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W. B. Bland

 

"Fundamentalismus und politische Reaktion"

(Aus: COMpass, Januar 1994)

 

 

 

 

Auf einem Treffen, das am 16. Januar 1994 in London stattfand und von der Gruppe 'Kampagne zur Verteidigung von Taslima Nasreen' organisiert wurde, gab Bill Bland von der Communist League folgende Erklärung ab:

 

 

"Die meisten Religionen besitzen ihre heiligen Bücher, von denen ihre Anhänger annehmen, dass sie von göttlichem Geist inspiriert waren.

 

Aber diese Bücher wurden vor langer Zeit geschrieben und obwohl es sein kann, dass sie das höchste Wissen, das zu jener Zeit verfügbar war, verkörpern, hat seitdem die Wissenschaft große Fortschritte gemacht, was unser Verständnis des Universums angeht.

 

Die Anhänger von Religionen reagieren auf verschiedene Weise auf diese Fortschritte unseres Verständnisses: Einige werden vielleicht Atheisten, weil sie zu dem Ergebnis gekommen sind, dass alle Religion nichts als haltloser Aberglaube ist, der den Herrschenden als Opium dient, um die Masse der Bevölkerung dazu zu verführen, unannehmbare Lebensbedingungen auf das Versprechen irgendeines besseren rein hypothetischen künftigen Lebens hin zu akzeptieren.

 

Andere werden vielleicht 'Modernisierer', die sich an das Fundament ihres alten Glaubens klammern, die jedoch behaupten, dass die heiligen Bücher, auf denen ihr Glaube beruht, nicht wörtlich zu verstehen sind, sondern im eher übertragenen Sinne – in einem Sinne, der sie mit den unwiderlegbaren Erkenntnissen der modernen Wissenschaft in Einklang bringt.

 

Wieder andere werden vielleicht zu 'Fundamentalisten'; sie weisen die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft zurück, bezeichnen sie als falsch und behaupten, dass die heiligen Schriften wörtlich zu nehmen und dass jene, die dies abstreiten,' Abgesandte des Teufels' sind.

 

Der Fundamentalismus lehnt Wissenschaft und Rationalität ab und steht für Obskurantismus (Hass gegen alles Aufklärerische - Übers.) und Irrationalität. Es sind jedoch eben diese Eigenschaften - Obskurantismus und Irrationalität - welche benötigt werden, um eine reaktionäre Sozialpolitik akzeptabel zu machen, die objektiv gegen die Interessen der Masse der Bevölkerung gerichtet ist. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass reaktionäre Politiker darum bemüht sind, vom Fundamentalismus Gebrauch zu machen, um Unterstützung für ihre Ziele zu erlangen.

 

Heute sind nachdenkliche Menschen in der ganzen Welt so sehr entrüstet über die Auswüchse des islamischen Fundamentalismus, der, wie es scheint, sich bewusst ist, dass er so bar jeder überzeugender Ideen ist, dass er versuchen muss, sich an den individuellen Terror zu klammern oder an die Drohung damit, gegen jeden, der selbstständig zu denken in der Lage ist.

 

Das heißt nun nicht, dass der Islam selbst reaktionärer als andere Religionen ist. Die Volks-Mujaheddin des Iran, die in der Iranischen Demokratischen Revolution von 1979 eine führende Rolle spielten, die die korrupte Diktatur des Schah stürzte, setzte sich hauptsächlich aus Moslems zusammen. Es waren jedoch reaktionäre, fundamentalistische Mullahs, die die Führung der Revolution an sich rissen und denen es gelang, die Bewegung für ihre reaktionären, antidemokratischen Ziele zu missbrauchen, um einen 'islamischen Staat' zu schaffen, der aggressiv den Nachbarn gegenüber auftrat und der die Mojaheddin gewaltsam unterdrückte.

 

Es muss auch daran erinnert werden, dass der Fundamentalismus sich nicht auf den Islam beschränkt. Er spielt auch in anderen Religionen, wie z. B. in der christlichen, eine ähnlich reaktionäre Rolle.

 

Es war 'Opus Dei', der am meisten fundamentalistische Flügel der Katholischen Kirche, der dem Faschismus Mussolinis und Francos wichtige Hilfestellung zukommen ließ. Dagegen haben modernistische Katholiken, besonders in Lateinamerika, eine 'Befreiungstheologie' entwickelt, die sie veranlasst hat, sich auf die Seite der Armen und gegen ihre Unterdrücker zu stellen.

 

Andererseits war es die fundamentalistische 'Vereinigungskirche' der Moonsekte, die für Richard Nixon - den 'von Gott ernannten Präsidenten' - noch in der Zeit seiner zunehmenden Entlarvung als Gauner die Werbetrommel rührte. Und in den USA ist die Brigham-Young-Universität von Salt-Lake-City, die von den fundamentalistischen Mormonen geleitet wird, seit langem die bevorzugte Karriereschmiede für CIA und FBI.

 

Und als in Südafrika 1986 - allerdings unter dem Druck der inländischen und ausländischen öffentlichen Meinung - die 'Dutch Reformed Church' schließlich die Apartheid verurteilte, war es ihr fundamentalistischer Flügel, der sich daraufhin abspaltete und die 'Afrikaans Reformed Church' gründete, die auch danach noch die Apartheid unterstützte, denn sie sei 'Gottes Wort'.

 

Die Verteidigung solcher großartiger Künstler wie Taslima Nasreen und Salman Rushdie gegen die fundamentalistische Verfolgung ist nicht nur etwas, das Moslems oder Menschen asiatischer Herkunft angeht. Es geht uns alle etwas an. Ihre Verteidigung gegen Verfolgung und Terrorismus durch fundamentalistische Kräfte ist Teil des Kampfes der Menschheit, um aus dem Dunkel heraus und in das Licht von Aufklärung und soziale Gerechtigkeit einzutreten."