurde, findet ihren Niederschlag in einer fortgesetzten Gewinnsteigerung, die durch das Hochtreiben der Preise für staatliche Aufträge, vor allem für Rüstungsaufträge, erreicht wurde. Darin liegt das Geheimnis der außerordentlichen Profite der amerikanischen Monopole in der Nachkriegszeit.

 

Während die staatliche Wirtschafts'regulierung' für die Monopole ein Mittel zur Sicherung des Maximalprofits ist, bringt sie den Arbeitern verschärfte Ausbeutung und Elend. Diesem Ziel dient die so genannte staatliche 'Regulierung' der Arbeitsverhältnisse und Löhne. Sie äußert sich in Polizeiterror und Zwangsarbeit in den Betrieben, im Streikverbot, in der Verfolgung der Arbeiterorganisationen und in der Beseitigung elementarer demokratischer Freiheiten und Einrichtungen, in der Verlängerung des Arbeitstages, in der Intensivierung der Arbeit und in der 'Stabilisierung' der Löhne.

 

Im Mittelpunkt der staatlichen Arbeitsregulierung im Kapitalismus steht die 'Regulierung' der Löhne, die, ganz gleich unter welchen Umständen, stets eine Lohnverminderung bezweckt. Spezifische Mittel hierfür sind die Steuern und das 'Einfrieren' des Nominallohns bei Zunahme der Teuerung. Um die Arbeiterklasse zu betrügen, werden gefälschte Indizes der Lebenshaltungskosten verwendet. Die Einkommenssteuer der Arbeiter ist ein direkter Abzug vom Arbeitslohn, also vom notwendigen Einkommen und stellt eine besondere Methode der zusätzlichen Ausbeutung der Arbeiterklasse dar. In der Epoche des Imperialismus wird eine ständige Zunahme der Steuereingänge im Haushalt erstens durch die Erhebung neuer direkter und indirekter Steuern, zweitens durch Herabsetzung des nicht mit den direkten Steuern belegten Mindesteinkommen und drittens durch Erhöhung der Steuersätze erreicht.

 

Die Nachkriegszeit brachte der Arbeiterklasse der kapitalistischen Länder keine Erleichterung der Steuerlasten. Die Steuern verschlingen gegenwärtig einen großen Teil des Einkommens der werktätigen Klassen. Aufschlussreich sind die von der britischen Zeitschrift 'Economist' im März 1952 angestellten Berechnungen. Ein qualifizierter amerikanischer Arbeiter mit einer dreiköpfigen Familie, der 3.500 Dollar jährlich erhält, hatte im Jahre 1952 299 Dollar direkte und 798 Dollar indirekte Steuern (einschließlich Sozialversicherungsbeiträge) zu entrichten. 'Folglich', schreibt die Zeitschrift, 'werden jetzt 32 Cents eines jeden von einem Durchschnittsamerikaner verdienten Dollars gegenüber 25 Cents im Jahre 1949 durch Steuern verschlungen.'

 

Diese Berechnung einer bürgerlichen Zeitschrift, die keineswegs der Übertreibung verdächtig ist, zeigt, welchen Grad die Ausbeutung der Werktätigen durch das Steuersystem erreicht. Noch höher liegen die entsprechenden Kennziffern in Großbritannien. Nach einer für das Jahr 1950 erfolgten Berechnung betrugen die von den britischen Arbeitern und Angestellten zu entrichtenden direkten und indirekten Steuern durchschnittlich 37 Prozent der gesamten Lohnsumme. Demnach verschlingen jetzt die Steuern in den wichtigsten kapitalistischen Ländern bereits über ein Drittel der Löhne. Die staatliche Lohnregulierung mit Hilfe von Steuern bedeutet im Grunde genommen die mit Unterstützung des bürgerlichen Staatsapparates erfolgte Beschlagnahme eines erheblichen Teils des Einkommens der Arbeiter und Angestellten.

 

Ein anderes beliebtes Mittel der staatlichen Lohnregulierung ist das 'Einfrieren' der Löhne bei zunehmender Teuerung. Zweck dieser Maßnahme ist die Stabilisierung des Nominallohns bei fortschreitender Teuerung, d. h. die Senkung des Reallohns. Unter dem Druck von Arbeiterstreiks, selbst während des Krieges, waren die Monopole zu Zugeständnissen gezwungen und mussten einer Erhöhung des Nominallohns zustimmen, die jedoch weit hinter der Zunahme der Lebenshaltungskosten zurückblieb. Die 'Regulierung' stellt Sätze für einen gefälschten Index der Lebenshaltungskosten fest und hält den Nominallohn, wenn auch nicht in einem stabilen Zustand, so doch jedenfalls in einem äußerst respektablen Abstand von der tatsächlichen Zunahme der Teuerung und der Lebenshaltungskosten. Dieses von dem englischen bürgerlichen Ökonomen Keynes für die staatliche Lohn'regulierung' ausgestellte Rezept befolgt man eifrig in den kapitalistischen Ländern sowohl in Kriegs- als auch in Nachkriegszeiten.

 

Ein Beispiel dafür bietet die Lohnregelung in den USA und Großbritannien. Gestützt auf die Angaben über den Nominallohn, weisen die bürgerlichen Ökonomen immer wieder auf den wachsenden Lebensstandard der Arbeiterklasse und die umfangreichen Ersparnisse hin, die die Arbeiter und Angestellten angeblich angesammelt haben. Es ist aber wohlbekannt, dass die Bewegung der Nominallöhne und die zunehmende Teuerung derartige Schlussfolgerungen nicht zulassen. Der amtliche Index der Lebenshaltungskosten des Büros für Arbeitsstatistik soll das tatsächliche Fortschreiten der Teuerung auf jede Weise vertuschen. Diesen falschen Index nehmen die 'regulierenden' Organ als Ausgangsbasis. Jegliche Forderung der Arbeiter nach Lohnerhöhungen stößt auf den Widerstand nicht nur der Unternehmer, sondern auch der staatlichen 'regulierenden' Organe. Unter Hinweis auf diesen falschen Index beschneiden sie alle Forderungen der Arbeiter. Die Festsetzung des Index der Lebenshaltungskosten wurde zum Anlass eines erbitterten Kampfes zwischen den Arbeitern einerseits und den Unternehmern und der Regierung andererseits.

 

Die Vereinigte Gewerkschaft der Elektriker der USA übermittelte dem Büro für Arbeitsstatistik eine ausführliche und begründete Kritik an diesem Index und deckte die Machenschaften seiner Verfasser auf, die die Löhne der Arbeiter zugunsten der Monopole zu schmälern versuchen. Die Reduzierung dieses Index um nur einen Punkt bedeutet die Steigerung der monopolistischen Profite um eine Milliarde Dollar durch die entsprechende Senkung des Reallohns der Arbeiter. Die Forschungsabteilung der Elektrikergewerkschaft arbeitete nach Beseitigung der gröbsten Mängel des amtlichen Index der Lebenshaltungskosten einen eigenen Index aus, der, wenn auch nicht frei von Fehlern, so doch dem wirklichen Bild der wachsenden Teuerung weit eher entspricht. Der durchschnittliche Jahreslohn der Arbeiter und Angestellten der USA lag diesem Index zufolge (das heißt unter Berücksichtigung der zunehmenden Teuerung und der Steuern) im Jahre 1952 um etwa 15 bis 16 Prozent unter dem Stand des Jahres 1939. Der Index der Elektrikergewerkschaft enthüllt den Prozess der ständigen Abnahme des Reallohns der Arbeiter und Angestellten in den USA sowohl während des Krieges als auch in der Nachkriegszeit (wenn vielleicht auch kein genaues Bild dieser Abnahme vermittelt wird). Die Tatsache, dass die Reallöhne in der Nachkriegszeit in den USA sinken, wird durch die amtlichen Angaben über den Verbrauch der wichtigsten Nahrungsmittel erhärtet. Im Jahre 1951 betrug der Verbrauch je Kopf der Bevölkerung in den USA in Prozenten zum Jahr 1946: bei Fleisch 91,9, bei Milch 93,3, Frischgemüse 92,9, Kartoffeln 81,8, Frischobst 85,2, Weizenmehl 85,2, Maismehl 84,9 und bei Kaffee 83,4. Nach Angaben des Landwirtschaftsministerium der USA verringerte sich im Jahre 1952 gegenüber 1946 der Lebensmittelverbrauch je Person um 17 Prozent. Es versteht sich von selbst, dass der Verbrauch der Arbeiter noch unter diesen Durchschnittsziffern lag. Die gleichen Vorgänge spielen sich in Großbritannien ab, wo der Reallohn im Jahre 1952 gegenüber der Vorkriegszeit um 20 Prozent zurückging. Die Zeitschrift 'Economist' veröffentlichte in ihrer vorjährigen Mainummer eine Tabelle über den Verbrauch einiger Nahrungsmittel in Großbritannien je Kopf der Bevölkerung, die eine außerordentlich starke Abnahme des Konsums der wichtigsten Lebensmittel im Jahre 1951 sowohl gegenüber dem Jahre 1900 als auch gegenüber der Vorkriegszeit aufweist. Die Verschlechterung des Lebensstandards des überwiegenden Teils der Bevölkerung Großbritanniens ist somit klar erwiesen.

 

Dies sind die Folgen, die sich aus der Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus für die Monopole und für die Arbeiterklasse ergeben. Die Tatsachen der jüngsten Zeit bestätigen voll und ganz die richtige Kennzeichnung dieser Erscheinung, die Lenin aus den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs heraus in den Worten zusammenfasste: Ein Zuchthaus für die Arbeiter, ein Paradies für die Kapitalisten. Die Entlarvung des wahren Charakters des staatsmonopolistischen Kapitalismus und seine Brandmarkung als Werkzeug zur Bereicherung der Monopole und Ausplünderung der Werktätigen mit Hilfe des bürgerlichen Staatsapparates sind jetzt zu einer Aufgabe von besonderer Aktualität geworden.

 

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Aus der wissenschaftlichen Analyse des Wesens des staatsmonopolistischen Kapitalismus heraus definierte Lenin seine Bedeutung für den Übergang zum Sozialismus und für den Kampf der Arbeiterklasse.

 

Die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus steht ständig in engstem Zusammenhang mit dem Wachstum der Reaktion, der zunehmenden Ausbeutung der Werktätigen, der Unterdrückung der demokratischen Freiheiten und einer aggressiven Außenpolitik. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutschland, das Land mit einem hochentwickelten staatsmonopolistischen Kapitalismus, zum Herd der schwärzesten Reaktion, des Faschismus. Ebenso wurde Amerika, das in der Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus voraus ist, nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Land der reaktionärsten und aggressivsten Innen- und Außenpolitik. Lenin hat darauf hingewiesen, dass die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus, die besonders deutlich in der wachsenden Vorherrschaft der Monopole zutage tritt, den Klassenkampf des Proletariats erschwert.

 

Gleichzeitig kann die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus entgegen den Behauptungen der Lakaien der Bourgeoisie die Widersprüche des Kapitalismus nicht beseitigen oder etwa abmildern, sondern führt zu ihrer weiteren Verschärfung. Der staatsmonopolistische Kapitalismus erzeugt eine hohe Konzentration und Monopolisierung, das heißt einen hohen Grad der Vergesellschaftung der Produktion, die im Kapitalismus möglich ist, wenn die Großmonopole ganze Industriezweige in ihren Händen vereinigt haben. Lenin weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass 'der staatsmonopolistische Kapitalismus die vollständigste materielle Vorbereitung des Sozialismus, seine Vorstufe, jene Stufe der historischen Leiter ist, deren nächste Stufe - eine Zwischenstufe gibt es nicht - Sozialismus genannt wird'. (W. I. Lenin, Ausgew. Werke in 2 Bdn., Bd. 2, Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 125).

 

Welche Bedeutung dies für die sozialistische Revolution hat, erklärte Lenin am Beispiel der russischen Großkonzerne in der Kohle-, Erdöl- und Zuckerindustrie sowie in anderen Industriezweigen, wo die Produktion in gesamtstaatlichem Umfang vergesellschaftet war. Dieser hohe Grad der Vergesellschaftung erleichterte sowohl die Durchführung der Nationalisierung nach der Machtübernahme durch die Arbeiterklasse als auch die Organisierung der sozialistischen Produktion.

 

Je höher jedoch unter dem Zeichen einer hemmungslosen Ausbeutung der Werktätigen der Vergesellschaftsgrad der Produktion im Imperialismus ist, um so schärfer äußert sich der Grundwiderspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privatkapitalistischen Aneignung. Der staatsmonopolistische Kapitalismus, die im Kapitalismus mögliche höchste Stufe der Vergesellschaftung der Produktion, ist gleichzeitig die höchste Zuspitzung des Grundwiderspruchs des Kapitalismus und folglich aller kapitalistischen Widersprüche.

 

Dies äußerst sich in den verschärften Widersprüchen zwischen Arbeit und Kapital. Während des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit haben die Streikkämpfe in den USA und Großbritannien ein beispielloses Ausmaß angenommen. So betrug in den USA in der Nachkriegszeit die durchschnittliche Zahl der Streiks jährlich über 4.000 gegenüber 2.700 in den Vorkriegsjahren. Grandiose und lang andauernde Streiks, wie etwa der zweimonatige Streik der 650.000 Arbeiter der Stahlindustrie im Jahre 1952, waren keine Seltenheit. Die Streikbewegung in der Nachkriegszeit ist durch das große Ausmaß der Kämpfe sowie durch die Festigkeit und Ausdauer der Streikenden gekennzeichnet. Unter den Bedingungen der staatlichen Regulierung der Wirtschaft bringt jede Aktion der Arbeiter zum Schutz ihrer Rechte sie in Widerspruch zu der gesamten, im bürgerlichen Staat verkörperten Klasse der Kapitalisten, was ihrem Kampf politischen Charakter verleiht. Daneben haben die Vorherrschaft der Finanzoligarchie und die von ihr betriebene Ausplünderung breitester Massen zur Folge, dass sich die Massen um die Arbeiterklasse als der berufenen Führerin im Kampf gegen das Monopolkapital zusammenschließen.

 

Die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus führt zur verstärkten Ausbeutung der Völker in den Kolonien und abhängigen Ländern sowie zum Angriff der Finanzoligarchie der imperialistischen Mächte auf die Unabhängigkeit anderer, selbstständiger Staaten. Die Großmonopole der stärksten imperialistischen Macht, der USA, versuchen gegenwärtig, den Staatsapparat nicht nur der wirtschaftlich rückständigen Kolonialländer, sondern auch der alten, wirtschaftlich entwickelten kapitalistischen Länder Europas in Besitz zu nehmen, um die werktätigen Massen mit Hilfe des Staatsapparates ausbeuten zu können. Dies gibt der nationalen Befreiungsbewegung der Völker Auftrieb, verstärkt ihre Empörung über das imperialistische Joch und schmiedet sie zu einer einheitlichen Kampffront gegen den Imperialismus, für die nationale Freiheit und Unabhängigkeit zusammen.

 

Wie die Erfahrungen der Geschichte zeigen, ist die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus untrennbar verbunden mit der Verschärfung der Gegensätze zwischen den Imperialisten, mit dem drohenden Nahen neuer Kriege verbunden. Es ist kein Zufall, dass gerade der nach der Weltherrschaft strebende amerikanische Imperialismus, der gegenwärtig als Brandstifter eines neuen Krieges auftritt, eine Kriegshysterie entfacht und das Haupthindernis bei der Milderung der internationalen Spannungen bildet. Das Säbelrasseln und die von den amerikanischen Monopolen entfesselte Kriegshysterie empören alle friedliebenden Völker und veranlassen sie, sich in einer mächtigen Bewegung gegen den Krieg und für einen dauerhaften Frieden zusammenzuschließen.

 

Auf diese Weise verschärft die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus, der die vollkommenste materielle Vorbereitung zum Sozialismus bedeutet, gleichzeitig unweigerlich alle kapitalistischen Widersprüche, spornt die Massen an und vereinigt sie im Kampf gegen Imperialismus und Reaktion, für Frieden, Demokratie und Sozialismus."