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W. B. Bland:
Britischer Neoimperialismus
Kapitalexport In seiner klassischen Analyse, 'Der Imperialismus - das höchste Stadium des Kapitalismus', bezeichnet Lenin den Kapitalexport als das wichtigste Kennzeichen des Imperialismus: "Unter dem alten Kapitalismus, als der freie Wettbewerb noch vorherrschte, war der Export von Waren das wichtigste Kennzeichen. Unter dem neuen Kapitalismus der Vorherrschaft der Monopole ist der Kapitalexport zum typischen Merkmal geworden." (Wladimir I. Lenin: 'Der Imperialismus - das höchste Stadium des Kapitalismus', in: 'Ausgewählte Werke', Band 5, London 1935, S. 56). Unter 'exportiertem Kapital' versteht Lenin in erster Linie das " ... im Ausland investierte Kapital." (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 57). Mit 'Ausland' sind in erster Linie Länder unterentwickelte Länder gemeint, in denen höhere Gewinne erzielbar sind: "... Überschusskapital ... wird für den Zweck der Steigerung ... der Profite durch den Export von Kapital ins Ausland, in rückständige Länder, benutzt. In diesen rückständigen Ländern sind die Profite im Allgemeinen hoch." (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 57). Lenin bezeichnet Gewinne aus solchen Auslandsinvestitionen als Superprofite: "Der Kapitalexport bringt ... enorme Superprofite. ... Sie liegen weit über den Profiten, die Kapitalisten aus den Arbeitern ihrer 'Heimat'-Länder herauspressen." (Wladimir I. Lenin: Vorwort zu den französischen und deutschen Ausgaben: Ebenda, S. 12). Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war es hauptsächlich Großbritannien, das das meiste Kapital für den Export zur Verfügung hatte. Um mit dem britischen Ökonomen Charles Hobson zu sprechen, den Lenin häufig zitiert, war "... Großbritannien im Vergleich zu Westeuropa und den Oststaaten der Amerikanischen Union, was die industrielle Entwicklung anging, eine ganze Generation voraus und besaß weit größere produktive Ressourcen und Kapital für Investitionen." (Charles K. Hobson: 'Der Kapitalexport', London 1914, S. 96). Hobson liefert folgende Angaben für den Kapitalexport von Großbritannien im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts (in Millionen Pfund Sterling): 1870 1890 1912 31,7 82,6 226,0 (Charles K. Hobson: Ebenda, S. 223).
1982 1986 1996 11,6 33,9 89,3 ('Statistischer Jahresüberblick 1994', London 1994, S. 234; 'Statistischer Jahresüberblick 1998', London 1998, S. 275).
Zu dieser Zeit war so viel britisches Kapital im Ausland investiert worden, dass das Einkommen aus diesen Investitionen den Wert des neuen exportierten Kapitals überstieg (in tausend Millionen Pfund Sterling): 1982 1986 1996 44,4 47,3 96,1 ('Zahlungsbilanz des Vereinigten Königreichs, 1993', London 1993, S. 42; 'Zahlungsbilanz des Vereinigten Königreichs, 1997', London 1997, S. 43). Mit anderen Worten: Der Kapitalexport wurde vom Kapitalimport überholt: "Kapital fließt aus der Dritten Welt ab, um hauptsächlich die Schulden zu bedienen - auf immer höherem Niveau." (Teresa Hayter: 'Ausgebeutete Erde - Großbritanniens Hilfe und die Umwelt', hier- nach zitiert als 'Teresa Hayter, 1989', London 1989, S. 10). Internationale Konzerne Ein Einflussgebiet ist eine Region, " ... innerhalb derer eine bestimmte Nation beansprucht (oder beanspruchen darf), ein besonderes Interesse für einen politischen oder ökonomischen Zweck zu verfolgen." ('Oxford English Dictionary', Band 16, Oxford 1989, S. 206). Im gleichen Maße wie Kapitalisten versuchen, Konzerne (Unternehmenszusammenschlüsse - Übers.) innerhalb eines Landes zu bilden, um den Wettbewerb zu begrenzen und so ihre Gewinne zu erhöhen, so versuchen sie aus den gleichen Gründen, wo dies angebracht erscheint, internationale Konzerne zu bilden: "Monopolistische kapitalistische Konzerne - Kartelle, Trusts, Syndikate - teilen zunächst den gesamten inneren Markt eines Landes unter sich auf und sichern sich mehr oder weniger vollständig die Kontrolle über die Industrie jenes Landes. Unter dem Kapitalismus jedoch ist der Inlandsmarkt zwangsläufig mit dem Auslandsmarkt verbunden. Der Kapitalismus hat schon vor langer Zeit einen Weltmarkt hervorgebracht. In dem Maße wie der Kapitalexport zunahm und wie ... die 'Einflussgebiete' von großen monopolistischen Konzernen wuchsen, entwickelten sich die Dinge 'natürlicherweise' in Richtung einer internationalen Vereinbarung zwischen diesen Konzernen und in Richtung der Bildung internationaler Kartelle." (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 60). Daraus entwickelte sich in wirtschaftlicher Hinsicht ein " ... imperialistischer Kampf zwischen den großen Monopolen um die Aufteilung der Welt." (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 66). Internationale Kartelle " ... zeigen, bis an welchen Punkt sich kapitalistische Monopole entwickelt haben. ... Zwischen kapitalistischen Allianzen haben sich auf der Grundlage der Aufteilung der Welt bestimmte Beziehungen herausgebildet." (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 67f). Und: In der ersten Häflte des 20. Jahrhunderts hat sich dieser Prozess fortgesetzt: Zum Beispiel wurde der Internationale Rat der Zinnproduzenten gebildet: " ... 1931 wurde der Internationale Zinn-Rat durch Malaya, Nigeria, den Niederlanden, Ostindien und Bolivien geschaffen, als die Überproduktion und die Große Depression zu einem Zusammenbruch der Zinnpreise führte. Produktionskürzungen führten zu höheren Preisen." (Büro für Lateinamerika: 'Der große Zinn-Krach. Bolivien und der internationale Zinn-Markt', London 1987, S. 46). Solche internationalen Kartelle teilen die Welt wirtschaftlich auf der Grundlage der ökonomischen Stärke der Teilnehmer unter sich auf: "Die Kapitalisten teilen die Welt ... in Abhängigkeit vom Kapital, im Verhältnis zu ihrer 'Stärke' untereinander auf, weil es im ... Kapitalismus kein anderes System der Aufteilung geben kann." (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 68). Eine solche Aufteilung der Welt kann jedoch immer nur vorläufiger Natur sein, weil es im Kapitalismus eine "... extreme Ungleichmäßigkeit im Entwicklungstempo in den einzelnen Ländern gibt." (Ebenda, S. 88). Diese Ungleichmäßigkeit verstärkt sich noch im Monopolkapitalismus: "Das Finanzkapital und die Trusts sorgen dafür, dass die Unterschiede im Entwicklungstempo in den einzelnen Teilen der Weltwirtschaft noch zunehmen statt abzunehmen." (Ebenda, S. 89). Diese Ungleichmäßigkeit des Entwicklungstempos nimmt bis heute noch weiter zu, wie aus den folgenden Zahlen zur Veränderung der Industrieproduktion in verschiedenen Ländern in der Zeit von 1980 bis 1994 belegen: Land Entwicklungsrate in % Philippinen + 517 Südkorea + 306 Malaysia + 249 Bangladesch + 167 Singapur + 162 Irland + 146 Pakistan + 145 Indien + 140 Türkei + 131 Syrien + 125 Jordanien + 104 Sri Lanka + 100 (d.h. 1994 doppelt so hoch wie 1980) Norwegen + 90 Israel + 75 Chile + 73 Ekuador + 72 Trinidad & Tobago + 62 Fidschi + 60 Honduras + 57 Zypern + 56 Portugal + 53 Kolumbien + 51 Marokko + 50 Nigeria + 50 Dänemark + 48 Algerien + 46 Australien + 46 Luxemburg + 46 Finnland + 43 USA + 40 Ägypten + 40 Japan + 36 Österreich + 36 Kanada + 35 Mexiko + 35 Schweiz + 31 Simbabwe + 29 Neuseeland + 28 Schweden + 27 Großbritannien + 27 El Salvador + 26 Malawi + 23 Tunesien + 22 Niederlande + 19 Spanien + 18 Italien + 16 Belgien + 15 Frankreich + 15 Elfenbeinküste + 10 Brasilien + 9 Bolivien + 8 Südafrika + 7 Griechenland + 6 Senegal + 5 Barbados + 4 Peru + 4 Indonesien - 2 Deutschland - 6 Polen - 8 Uruguay - 14 Ungarn - 16 Paraguay - 20 Bulgarien - 22 Sambia - 22 Rumänien - 59 ('Statistisches Jahrbuch der Vereinten Nationen, 1994', New York 1996, SS. 204- 241). Wegen der ungleichmäßigen Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaften können internationale Kartellvereinbarungen nur zeitweiligen Charakter haben. Nach einer gewissen Zeit wird eine solche Vereinbarung für bestimmte Teilnehmer unakzeptabel und diese machen sich dafür stark, dass sie durch eine neue ersetzt wird, die genauer die veränderte wirtschaftliche Situation widerspiegelt. Oft kann ein solches neues Abkommen nur durch Krieg erlangt werden. Es gibt mit anderen Worten einen "... Übergang von einer friedlichen Aufteilung zu einer gewaltsamen. ... Wenn sich das Kräfteverhältnis geändert hat, wie kann dann die Lösung der Widersprüche im Kapitalismus gefunden werden, außer durch Hinwendung zur Gewalt?" (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 88f). Die Frage der Unvermeidbarkeit von Kriegen im Imperialismus Lenin folgerte aus seiner Analyse des Imperialismus, dass unter ihm Kriege für die Neuaufteilung der Welt unvermeidbar seien: "Wir fragen, gibt es im Kapitalismus irgendein Mittel, um die Ungleichmäßigkeit in der Entwicklung der Produktivkräfte und der Anhäufung von Kapital auf der einen Seite und der Aufteilung in ... 'Einflussgebiete' durch das Finanzkapital auf der anderen anders als durch Krieg zu beheben?" (Ebenda, S. 90). Lenins Ansicht, dass der Krieg im Imperialismus unvermeidbar ist, wurde im November 1939 von dem Generalsekretär der Kommunistischen Internationale Georgi Dimitroff akzeptiert: "Kriege sind die unvermeidliche Begleiterscheinung des Imperialismus." (Georgi Dimitroff: 'Die Aufgaben der Arbeiterklasse im Krieg', in: Jane Degras, Hrsg.: 'Die Kommunistische Internationale, 1919-1943: Dokumente', Band 3, London 1965, S. 449). Im April 1948 jedoch behauptete Dimitroff, dass im Ergebnis 'neuer internationaler Bedingungen' " ... ein neuer Weltkrieg heute weder unvermeidbar ist noch nahe bevorsteht." (Georgi Dimitroff: 'Ein neuer Weltkrieg ist heute weder unvermeidbar noch steht er bevor', in: 'Ausgewählte Werke', Band 3, Sofia 1972, S. 227). Im Februar 1952 wies Stalin Dimitroffs revisionistische Auffassung zum Krieg im Imperialismus in seiner klassischen Studie 'Ökonomische Probleme des Sozialimus in der UdSSR' zurück: "Einige Genossen sind der Meinung, dass, aufgrund der Entstehung neuer internationaler Verhältnisse seit dem Zweiten Weltkrieg, Kriege zwischen kapitalistischen Ländern aufgehört haben unvermeidbar zu sein. ... Diese Genossen irren. ... Um die Unvermeidbarkeit von Kriegen aufzuheben, ist es notwendig, den Imperialismus abzuschaffen." (Josef W. Stalin: 'Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR', in: 'Werke', Band 16, London 1986, SS. 326, 332). Nach Stalins Tod wurde Dimitroffs These, dass Kriege im Imperialismus nicht mehr unvermeidbar seien, von Nikita Chruschtschow in seinem Bericht an den 20. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 wieder zum Leben erweckt: "Heute ... hat sich die Lage grundlegend verändert. Krieg ist nicht fatalistisch unvermeidbar." (Nikita Chruschtschow: Bericht des Zentralkomitees an den 20. Parteitag der KPdSU, in: 'Keesings Archive der Zeitgeschichte', Band 10, S. 14.746). Kolonialismus Eine Kolonie ist ein " ... abhängiges Gebiet, das von der Besiedlung eines herrschenden Staates besetzt gehalten wird." ('Collins English Dictionary', Glasgow 1995, S. 311). Der Begriff 'Semikolonie' taucht in dem zwanzigbändigen 'Oxford English Dictionary' nicht auf, aber die Vorsilbe 'semi' wird mit " ... teilweise" ('Oxford English Dictionary', Band 14, Oxford 1987, S. 944). umschrieben, was zu der Ansicht führt, dass eine Semikolonie ein Land ist, das teilweise als Kolonie anzusehen wäre. Lenin jedoch umschreibt 'Semikolonien' genauer als Länder, die zwar " ... offiziell politisch unabhängig sind, sich jedoch tatsächlich im Netz finanzieller und diplomatischer Abhängigkeiten befinden." (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 78). Lenin beharrte darauf, dass ein semikolonialer Status für die herrschende Macht nicht so vorteilhaft sei wie ein vollständig kolonialer Status: "Natürlich ist das Finanzkapital ... in der Lage, den größten Profit aus einer Unterordnung zu ziehen, die den Verlust der politischen Unabhängigkeit der unterworfe- nen Länder beinhaltet. ... Kolonialer Besitz allein gewährt den Monopolen die vollständige Garantie gegen alle Risiken der Auseinandersetzung mit Konkurrenten, einschließlich des Risikos, dass sich diese mit Hilfe eines Gesetzes zur Wehr setzen, das ihnen ein staatliches Monopol garantiert." (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 74f). Lenin, der dies im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts schrieb, sah deshalb im halbkolonialen (oder 'semikolonialen' - Übers.) Status das Übergangsstadium hin zum vollen kolonialen Status: "Die semikolonialen Staaten liefern ein Beispiel für die Übergangsformen, welche gefunden werden müssen ... Semikoloniale Länder liefern ein typisches Beispiel für das 'mittlere Stadium'. (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 74). Imperiale Machterweiterung Ein Imperium ist " ... eine Zusammenfassung von abhängigen Territorien, die von einem beherrschenden Staat regiert werden." ('Oxford English Dictionary', 'Band 5, Oxford 1987, S. 187). Als führendes kapitalistisches Land, das industrialisiert wurde, durchlief Großbritannien im 19. Jahrhundert den Prozess einer nie gekannten imperialen Machterweiterung: "Großbritannien erlebte die Periode enormer Ausweitungen seiner kolonialen Erwerbungen zwischen 1860 und 1880 und auch in den letzten zwanzig Jahren des 19. Jahrhunderts setzte sich dies fort." (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 70). Lenin liefert die Zahlen für die Ausweitung des Britischen Empires während des 19. Jahrhunderts: Jahr Fläche(in Millionen Bevölkerung Quadratmeilen) (in Millionen) 1860 2,5 145,1 1880 7,7 267,9 1899 9,3 309,0 (Ebenda). Später fand die Industrialisierung auch in anderen kapitalistischen Ländern statt, die dann eine ähnliche imperiale Ausdehnung zu verzeichnen hatten: "Für Frankreich und Deutschland findet diese Periode (der imperialen Ausdehnung - Verf.) ebenfalls in diesen letzten zwanzig Jahren (1880-1900 - Verf.) statt." (Ebenda). Als Lenin 1916 seinen 'Imperialismus' schrieb, war praktisch die ganze Welt auf das eine oder andere Imperium aufgeteilt. "Zum ersten Mal ist die Welt vollständig aufgeteilt, so dass in Zukunft nur noch eine Neuaufteilung möglich ist. Gebiete können jetzt nur noch von einem 'Besitzer' auf den anderen übergehen. Imperialismus ist Kapitalismus in jenem Entwicklungsstadium, ... in dem die Aufteilung sämtlicher Gebiete des Erdballs unter den großen kapitalistischen Mächten abgeschlossen ist." (Ebenda, SS. 69, 81). Entkolonialisierung: Dominion-Status Dem Sieg im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg im späten 18. Jahrhundert (der Gründerstaaten der Union über das 'Mutterland' England - Übers.) folgten 1839 " ... Aufstände sowohl unter den französischen als auch unter den englischen Kolonisten. ... Beide Aufstände wurden bald niedergeschlagen, jedoch verursachten sie der Britischen Regierung sehr viel Kopfzerbrechen, weil sie befürchtete, dass Kanada denselben Weg wie die Vereinigten Staaten gehen könnte. Das Ergebnis war ... ein Bericht, in dem die Gewährung der Selbstregierung an Kana- da auf Dominion-Basis (bei Anerkennung der britischen Oberhoheit - Übers.) vorgeschlagen wurde." (Andrew L. Norton: 'Eine Volksgeschichte Englands', London 1979, S. 471). Kanada wurde 1867 die Selbstregierung zuerkannt (auf 'Dominion-Basis'). Die Bezeichnung 'Dominion Home Rule', die aus dem Lateinischen stammt, wurde " ... zum ersten Mal von Großbritannien 1867 verwendet und in die Verfassung für Kanada aufgenommen, um seinen autonomen Status zu beschreiben." (Edmund J. Osmanczyk: 'Die Enzyklopädie der Vereinten Nationen und der Internationalen Beziehungen', New York 1990, S. 241). In den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde der Dominion-Status aus den gleichen Gründen anderen britischen Kolonien gewährt, die trotz der Anwesenheit von schwarzen Minderheiten (oder gar Mehrheiten) als 'weiße' bezeichnet wurden: Land Monat Jahr Australien Januar 1901 Neuseeland September 1907 Südafrika Dezember 1931 ('Statesman's Jahrbuch, 1997-98', London 1997, S. 30). Diese britischen Kolonien, die zu Dominions gemacht wurden, erhielten faktisch den Status von Teilhabern am britischen Imperialismus. Auf einer Empire-Konferenz im Jahre 1926 wurden die Dominions von den übrigen Kolonien des Britischen Empires dadurch hervorgehoben, dass man sie zum Britischen Commonwealth zusammenschloss, welches als " ... autonome Gemeinschaften innerhalb des Britischen Empires, die ... durch ihre gemeinsame Bindung an die britische Krone und als frei assoziierte Mitglieder des Britischen Commonwealth of Nations miteinander verbunden sind",.. (Edmund J. Osmanszyk: Ebenda, S. 180). bezeichnet wurde. 1931 wurde der Begriff 'Empire' selbst in imperialistischen Kreisen Großbritanniens nicht mehr verwendet und der Begriff 'Britisches Commonwealth' wurde so weit ausgedehnt, dass auch die verbliebenen britischen Kolonien darunter fielen (Edmund J. Osmanczyk: Ebenda, S. 180). 1949 wurde auch das Wort 'Britisch' weggelassen (Ebenda, S. 160). Neokolonialismus Neokolonialismus bedeutet " ...die Beibehaltung des Einflusses über ... die eigenen ehemaligen Kolonien durch wirtschaftliche und politische Maßnahmen." ('Oxford English Dictionary', Band 10, Oxford 1987, S. 317). Nach dem Zweiten Weltkrieg machte das Anwachsen der Befreiungsbewegungen in der ganzen Welt eine Fortsetzung des alten Kolonialismus langfristig undurchführbar. In einem kolonialartigen Lande finden wir jedoch bestimmte soziale Klassen vor, deren Weiterbestehen als Ausbeuter abhängig ist von den dominierenden ausländischen Imperialisten, insbesondere was die Kompradorbourgeoisie und die Klasse der Grundbesitzer angeht: "Dort, wo der herrschende Imperialismus in den Kolonien soziale Stützen benötigt, verbündet er sich mit den herrschenden Schichten der früheren sozialen Struktur, mit den Feudalherren sowie mit der Handels- und geldverleihenden Bourgeoisie, gegen die Mehrheit der Bevölkerung." (Sechster Kongress der Komintern: 'Thesen zur revolutionären Bewegung in Kolonialländern und semikolonialen Ländern', in: Ebenda, Band 2, London 1971, S. 533). Dementsprechend übernahmen die Kolonialmächte die Strategie der Abwehr echter Befreiungsbewegungen dadurch, dass sie erstens darauf hinarbeiteten, sie zu durch Spaltung nach religiösen und ethnischen Gesichtspunkten zu schwächen; zweitens mit proimperialistischen politischen Kräften innerhalb der Kolonien - Feudalherrn und Kompradorkapitalisten - verhandelten, um die Kolonien in Neo-Kolonien zu verwandeln, die zwar dem Namen nach 'unabhängig', jedoch in Wirklichkeit abhängig sind. Diese Strategie kam zum Beispiel in der ausgehandelten 'Unabhängigkeit' Indiens unverkennbar zum Zuge. Die Teilung und 'Entkolonialisierung' Indiens In seinem Buch 'Indien heute', das 1940 herauskam, beschreibt Rajani Palme Dutt Indien als " ... den Dreh- und Angelpunkt des modernen Imperialismus. ... Die 370 Millionen Inder machen ... fast neun Zehntel der abhängigen Bevölkerung in den Kolonien des Britischen Empire aus." (Rajami Palme Dutt: 'Indien heute', London 1940, S. 17ff). Nach dem Prinzip des 'Teile-und-herrsche' teilten die britischen Imperialisten " ... Indien in ungleiche Segmente auf - in Britisch Indien und in die so genannten 'Indischen Staaten'. ..Dort gibt es 563 Staaten mit einer Gesamtfläche von 712.000 Quadratmeilen und einer Bevölkerung von 81 Millionen (nach der Volkszählung von 1931) oder fast ein Viertel (24%) der gesamten indischen Bevölkerung." (Ebenda, S. 391). Wie Marx 1853 schrieb: " ... Die herrschenden Prinzen sind die unterwürfigsten Werkzeuge des englischen Despotismus. ... Die einheimischen Prinzen sind die Stützen des gegenwärtigen widerwärtigen englischen Systems." (Karl Marx: 'Die Ostindische Frage', in: Karl Marx und Friedrich Engels: 'Gesammelte Werke', Band 12, London 1979, S. 198). In dem Maße wie die Befreiungsbewegung erstarkte, " ... hat der Imperialismus sich zunehmend für eine Politik des Bündnisses mit den Prinzen stark gemacht und versucht, sie zu seiner Kampftruppe zu machen." (Rajani Palme Dutt: Ebenda, S. 400). Das indische Volk wurde noch weiter auseinanderdividiert durch " ... die Hindus, die etwas über zwei Drittel der Bevölkerung ausmachen, die Moslems, welche einen Anteil von einem Fünftel an der Bevölkerung darstellen sowie einigen anderen kleineren religiösen Gruppen, die zusammen ein Zehntel der Bevölkerung bilden." (Ebenda, S. 404). Vor der britischen Eroberung gab es " ... keinerlei Konflikte zwischen Hindus und Moslems, in der Art, wie sie dann nach Antritt der britischen Herrschaft typisch wurden." (Ebenda, S. 405). Jedoch bemerkte der britische Kolonialbeamte Sir John Strachey 1888, dass " ... die einfache Wahrheit darin besteht, dass das nahe Zusammenleben dieser verfeindeten Religionen zu den Eckpfeilern unserer politischen Stellung in Indien gehört. Die bessergestellten Schichten der Mohammedaner stellen bereits für uns eine Kraftquelle dar und keine Schwächung. ... Sie sind eine kleine, jedoch aktive Bevölkerungsminorität, deren politische Interessen mit den unsrigen identisch sind." (John Strachey: 'Indien', London 1888, S. 225). In Verfolgung dieser Politik des 'Teile-und-herrsche', wurde im Dezember 1906 als Gegengewicht zum Indischen Nationalkongress die Gesamtindische Moslemliga gegründet. Der britische sozialdemokratische Politiker Ramsay Macdonald verrät uns, dass hierin " ... die mohammedanischen Führer von bestimmten anglo-indischen Machthabern inspiriert waren, und dass diese Leute in Simla und London die Fäden zogen, um zwischen den hinduindischen und den mohammedanischen Gemeinschaften in böswilliger Absicht Zwietracht zu säen." (James Ramsay MacDonald: 'Indien wacht auf', London 1910, S. 284). Jedoch erzielte der Kongress bei den Wahlen in den Provinzen 1937 " ... einen überwältigenden Sieg. ... Die Moslemliga schnitt vergleichsweise schlecht ab und vereinigte nur einen kleinen Teil der Stimmen der Muslime auf sich." (Denis Judd: 'Jawaharlal Nehru', Cardiff 1993, S. 27). Angesichts dieser Ergebnisse beschloss der Führer der Moslemliga, Mohammed Ah Jinnah, " ... die Liga dadurch für die moslemischen Wähler attraktiver zu machen, dass an islamische Ängste appelliert werden sollte." (Ebenda). Im März 1942 näherten sich die Armeen der japanischen Imperialisten den indischen Grenzen und die britische Regierung schickte Sir Staffort Cripps eilig auf eine Mission, " ... um zu versuchen, zwischen dem Raj (der britischen Kolonie - Übers.) und seinen indischen Opponenten zu vermitteln." (Ebenda, S. 35). Cripps schlug vor, dass " ... nach dem Kriege eine Verfassungsgebende Versammlung, die aufgrund des Verhältniswahlrechts durch neue Provinzvertretungen zu wählen sei, über die Annahme einer Verfassung entscheiden solle ...". (Ebenda, S. 36). Indien sollte danach den Dominion-Status erhalten. Der Plan enthielt " ... ein wichtiges Zugeständnis an den muslimischen Separatismus (Bestrebung, einen eigenen Staat zu bilden - Übers.). Denn: Jede Provinz sollte das Recht erhalten, dem neuen Dominion (bevorzugte britische Kolonie - Übers.) fernzubleiben." (Ebenda). Im August 1942 wurde die Losung 'Raus aus Indien' (gemeint: 'Raus aus der britischen Kolonie Indien' - Übers.) " ... zur offiziellen Politik der Kongresses." (Ebenda, S. 38). Die britische Regierung schlug zurück und " ... ließ die gesamte Arbeitsgruppe des Kongresses sowie eine Reihe von anderen Parteimitgliedern verhaften." (Ebenda). Der Indische Nationalkongress wurde " ... verboten und zu einer illegalen Organisation erklärt, deren Vermögen und Dokumente beschlagnahmt wurden. Ausgehverbote wurden verhängt und Ansammlungen von mehr als fünf Personen verboten. Es kam zu Massenverhaftungen." (Ebenda). Der (von den britischen Imperialisten in Indien eingesetzte - Übers.) Vizekönig, Viscount Wavell, sagte " ... Jinnah und der Moslem-Liga uneingeschränkte Unterstützung zu." (Ebenda, S. 40). ..und als die " ... britischen Behörden sich gezwungen sahen, ...die Verhandlungen über Indiens zukünftige Unabhängigkeit wieder zu eröffnen, hatte die Moslemliga inzwischen so viel Unterstützung in Indiens islamischen Kreisen, dass sie behaupten konnte, eine ähnlich einflussreiche politische Kraft wie der Nationalkongress zu sein." (Ebenda, S. 39). Jinnah konnte behaupten, dass " ... die Moslemliga die wahre, ja die alleinige Stimme des Islam in Indien sei." (Ebenda, S. 44f). Im Februar 1947 verkündete der neue britische Premierminister Clement Attlee " ... im Unterhaus, dass sich Großbritannien bis Juni 1948 aus Indien zurückziehen würde." (Ebenda, S. 49). Im März 1947 wurde Lord Mountbatten als letzter Vizekönig für Indien vereidigt und damit beauftragt, " ... eine Machtübertragung" .. (Ebenda, S. 50). ...auf " ... verantwortungsbewusste Kräfte" ('New Encyclopaedia Britannica', Band 21, S. 109). vorzunehmen. Im Mai 1947 weihte Mountbatten Nehru in den britischen 'Geheimplan' mit dem Namen 'Balkan-Plan' ein, welcher " ... die Übertragung von Machtbefugnissen auf die Provinzen und auch auf die Fürstenstaaten vorsah." (Ebenda, S. 52). Nehru jedoch verurteilte diesen Plan als ein Mittel, " ... Zerrüttung, Auseinandersetzungen und Unruhe" (Jawaharlal Nehru: Brief an Mountbatten, Mai 1947, in: Ebenda, S. 52). zu bewirken. Schließlich waren die britischen Behörden doch bereit, ihre Vorschläge dahingehend abzuändern, dass sie " ... den indischen Staat als eine weiterbestehende Einheit" (Ebenda). intakt ließen, obwohl diejenigen Gebiete, die überwiegend von Moslems bewohnt waren, das Recht erhalten sollten, sich loszusagen und ein eigenes neues Dominion mit dem Namen Pakistan zu gründen. Im August 1947 wurde " ... die britische Kolonie offiziell aufgelöst." (Ebenda, S. 54). Die Macht wurde auf zwei rivalisierende Dominions unter Führung von Nehru bzw. Jinnah aufgeteilt. Nehru selbst kam aus einer 'englischen' indischen Familie: Sein Vater war " ...ein reicher Rechtsanwalt aus dem Staat Kaschmir. Er und seine Mutter ...waren Brahmanen und gehörten damit zur höchsten Kaste in Indien." ('Encyclopedia Americana', Band 20, New York 1977, S. 83). Nehru erhielt seine Ausbildung in Harrow und Cambridge (an britischen Eliteschulen - Übers.). Kurz, " ... das indische Empire des Vereinigten Königreiches wurde im Wesentlichen auf einer religiöser Grundlage zwischen Indien und Pakistan aufgeteilt. ... Der Führer des Nationalkongresses, Jawaharlal Nehru, wurde zum ersten indischen Premierminister." ('Europa Jahrbuch 1997', Band 1, London 1997, S. 1.591). Aber: "... die Gewalt zwischen den Religionsgruppen, 12 Millionen Flüchtlinge, das Problem der Integration der ehemaligen Fürstenstaaten in den indischen Bundesstaat sowie der Konflikt zwischen Pakistan und Kaschmir ..." (Ebenda). ..all dies trug zur Beeinträchtigung der staatlichen Unabhängigkeit sowohl von Indien als auch von Pakistan bei.
Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich der Prozess der Entkolonialisierung des Britischen Empires beschleunigt fortgesetzt. Die folgenden Länder, die einst britische Kolonien waren, sind 'formal' unabhängig geworden, sind aber in der Einfluss-Sphäre des britischen Imperialismus geblieben - als Mitgliedsstaaten des 'Commonwealth': Land Datum der formellen Unabhängigkeit Indien August 1947 Pakistan August 1947 Sri Lanka Februar 1948 Ghana März 1957 Malaysia August 1957 Zypern August 1960 Nigeria Oktober 1960 Sierra Leone April 1961 Tansania Dezember 1961 West Samoa Januar 1962 Jamaica August 1962 Trinidad & Tobago August 1962 Uganda Oktober 1962 Singapur September 1963 Kenia Dezember 1963 Malawi Juli 1964 Malta September 1964 Sambia Oktober 1964 Gambia Februar 1965 Maldiven Juli 1965 Britisch Guyana Mai 1966 Botswana September 1966 Lesotho Oktober 1966 Barbados November 1966 Nauru Januar 1968 Mauritius März 1968 Swasiland September 1968 Tonga Juni 1970 Bangladesch Dezember 1971 Bahamas Juli 1973 Grenada Februar 1974 Papua Neuguinea September 1975 Seychellen Juni 1976 Salomonen Juli 1978 Tuvalu Inseln Oktober 1978 Dominica November 1978 St. Lucia Februar 1979 Kiribati Juli 1979 St. Vincent & Grena- Oktober 1979 dinen Simbabwe April 1980 Vanuatu Juli 1980 Belize September 1981 Antigua & Barbuda November 1981 St. Kitts & Nevis September 1983 Brunei Januar 1984 Namibia März 1990 Kamerun November 1995 ('Statesman's Jahrbuch, 1997-98', ebenda, S. 30). Im November 1995 trat die ehemalige portugiesische Kolonie Mosambik dem Commonwealth bei. ('Statesman's Jahrbuch 1997-98': Ebenda, S. 30). Heute gibt es nur noch folgende britische Kolonien: Land Fläche Bevölkerung (in Quadratmeilen) (in tausend) Anguilla 60 11 Bermuda 21 60 Britische Antarktis 660.000 - Britisches Territorium im Indischen Ozean 23 - Britische Jungferninseln 59 17 Caymaninseln 100 32 Falklandinseln 4.700 3 Gibraltar 3 27 Montserrat 39 8 Nordirland 5.640 1.570 Pitcairn 2 - St. Helena 47 6 Südgeorgien & Sandwich-Inseln 1.580 - Turks & Caicos 192 14 Insgesamt 612.466 1.748.000 ('Statesman's Jahrbuch, 1997-98', London 1997, SS. 1.355, 1.368-78). Die folgenden Länder, die früher britische Kolonien waren, sind formell unabhängig geblieben und traten dem Commonwealth nicht bei: Land Datum der formellen Unabhängigkeit Ägypten Februar 1922 Irak Oktober 1932 Jordanien März 1946 Burma Oktober 1947 Palästina Mai 1948 Sudan Januar 1956 Britisch Somalia Mai 1991 Aden Juni 1994 ('Statesman's Jahrbuch, 1997-98', London 1997, SS. 261, 174, 451, 722, 743, 775, 1.154, 1.195, 1.603). Die Republik Irland " ... verließ das Commonwealth 1948." (Ebenda, S. 29). Die Mitgliedschaft der Fidschi-Inseln im Commonwealth " ... lief ... 1987" aus. (Ebenda). Die Vereinten Nationen und die Entkolonialisierung Im Jahre 1960 verabschiedete die Vollversammlung der UNO mit 89 Stimmen bei 9 Enthaltungen (Australien, Belgien, Großbritannien, Dänemark, Frankreich, Portugal, Südafrika, Spanien und die USA) und ohne Gegenstimmen " ... eine Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an Kolonialländer und -völker." (Edmund J. Osmanczyk: Ebenda, S. 217). Ein Jahr später, im November 1961, wurde " ... der 'Sonderausschuss für die Umsetzung der Erklärung der Unabhängigkeit an die Kolonialländer und -völker', auch unter der Bezeichnung 'Komitee für die Entkolonialisierung' bekannt, von der Hauptversammlung der UNO eingerichtet." (Ebenda). Im November 1972 verabschiedete die UNO-Hauptversammlung mit 99 Stimmen bei 5 Gegenstimmen (Großbritannien, Frankreich, Portugal, Südafrika und die USA) eine Resolution, wonach " ... die Beibehaltung des Kolonialismus eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit darstellt." (Ebenda). Im Dezember 1980 verabschiedete die Hauptversammlung der Vereinten Nationen " ... einen 'Aktionsplan für die vollständige Aufhebung des Kolonialismus'." (Ebenda). 'Hilfe' Die übliche Umschreibung des Begriffes 'Hilfe': " ... materielle Hilfe, die von einem Land an ein anderes geleistet wird, insbesondere Wirtschaftshilfe oder materielle Hilfe, die von einem reichen an ein armes oder unterentwickeltes Land vergeben wird." ('Oxford English Dictionary', Band 1, Oxford 1987, S. 273). Wenn wir von 'Hilfe' sprechen, dann meinen wir damit nicht die Hilfe von karitativen Einrichtungen wie 'Oxfam' oder 'Ärzte ohne Grenzen', sondern offizielle Hilfe - Hilfe unter Regierungen. Im Jahre 1996 betrug die offizielle britsche 'Hilfe' 2,5 Milliarden Pfund Sterling, ein Betrag, der sich aus 1,4 Mrd. zweiseitiger und 1,1 Mrd. mehrseitiger 'Hilfe' zusammensetzte. ('Statistischer Jahresüberblick' 1998, London 1998, S. 277). Zunächst einmal muss festgestellt werden, dass die Vorstellung, 'Hilfe' würde an die Armen der Welt vergeben, auf einer Legende beruht: "Der überwiegende Teil der britischen Hilfe ist nicht bei den Armen angekommen." (Unabhängige Arbeitsgruppe zur britischen Hifle: 'Hilfe reicht nicht aus. Großbritanniens Politik gegenüber den Armen der Welt', London 1984, S. 47). Tatsächlich ist es so, dass in dem Maße, wie die 'Hilfe' an die unterentwickelte Länder anwächst, " ... die Armut in der Dritten Welt zunimmt. Es gibt inzwischen etwa eine Milliarde Menschen in verschiedenen Teilen der Welt, die in 'absoluter Armut' leben, das heißt ohne ausreichende Lebensmittel, ohne ausreichend Wasser, Kleidung, angemessenen Wohnraum mit angemessenen sanitären Einrichtungen. ... Einige (Hilfs- Verf.) Programme können im Endeffekt dazu führen, dass es den Armen noch schlechter geht als zuvor." (Unabhängige Arbeitsgruppe zur britischen Hilfe: Ebenda, SS. 3, 34). Tatsächlich besteht im Allgemeinen die Wirkung der 'Hilfe' darin, dass " ... der Graben zwischen Reich und Arm immer breiter wird. Der Anteil der ärmsten 20 Prozent der Weltbevölkerung in Bezug auf das gesamte Einkommen beläuft sich auf mickrige 1.1 % (1991 noch 1,4% und 1960 noch 2,3%)." ('Guardian', 11. Mai 1998, S. 6). In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden, dass das, was für den 'Geber' 'Hilfe' ist, 'Schulden' für den 'Nehmer' bedeutet. Der Schuldenberg auf Seiten der Empfänger von 'Hilfen' ist inzwischen so sehr angewachsen, dass viele dieser Empfänger nicht mehr in der Lage sind, auch nur die Zinszahlungen zu leisten. Heute schulden die unterentwickelten Länder " ... dem Rest der Welt ... $2,2 Billionen (=tausend Milliarden - Übers.)." ('Guardian', 11. Mai 1997, S. 6). Tatsächlich schulden sie " ... ausländischen Kreditgebern so viel Geld, dass die bloße Zahlung der Zinsen ihren Regierungen die Mittel entzieht, grundlegende Infrastrukturmaßnahmen vorzunehmen oder ein solides Bildungs- und Gesundheitssystem aufzubauen. In den schlimmsten Fällen reichen die Devisen aus den Exporterlösen nicht aus, um die jährlichen Zinsen und Raten zu tilgen." ('Guardian', 11. Mai 1998, S. 6). In dieser Situation sind die Banken meistens bereit, " ... Umschuldungen zuzustimmen, was gewöhnlich hohe Umschuldungsgebühren nachsichzieht, bei sogar noch höheren Zinssätzen. Ihre Gewinne steigen im Verlaufe solcher Phasen noch stärker. . Dieses System bewirkte, dass die Schulden von Regierungen der Dritten Welt nicht zurückgegangen, sondern noch weiter angestiegen sind." (Teresa Hayter, 1982: Ebenda, S. 9f). Trotz dieses Verfahrens " ... hat bisher kein einziges Land die Rückzahlung seiner Schulden verweigert. ... Brasilien hat kurze Zeit ein einseitiges Moratorium über die Zinszahlungen verhängt. ... Im Allgemeinen jedoch zahlen die Regierungen weiter, sogar solche, die für die Verschuldung urspünglich nicht verantwortlich waren." (Ebenda, S. 11f). Die letztendliche Folge dieser Situation ist die, dass " ... der Reichtum von der Dritten Welt nach Europa, den Vereinigten Staaten, Japan und ein paar anderen Ländern geflossen ist." (Ebenda, S. 1). ...und auf diese Weise sind die armen Länder " ... so unglaublich dies auch zu sein scheint, zu einer unverzichtbaren Quelle des Finanzkapitals geworden, wodurch es in die Lage versetzt wird, weltweit agierenden Gesellschaften die Mittel für ihre internationale Ausdehnung bereitzustellen." (Richard J. Barnet & Ronald E. Muller: 'Globaler Zugriff. Die Macht der multinationalen Gesellschaften', London 1975, S. 125). Tatsächlich ist die 'Hilfe' für die 'Geber'-Länder zu " ... einem Instrument der Außenpolitik geworden." (Andrew F. Westwood: 'Auslandshilfe im Rahmen der Außenpolitik', Washington 1966, S. i). Ihr Zweck besteht darin, " ... die Entwicklungsländer in eine Lage der vollständigen Unterordnung unter die Interessen der 'Geber'-Länder zu manövrieren." (Naved Hamid: 'Auslandshilfe. Eine Falle?', Lahore 1974, S. ii). US-Präsident Kennedy gab dies 1961 freimütig zu: "Die Auslandshilfe ist eine Methode, durch die die Vereinigten Staaten international eine Position des Einflusses und der Kontrolle ausüben kann." (John Kennedy, in: Teresa Hayter: 'Die Schaffung der Weltarmut', hiernach zitiert als 'Teresa Hayter, 1982', London 1982, S. 83). Auch Präsident Nixon 1968: "Wir müssen uns daran erinnern, dass der Hauptzweck der amerikanischen Hilfe darin besteht, nicht anderen zu helfen, sondern uns selbst zu helfen." (Richard Nixon, in: Teresa Hayter, 1982: Ebenda, SS. 63-84). Das ganze Verfahren der 'Hilfeleistung' " ... stellt Abhängigkeiten her, zerstört Selbstbestimmung." (Gerald Holtham & Arthur Hazlewood: 'Hilfe und Ungleichkeit in Kenia. Britische Entwicklungshilfe für Kenia', London 1976, S. 254). "Das Angebot, Entwicklungshilfe zu leisten, die Gewährung dieser Hilfe, die Weiterzahlung dieser Hilfe, die Drohung, sie zurückzuziehen sowie die Zurückziehung der Hilfe - jede Maßnahme für sich allein genommen liefert das Potenzial, politischen Einfluss auszuüben." (Peter Byrd: 'Außenpolitik und Auslandshilfe', in: Anuradha Bose & Peter Burnell, Hrsg.: 'Großbritanniens Auslandshilfe seit 1979. Zwischen Idealismus und Eigeninteresse', Manchester 1991, S. 53). 'Hilfe' ist " ... nützlich, um einen Empfänger dazu zu bewegen, sich für solche politischen und wirtschaftlichen Lösungen seiner Probleme zu entscheiden, die sich mit dem decken, was der Geber für am vorteilhaftesten erachtet." (Robert S. Walters: 'Amerikanische und sowjetische Hilfe. Eine vergleichende Analyse', Pittsburgh 1970, S. 245). Diese Einschätzung ergibt sich aus Untersuchungen zur 'Hilfe' in einzelnen Ländern. So kommt zum Beispiel R. Andrew Nickson in seinem Buch über britische 'Hilfe' an Nepal zu dem Ergebnis, dass " ... der Entwicklungseffekt der britischen Hilfe an Nepal sehr gering war. ... Dieses schlechte Abschneiden lässt sich nur mit der Unterordnung der Entwicklungsziele unter übergeordnete politische Absichten, die mit dem britischen Hilfsprogramm verfolgt werden, erklären." (R. Andrew Nickson: 'Auslandshilfe und Außenpolitik. Das Beispiel der britischen Hilfe an Nepal', Birmingham 1992, S. 1). ...und dies lag daran, " ... dass das übergeordnete politische Ziel der britischen Regierung in Nepal ... darin bestand, weiterhin ausgezeichnete Beziehungen zur nepalesischen Monarchie zu unterhalten, um den Zugang zu Gurka-Rekruten für die britische Armee zu behalten." (Ebenda, S. 34). Tatsächlich ist jede 'Hilfe' an Bedingungen gebunden, die den Kapitalisten in den 'Geber'- Ländern nützen: "Fast zwei Drittel unseres zweiseitigen Hilfsprogramms ist ... an den Export von britischen Waren gebunden. Und es gibt beunruhigende Anzeichen dafür, dass die Regierung beabsichtigt, dass in Zukunft noch mehr Gewicht als vorher auf Großbritanniens eigene industrielle und kommerzielle Bedürfnisse bei der Ausformulierung unserer Hilfspolitik gelegt werden soll." (Unabhängige Arbeitsgruppe zur britischen Hilfe: Ebenda, S. 47). "Gegen Ende der 50iger Jahre wurden von Seiten der US-Regierung sämtliche Auslandshilfsprogramme an die Bedingung geknüpft, damit US-amerikanische Waren zu kaufen." (John Montgomery: 'Auslandshilfe und internationale Politik', Englewood Cliffs, USA, 1967, S. 20). Die 'Hilfe' nützt in besonderem Maße den Rüstungsfirmen: "Schulden werden durch Waffen genährt: Pakistan und Indien geben zusammen mehr als ... 6 Milliarden Pfund Sterling pro Jahr für Waffenimporte aus. ... Großbritannien steht im Mittelpunkt dieses Handels: Es unterhält eine Verteidigungsindustrie, die mit Ausfuhren im Wert von 5 Milliarden mehr als 150.000 Menschen beschäftigt. 1996 gab Indonesien allein 438 Millionen Pfund Sterling für in Großbritannien hergestellte Waffen aus." ('Guardian', 15. Mai 1998, S. 6). Diese Einschätzung trifft nicht nur auf Regierungen zu, sondern auch auf internationale imperialistische Finanzorganisationen wie die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds, deren Politik " ... einen wesentlichen Bestandteil der Außenpolitik der westlichen kapitalistischen Staaten gegenüber den unterentwickelten Ländern bildet." (R. B. Sutcliffe: Vorwort zu Teresa Hayter: 'Hilfe als Imperialismus', Harmondsworth 1971, S. 6). 'Hilfe' muss deshalb als Instrument angesehen werden, durch das die Fesseln des alten Kolonialismus durch die neuen Fesseln der Verschuldung ersetzt werden. Dazu der russische Wirtschaftswissenschaftler M. Wolkow: "Obwohl die Imperialisten ihre Kolonien verloren haben, sind sie eifrig wie nie darum bemüht, andere Völker zu schröpfen, wenn sie es denn können. Um dies unter den neuen Bedingungen tun zu können, bauen sie ein neues System der Ausbeutung auf, das das zerrüttete Kolonialsystem ersetzen soll und bringen dabei neue Methoden zur Anwendung, um die gleichen Ziele zu erreichen, die darin bestehen, die jetzt unabhängigen Völker unter ihrer wirtschaftlichen Kontrolle zu halten." (M. Wolkow: 'Die Strategie des Neokolonialismus heute', Moskau 1976, S. 6). Eine zentrale Rolle in diesem Neokolonialismus, den der 'Guardian' " ... die neue Sklaverei" ('Guardian', 11. Mai 1998, S. 1). nennt, spielt die 'Hilfe'. Es kommt deshalb nicht von ungefähr, dass die 'Hilfe' " ... erst neueren Datums ist", .. (John A. White: 'Die Politik der Auslandshilfe', London 1974, S. 198). dass sie erst " ... auf das Ende der fünfziger Jahre zurückgeht", .. (Peter Burnell: Einführung zu: Anuradha Bose & Peter Burnel, Hrsg., ebenda, S. 2). dass sie mit dem Übergang vom Kolonialismus zum Neokolonialismus aufkam und ein Instrument lieferte, um unter den neuen internationalen Bedingungen die Vorherrschaft der imperialistischen Mächte über kolonialartige Länder aufrechtzuerhalten. In dieser Hinsicht ist es bezeichnend, dass " ... das britische Hilfsprogramm weiterhin auf die Commonwealth-Länder zielt." (Peter Byrd: 'Auslandspolitik und Auslandshilfe', in: Anuradha Bose & Peter Burnell, Hrsg., ebenda, S. 62). Denn: 1988/89 zählten zu den zehn Ländern, die den Hauptteil der britischen 'Hilfe' erhielten, u.a. Land 'Hilfe' in Millionen Pfund Sterling Indien 73 Bangladesh 43 Tansania 34 Kenia 33 Mosambik 28 Ghana 28 Pakistan 24 Uganda 21 Sudan 21 St. Helena 19 (Peter Byrd: 'Außenpolitik und Auslandshilfe', in: Anuradha Bose & Peter Burnell, Hrsg., ebenda, S. 62). 'Hilfs'programme gingen natürlich nicht nur von westlichen imperialistischen Ländern aus. Nach Stalins 'Tod' und der Wiederherstellung eines im Wesentlichen kapitalistischen Wirtschaftssystem in der Sowjetunion begann dieses Land ein eigenes 'Hilfs'programm in Konkurrenz zu den USA zu entwickeln. Sowjetische Hilfe " ... nahm fast durchweg die Form von Darlehen an, die zu Bedingungen vergeben wurden, die heute als relativ hart angesehen werden würden." (John A. White: Ebenda, S. 205). In der Zeit von 1955 bis 1965 beliefen sich die Summen der britischen 'Hilfe' im Jahresdurchschnitt auf " ... etwa 450 Millionen Pfund Sterling. Der Jahresdurchschnitt für die USA belief sich im Vergleich dazu auf ungefähr $ 1.750 Millionen. Afghanistan, Indien und Indonesien in Asien und Ägypten und Iran im Mittleren Osten ... erhielten zusammen mehr als 66% der sowjetischen 'Hilfe'." (John A. White: Ebenda, S. 204f). Der relative Rückgang der britischen Industrie Im 19. Jahrhundert war Großbritannien " ... die vorherrschende Industrienation der Welt." (Bernard Elbaum & William Lazonick, Hrsg., Vorwort zu: 'Der Niedergang der britischen Wirtschaft', Oxford 1986, S. V.). Großbritannien war im Jahr 1815 im Vergleich zu Westeuropa und den Oststaaten der Amerikanischen Union " ... eine ganze Generation in der industriellen Entwicklung voraus." (Charles K. Hobson: Ebenda, S. 96). Die britischen Hauptindustriezweige wie Kohle, Eisen und Stahl, Textilien und Schiffsbau allein schon erwirtschafteten nach einer Erhebung über die britische Produktion aus dem Jahre 1907 " ... etwa 50% der gesamten inländischen Industrieproduktion und 70% der britischen Exporte." (Bernard Elbaum & William Lazonick, Hrsg., ebenda, S. 9). Aber seit den 80iger Jahren des 19. Jahrhunderts waren auch andere kapitalistische Länder industrialisiert: in den USA, Deutschland und Japan basierte diese Industrialisierung auf " ...den Methoden der Massenproduktion, aber auch auf einem modernen Management innerhalb von Aktiengesellschaften." (Ebenda, S. 2). Britische Industrielle dagegen klammerten sich " ... weiterhin an die Kontrolle der Gesellschaften durch Familien." (Ebenda, S. 5). Nicht gewillt, größere Ausgaben für die technologische Modernisierung auszugeben, waren britische Firmen gezwungen, sich bei der Massenproduktion der Konkurrenz zu entziehen und ihre Zuflucht in " ... der Herstellung hochwertiger Waren und spezialisierter Produktarten zu suchen." (Ebenda, S. 7). Im Unterschied dazu wurden zum Beispiel in der Textilindustrie der Vereinigten Staaten "... 1913 schon zu 87% die neuen Ringspindeln eingeführt (1890: 62%). In Großbritannien dagegen machten diese Spindeln 1913 nur 19% aus." (William Lazonick: 'Die Baumwollindustrie', in: Bernhard Elbaum & William Lazonick, Hrsg. S. 18). Ähnlich verhielt es sich mit den " ... automatischen Webstühlen, die in Großbritannien 1914 nur 1-2% aller Webstühle ausmachten. Im gleichen Jahr wurden dagegen in den Vereinigten Staaten schon zu 40% automatische Webstühle eingesetzt." (Ebenda, S. 19). 1955 betrug der Anteil an automatischen Webstühlen in Großbritannien " ... nur 12% aller Webstühle." (Ebenda, S. 20). Großbritanniens Anteil an der Welt-Stahlproduktion fiel von 7,2% im Jahre 1960 auf 2,2% 1981. (Heidrun Abromeit: 'Britischer Stahl. Eine Industrie zwischen dem Staat und dem privaten Sektor', Leamington Spa 1986, S. 314). Während Großbritannien noch in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen " ... mit einem Anteil von 40% an der Weltproduktion der bedeutendste Hersteller von Schiffen war", ... (Edward Terenz & Frank Wilkinson: 'Der Schiffsbau, 1880-1965', in: Bernard Elbaum & William Lazonick, Hrsg., ebenda, SS. 18, 116). ...betrug dieser Anteil 1961-65 nur noch 4,5%. Japan hatte inszwischen einen Anteil von 38,8%. (Ebenda, S. 116). Und: " ... 1990 besaß Großbritannien praktisch keine Schiffsbauindustrie für die Handelsschiffahrt mehr." (L. A. Ritchie, Hrsg.: 'Die Schiffsbauindustrie. Ein Wegweiser für historische Rekorde', Manchester 1992, S. 22). In ähnlicher Weise fiel der britische Anteil an der Autoproduktion von 26, 2% im Jahre 1960 auf 9,1% 1982 (David Clutterbuck & Stuart Cramer: 'Niedergang und Aufstieg der britischen Industrie', London 1988, S. 10). Seit dieser Zeit (also seit etwa 1960 - Übers.) " ... ist Großbritannien auf dem Gebiet des Produktivitätswachstums hinter anderen entwickelten Industrienationen zurückgeblieben und hat demzufolge einen ständigen Rückgang seiner wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit zu verzeichnen." (Bernard Elbaum & William Lazonick: 'Institutionelle Perspektive des britischen Niedergangs', in: Bernard Elbaum & William Lazonick, Hrsg., ebenda, S. 1). Seitdem für die britische Industrie " ... niedrige Investitionsraten typisch wurden" ... (Ebenda, S. 266). und als Folge der ungleichen Entwicklung des Kapitalismus unterliegt die britische Wirtschaft schon seit 1880 einem Prozess des Niedergangs. Dieser Niedergang war jedoch nicht absolut: Zum Beispiel wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP = die Gesamtheit der Waren und Dienstleistungen, die im Laufe eines Jahres im Inland erwirtschaft werden - Übers.) in Großbritannien zwischen 1982 und 1996 noch wie folgt: Jahr Wert in Milliarden Pfund Sterling 1982 238 1986 328 1992 515 1996 643 ('Statistische Jahresübersicht 1994', London 1994, S. 240; ebd., London 1998, S. 283). .. so dass von einem " ... relativen wirtschaftlichen Niedergang auszugehen ist, d.h., von einem Rückgang im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften." (David Edgerton: 'Wissenschaft, Technik und der britische industrielle 'Niedergang', 1870-1970', Cambridge 1990, S. 4). Seine Folge war, dass " ... Großbritanniens Anteil an der Weltproduktion und am Weltexport zurückgegangen sind, obwohl sein absolutes Produktionsniveau und seine Exporte anstiegen." (David Edgerton: Ebenda). Mit anderen Worten: Die britische Wirtschaft ist " ... langsamer gewachsen als die Weltwirtschaft." (Ebenda). Der parasitäre Charakter des Neoimperialismus Parasitismus (oder Schmarotzertum, von 'Parasit', gr.lat. = Tischgenosse - Übers.) ist " ... die Praxis, von anderen und auf Kosten anderer zu leben." ('Oxford English Dictionary', Band 11, Oxford 1989, S. 208). Bereits 1919 beschrieb Lenin in seinem Buch 'Der Imperialismus - das höchste Stadium des Kapitalismus' den zunehmend parasitären Charakter des Imperialismus. Er lenkte die Aufmerksamkeit auf " ... das außergewöhnliche Anwachsen der Gruppe der Kuponabschneider, der Wertpapierbesitzer, von Leuten, die davon leben, Koupons abzuschneiden, die in keinster Weise an der Produktion teilnehmen, deren Beruf der Müßiggang ist. Der Export von Kapital, eines der wesentlichsten wirtschaftlichen Grundlagen des Imperialismus, trennt die Besitzer von Wertpapieren noch stärker von der Produktion und drückt dem gesamten Land den Stempel des Parasitismus auf, das von der Ausbeutung verschiedener anderer Länder lebt." (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 92). Schon zu dieser Zeit konnte Lenin sagen, dass " ... das Einkommen der Wertpapierbesitzer fünfmal größer ist als das durch den Außenhandel der größten Handelsnation der Welt (Großbritannien - Verf.) erzielte. Das ist das Wesen des Imperialismus und des imperialistischen Parasitismus. Aus diesem Grunde gelangt der Begriff 'Rentierstaat' oder Wuchererstaat in den alltäglichen Sprachgebrauch der ökonomischen Literatur, die sich mit dem Imperialismus befasst. Die Welt besteht nur noch aus einer Handvoll von geldverleihenden Staaten einerseits und einer überwältigenden Mehrheit von Schuldnerstaaten andererseits. ... Der Rentierstaat ist der Staat des parasitären und verfaulenden Kapitalismus. (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 92f). Er zitiert zustimmend die prophetische Umschreibung der künftigen 'Europäischen Union', die schon 1902 von dem britischen Ökonomen John Hobson vorgenommen wurde: "Wir haben die Möglichkeit einer sogar noch größeren Allianz von westlichen Staaten ins Auge gefasst, einen europäischen Staatenbund von Großmächten, der ... die gigantische Gefahr eines westlichen Parasitismus mit sich bringen könnte - eine Gruppe von entwickelten Industrienationen, deren gehobene Schichten aus Asien und Afrika riesige Tribute herausziehen, mit denen sie große Massen von träge dahinlebenden Empfängern, die nicht mehr in den Hauptzweigen der Landwirtschaft oder der Herstellung beschäftigt sind, sondern die nun unter der Kontrolle einer neuen Finanzaristokratie in zweitrangigen Bereichen der privaten oder industriellen Dienstleistungen untergebracht sind. ... Die Kräfte, welche heute den Imperialismus in Westeuropa steuern, bewegen sich in diese Richtung." (John A. Hobson: 'Imperialismus. Eine Studie', London 1902, S. 385f). Dazu Lenins Bemerkung: "Hobson hat durchaus Recht. Wenn den Kräften des Imperialismus nichts entgegengesetzt wird, werden sie sich in die von ihm vorgezeichnete Richtung bewegen." (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 98). Lenin zitiert überdies Zahlen, aus denen hervorgeht, dass in Großbritannien " ... der Prozentsatz der in der Produktion Beschäftigten im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung zurückgeht: Jahr % der Arbeiter, die in der Grundstoffindustrie beschäftigt sind 1851 23 1901 15 (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 96). Dieser Prozess hat sich fortgesetzt: Zwischen 1979 und 1986 änderten sich die Beschäftigtenzahlen nach Arbeitsbereichen wie folgt (in Millionen Beschäftigten): Juni 1979 Juni 1986 Wechsel Produktion 7,1 5,2 - 28% Dienstleistung 13, 2 14,1 + 7% Andere 2, 2 1,8 - 19% Insgesamt 22, 5 21, 1 - 7% (David Clutterbuck & Stuart Cramer: Ebenda, S. 17). Die Interessen des Finanz- und Dienstleistungssektors des britischen Kapitals - jedoch nicht die des Herstellungssektors - widerspiegelten sich in der Politik der konservativen Regierung in Großbritannien von 1979-1987: "Die relative Gleichgültigkeit der Thatcher-Regierung gegenüber dem technischen Wandel und ihre Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit stellen wichtige Themen dar. Großbritanniens Fähigkeit zu modernisieren ist weiter im Vergleich zu seinen wichtigsten Konkurrenten zurückgegangen. Man wundert sich über die Kühnheit oder Tollkühnheit - je nachdem wie man es sieht - der Thatcher-Regierung: Hier ging eine mittelgroße Industrienation daran, ihre Märkte aus einer Position der industriellen Schwäche heraus zu liberalisieren und dies während einer Phase der technologischen Revolution, in der sie nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Die Politik des 'Laissez-faire' und des Freihandels waren angebracht, als Großbritannien noch unangefochten die erste Industrienation war. Diese Politik in den 80iger Jahren des 20. Jahrhunderts anzuwenden, war äußerst gewagt." (Margaret Sharp & William Walker: 'Thatcherismus und technischer Fortschritt. Reform ohne Fortschritt? In: Tony Buxton, Paul Chapman & Paul Temple: 'Großbritanniens Wirtschaftsleistung', London 1994, S. 398). Zusammengefasst kann man sagen: " ... der Rentierstaat ist der Staat eines parasitären, verfaulenden Kapitalismus.' (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 93). Und: Der Imperialismus ist " ... sterbender Kapitalismus." (Ebenda, S. 117). Die Entwicklung von 'Export-Plattform-Investitionen' Bis etwa zu den 70iger Jahren zielte die 'Entwicklung' der unterentwickelten Länder, die angeblich Gegenstand der 'Hilfs'programme waren, auf die Entwicklung einer Infrastruktur - d.h. den Bau von Straßen, Hafenanlagen und Eisenbahnverbindungen - die ihre koloniale Ausbeutung erleichtern sollte. Eine Industrialisierung, die diesem Programm entgegenstand, wurde nicht gefördert. Dazu die aus China stammende Forscherin Teresa Hayter: "Die Industrialisierung in den abhängigen Gebieten ist - zumindest bis heute - von den industrialisierten Ländern und ihren Agenturen systematisch gehemmt worden." (Teresa Hayter 1982: Ebenda, S. 96). Die ehemaligen Kolonialmächte " ... achteten darauf, dass eine Industrialisierung, welche dazu führen konnte, dass ihre Industrie einer Konkurrenz ausgesetzt und ihnen Märkte vorenthalten würde, nicht stattfand." (Ebenda). Den Regierungen unterentwickelter Länder wurde dringend geraten, sich " ... darauf zu konzentrieren, was sie gut konnten: auf die Produktion von Roh- und Grundstoffen." (Ebenda). Gleichzeitig war es Bestandteil imperialistischer Politik, " ... billige Arbeitskraft nach Europa aus dem Mittelmeerraum, der Karibik und Asien und nach den USA aus Mexiko zu importieren." (Ebenda, S. 98). In den letzten Jahren war jedoch eine gegenläufige Tendenz im Zusammenhang mit der Bildung transnationaler Gesellschaften feststellbar. Gesellschaften, die in mehr als nur einem Land operieren, werden häufig 'multinationale Gesellschaften' genannt. Dieser Begriff deutet auf einen bestimmten " ... Grad von Internationalisierung, was das Management, aber auch den Aktienbesitz angeht, hin, was aber gar nicht zutrifft." (Richard J. Barnet & Ronald F. Muller: Ebenda, S. 17). Zum Beispiel hat " ... eine Untersuchung über 1.851 Spitzenmanager von führenden US-Gesellschaften mit umfangreichem Personal und Umsätzen im Ausland ergeben, ... dass nur 1, 6% dieser hochrangigen Geschäftsführer keine Amerikaner waren." (Ebenda). Eine genauere Bezeichnung ist deshalb 'transnationale Gesellschaften'. Die Vorsilbe 'trans' bedeutet " ... 'durch, über, hinweg." ('Oxford English Dictionary', Band 18, Oxford 1989, S. 385). In den letzten Jahren sind diese transnationalen Gesellschaften dazu übergegangen, " ... die arbeitsintensiveren Teile ihrer Produktion in unterentwickelte Länder zu verlagern, um dort in den Genuß der extrem billigen Arbeitskraft zu kommen." (Teresa Hayter, 1982: Ebenda, S. 98). So war beispielsweise " ... die jährliche Wachstumsrate der Exporte von Industrieanlagen zwischen 1960 und 1971 30% für Brasilien, 18% für Hongkong, 21% für Mexiko, 60% für Südkorea und 35% für Taiwan." (Ebenda). Es gibt hierbei außerdem noch andere Vorteile für diese transnationalen Gesellschaften. Sie laufen unter der Bezeichnung von " ... 'Export-Plattform-Investitionen' in Billiglohnländer." (Mark Casson: Einführung zu: 'Multinationale Gesellschaften und Welthandel. Vertikale Integration und Arbeitsteilung in Weltindustrien', London 1986, S. 3). Diese Vorteile beinhalten: " ... weniger strenge Umweltauflagen, weniger Sicherheitsvorschriften, längere Arbeitszeiten, bessere 'Arbeitsdisziplin' oder, mit anderen Worten, mehr Unterdrückung und - vor allem - einen geringeren Schutz der Arbeiter durch Gewerkschaften." (Teresa Hayter, 1982: Ebenda, S. 99). Mit anderen Worten: Imperialistische Länder haben sich zunehmend dafür entschieden, " ... von der Arbeitskraft der Völker unterentwickelter Länder im Ausland selbst Gebrauch zu machen. ... Einige der Textilerzeugnisse, die sonst von Asiaten in Ausbeutungsbetrieben in Bradford hergestellt wurden, werden jetzt direkt aus Indien, Hongkong, Singapur und anderen asiatischen Ländern importiert." (Ebenda, S. 98). Zunächst kann es sein, dass das transnationale Unternehmen lediglich vertragliche Vereinbarungen mit Firmen in den Entwicklungsländern hat; aber diese werden nach und nach durch den Erwerb von Anteilen an dem Vertragspartner im Ausland ersetzt, so dass diese vertraglichen Vereinbarungen dann zu einer " ... Kontrolle der Unternehmensführung auf einem Inlandsmarkt zusammengefasst werden." (Mark Casson: Ebenda, S. 104). Dieser Prozess wird in der Fachsprache auch " ... vertikale Integration" (Ebenda, S. 11). genannt. Wanderungsbewegungen im Imperialismus Unter 'Migration' versteht man " ... die Wanderungsbewegung von einem Land in ein anderes, um sich dort niederzulassen." ('Oxford English Dictionary', Band 9, 1987, S. 758). 'Emigration' ist Auswanderung, d. h. " ... das Verlassen eines Landes, meist des Heimatlandes, um sich für immer in einem anderen Land niederzulassen." (Ebenda, Band 5, S. 178). 'Immigration' ist dann Einwanderung, d. h. " ... der Eintritt in ein Land zum Zwecke der Ansiedlung." (Ebenda, Band 7, S. 685). Dazu Lenin: " Ein anderes besonderes Wesensmerkmal des Imperialismus ... besteht darin, dass die Abwanderung aus imperialistischen Ländern zurückgeht und dass die Einwanderung aus den rückständigen Ländern, wo niedrige Löhne gezahlt werden, zunimmt." (Wladimir I. Lenin: Ebenda, S. 97). Seit Lenin diese Worte schrieb, ist die Auswanderung aus Großbritannien nicht mehr weiter zurückgegangen - im Gegenteil: Jahr Zahl der Auswanderer in tausend 1950 130 1968 278 1978 192 1985 174 1995 192 ('Statistische Jahresübersicht', London 1952, S. 36; ebenda, London 1980, S. 26; ebenda, London 1998, S. 17). Ein wichtiger Faktor für diesen Wandel (mehr gehen wieder ins Ausland - Übers.) sind staatliche Auswanderungshilfen für die Emigration in bestimmte Länder des Commonwealth wie Australien oder Neuseeland gewesen. " ... eine Million und mehr britische Ausreisewillige ... nahmen das Angebot Australiens an, sich für nur 10 Pfund Sterling in Australien niederzulassen, für einen Zeitraum von mehr als dreißig Jahren." (Normann Hoffmann: Einführung zu: Betka Samoyska, 'Das Zehn-Pfund-Ticket. Erfahrungen von Briten, die in den 50iger Jahren nach Australien auswanderten', London 1988, S. XXI). " ... Das subventionierte Überfahrtsprogramm ... stellte für britische Migranten Überfahrten bis in die frühen 70iger Jahre hinein bereit." (Betka Samoyska: Ebenda, S. 15). "Die neuseeländische Regierung unterhält vom Vereinigten Königreich und von Eire aus zwei Einwanderungsprogramme - das 'subventionierte Überfahrtsprogramm' sowie das 'Beihilfeprogramm'." ('Aussichten für Neuseeland. Informationen für Auswanderungswillige', London 1974, S. 9). Während die Zahl von Einwanderungswilligen nach Großbritannien zugenommen hat, ist in den letzten Jahren der Zuwachs gering ausgefallen: Jahr Einwanderer in tausend 1950 66 1968 222 1978 187 1985 232 1995 245 ('Statistische Jahresübersicht', London 1952, S. 36; ebenda, London 1980, S. 26; ebenda, London 1998, S. 17). Vor dem Zweiten Weltkrieg war die Einwanderung nach Großbritannien relativ leicht möglich. In dieser Zeit " ... gewährte Großbritannien jenen eine Heimat, die ihr eigenes Land verlassen mussten." (Philip Page & Heather Newman: 'Sie kamen nach Großbritannien. Die Geschichte einer multikulturellen Nation', London 1985, S. 43). Aber besonders nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte Großbritannien die Umsetzung von zunehmend strengeren Visabestimmungen und Einwanderungskontrollen. Es gab " ... eine bemerkenswerte Zunahme von Visabestimmungen." (Patricia Tuitt: 'Falsche Bilder. Das Bild des Flüchtlings in der Gesetzgebung', London 1996, S. 70). Der Zweck des Einwanderungsgesetzes für das Commonwealth aus dem Jahre 1968 " ... war einfach folgender: nicht-weiße Bürger aus den Kolonien nicht reinzulassen, aber es gleichzeitig weißen Kolonialbürgern zu ermöglichen, .. nach 'Hause' zurückzukehren, wenn sie es wünschten." (James Walvin: 'Überfahrt nach Großbritannien. Die Einwanderung in der britischen Geschichte', Harmondsworth 1984, S. 119). Das Britische Nationalitätengesetz von 1981 " ... schlug Nichtweißen praktisch die Tür zu, hielt jedoch sechs Millionen Kolonialweißen und 200 Millionen Bürgern der EG eine weitere legale Tür offen." (Ebenda, S. 217). Die tatsächliche Situation kommt deutlich in der massiven Zunahme von Asylanträgen zum Ausdruck, und dies trotz der Tatsache, dass nach britischem Gesetz Flüchtlinge " ... zunehmend kriminalisiert worden sind." (Patricia Tuitt: Ebenda, S. 19). Die Zahl der Asylanträge für Großbritannien ist wie folgt gestiegen: Jahr Antragsteller in tausend 1988 4,9 1995 29,6 ('Statistische Jahresübersicht 1998', London 1998, S. 21). Schlussfolgerung Ebenso wie sich der Unterschied zwischen dem Kolonialismus zu Lenins Zeiten und der kolonialen Herrschaft, die für die heutige Zeit typisch ist, in dem Begriff 'Neokolonialismus' widerspiegelt, so scheint sich der Unterschied zwischen dem Imperialismus zu Lenins Lebzeiten und dem zeitgenössischen Imperialismus in dem Begriff 'Neoimperialismus' zu widerspiegeln. Hinweis des Übersetzers: Diese Studie Bill Blands findet sich unter der Überschrift 'Communist Party Alliance' auf den Seiten dieser neomaoistischen Organisation, in der sich jene Leute, die Bland zeitlebens in der Stalingesellschaft wegen ihrer sektiererischen und neorevisionistischen Positionen bekämpfte (bis er, der Gründer dieser Gesellschaft, dann von ihnen aus ihr ausgeschlossen wurde) wie die Majids, Clark, Dixon, Powell u.a.wiederfinden, um sich seine Analysen auf ihre Fahnen zu schreiben. Es existiert zu diesem Text auch eine Bibliografie, die jedoch übers Internet nicht verfügbar war. An einer Stelle ergab sich ein logischer Bruch in der Darstellung, was die Vermutung nahelegt, dass der englische Text an dieser Stelle verändert bzw. gekürzt wurde. Blands 'Marxist-Leninist Research Bureau', aus dem dieser Bericht Nr. 3 stammt, ist - wahrscheinlich wegen seines großen Ansehens - ebenfalls von Communist Party Alliance übernommen worden. Blands marxistisch-leninistische Partei 'Communist League of Britain' ist inzwischen, wie mir Thomas Wakeley, ein ehemaliger Parteigenosse Blands, mitteilte, aufgelöst worden.
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