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W. B. Bland

 

Anarchismus

 

Einführung

 

Ein Anarchist (vom griechischen Wort 'anarkhos' = jemand ohne Anführer oder Vorgesetz-

ten - Oxford Dictionary of English Etymology, Oxford 1985, S. 35) wird definiert als jemand,

 

" ... der keine regierende Macht zulässt"

(Oxford English Dictionary, Band 1, Oxford 1989, S. 438)

 

und Anarchismus als

 

"... die Prinzipien oder die Praxis von ... Anarchisten."

(Ebenda).

 

Mit anderen Worten: Der Anarchismus

 

" ... betrachtet alle Gesetze und jede Regierung als gewaltsamen Eingriff - die Zwil-

lingsübel beinahe sämtlicher sozialer Übel. Deshalb tritt er für die Abschaffung al-

ler Regierung, so wie der Begriff heute verstanden wird, ein."

(Encyclopedia Americana, Band 1, New York 1977, S. 777).

 

Mit dem Anarchismus ist der Syndikalismus stark verwandt, der als eine

 

" ... Bewegung umschrieben wird, die zuerst in Frankreich in den 90iger Jahren des

19. Jahrhunderts aufkam ('syndicat' ist das französische Wort für Gewerkschaft)

und sich das Ziel setzt, die Kontrolle über und das Eigentum an den Produktions-

mitteln nicht dem Staat, sondern den Gewerkschaften zu übertragen."

(Alan Bullock & Stephen Trombley, Hrsg., 'The New Fontana Dictionary of Modern

Thought', London 1999, S. 853).

 

Die syndikalistische Bewegung war durchdrungen von

 

" ... der bakuninschen anarchistischen Tradition, besonders in Frankreich, in der

Schweiz, in Italien und Spanien",

(Ebenda).

 

wodurch der Anarcho-Syndikalismus entstand, welcher

 

" den ... Versuch darstellte, die anarchistische und gewerkschaftliche Politik mit-

einander zu verbinden und der um die Jahrhundertwende (zum 20. Jahrhundert -

Verf.) seinen Höhepunkt erreichte. ... Er verschwand nach dem Ersten Weltkrieg."

(Ebenda, S. 30).

 

Zu den ideologischen Ziehvätern des Anarchismus zählen der britische Sozialphilosoph

William Godwin (1756-1836), der deutsche Max Stirner (eigentlich Johann Schmidt), der

Franzose Pierre-Joseph Proudhon (1809-65) und die Russen Michail Bakunin (1814-76) und

(Prinz) Pjotr Kropotkin (1842-1921).

 

 

Die Prinzipien des Marxismus-Leninismus

 

 

Nach der Gründungserklärung der Kommunistischen Internationale vom Januar 1919 ist

es das Ziel von Marxisten-Leninisten, dass die Arbeiterklasse die politischen Macht ergrei-

fen, ihre Herrschaft (die 'Diktatur des Proletariats') errichten und zum Aufbau der sozialisti-

schen Gesellschaft übergehen solle:

 

"Die Arbeiterklasse muss zunächst die organisierte politische Macht des Staates

in Besitz nehmen und mit ihrer Hilfe den Widerstand der kapitalistischen Klasse

brechen und die Gesellschaft neu organisieren."

(Friedrich Engels, Brief an Philipp Patten, 18. April 1883, in: Karl Marx & Friedrich

Engels, Ausgewählte Briefe, 1846-1895', London 1943, S. 416f).

 

"Die Aufgabe des Proletariats ... besteht darin, die staatliche Macht zu ergreifen. ...

Die Ergreifung der Macht des Staates bedeutet, den Staatsapparat der Bourgeoisie

zu zerstören und die Organisation eines neuen proletarischen Machtapparates. Die-

ser neue Machtapparat sollte die Diktatur der Arbeiterklasse verkörpern, ... d.h.,

er sollte das Instrument zur systematischen Unterdrückung der ausbeutenden Klas-

se und das zu ihrer Enteignung sein. ... Die Diktatur des Proletariats muss der He-

bel sein für die sofortige Enteignung des Kapitals und für die Abschaffung des Pri-

vateigentums an den Produktionsmitteln und ihre Überführung in nationales Eigen-

tum."

(Einladung zum 1. Kongress der Kommunistischen Internationale, in: Jane Degras,

Hrsg., 'Die Kommunistische Internationale, 1919-43. Dokumente', Band 1, London

1971, S. 2).

 

Mit anderen Worten: Der Eckpfeiler des Marxismus-Leninismus

 

" ... sind die Massen, deren Befreiung seinen Prinzipien zufolge die wichtigste Vor-

aussetzung ist für die Befreiung des Individuums. Das bedeutet, dass nach den

Grundsätzen des Marxismus-Leninismus die Emanzipation des Einzelnen unmög-

lich ist, bevor die Massen emanzipiert sind. Dementsprechend ist seine Parole:

'Alles für die Massen!' ."

(Joseph W. Stalin, 'Anarchismus oder Sozialismus? - hiernach zitiert als 'Joseph

Stalin 1952', in: 'Werke', Band 1, Moskau 1952, S. 299).

 

Deshalb ist es dem Marxismus-Leninismus zufolge notwendig, um die sozialistische Re-

volution vorzubereiten und durchzuführen,

 

" ... umfassende, zentralistische und disziplinierte proletarische Organisationen

aufzubauen" ...

(Programm der Kommunistischen Internationle, angenommen auf ihrem 6. Kon-

gress, in: Jane Degras, Hrsg., ebenda, Band 2, S. 518).

 

... und

 

" ... Methoden der Massenorganisation und des Massenkampfes"

(Ebenda).

 

anzuwenden.

 

 

Prinzipien des Anarchismus

 

 

Abschaffung des Staates

 

Im Unterschied zu den Prinzipien des Marxismus-Leninismus tritt der Anarchismus

zu allererst ein für die Abschaffung jeder Form eines Staates, einschließlich der der

Macht der Arbeiterklasse, der Diktatur des Proletariats:

 

"Der Staat bedeutet Herrschaft. ... Deshalb gibt es keinen anderen Weg zur

ökonomischen und politischen Befreiung der Menschen, keinen anderen Weg,

um ihnen Wohlstand und Freiheit zu bringen als den, den Staat abzuschaffen,

alle Staaten."

(Michail Bakunin, 'Eine Kritik am Staatssozialismus', hiernach zitiert als 'Michail

Bakunin 1968', London 1968, S. 8).

 

Sowohl Anarchisten ('revolutionäre Sozialisten' in den Augen der Anarchisten) als auch

Marxisten-Leninisten ('autoritäre Kommunisten' ihnen zufolge) behaupten, dass sie

 

" ... die Schaffung einer neuen sozialen Ordnung anstreben."

(Michail Bakunin, 'Marxismus, Freiheit und der Staat', hiernach zitiert als 'Michail

Bakunin 1950', London 1950, S. 18).

 

Aber während die Marxisten-Leninisten behaupten, dass der Aufbau einer neuen so-

zialen Ordnung mit der Ergreifung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse begin-

nen muss ('Die Kommunisten glauben, dass sie die Kräfte der Arbeiter organisieren müs-

sen, um die politische Macht des Staates in Besitz zu nehmen', 'Michail Bakunin 1950',

S. 18), sagen die Anarchisten, dass die Errichtung der neuen sozialen Ordnung mit der

Liquidierung des Staates beginnen muss, d.h.(' ... sie organisieren mit dem Ziel, ... den

Staat zu beseitigen', Michail Bakunin 1950', ebd.).

 

Enthaltung von politischer Aktivität

 

Zweitens predigen die Anarchisten die Enthaltung von politischer Aktivität. Zum Beispiel

wurde die 'Internationale Arbeiterassoziation' (die Erste Internationale)

 

" ... 1864 von Gewerkschaftern aufgebaut"

(Paul Thomas, 'Karl Marx und die Anarchisten', London 1980, S. 255).

 

... und wurde zu einem ideologischen Schlachtfeld zwischen Marxisten und Anarchisten,

wobei diese darauf bestanden, dass die Internationale

 

" ... nicht für die Führung des politischen Kampfes organisiert wurde, sondern

ausschließlich für ökonomische Ziele."

(Michail Bakunin, 'Die Pariser Kommune und die Idee des Staates', in: Sam

Dolgoff, Hrsg., 'Bakunin über Anarchie', in:' Ausgewählte Werke des Gründers des

Weltanarchismus', hiernach zitiert als 'Michail Bakunin 1973', London 1973, S. 301).

 

Deshalb sei jeder Versuch, dem Anarchismus zufolge, die Internationale

 

" ... auf eine konstruktive Politik zu verpflichten, ... sofort zum Scheitern verurteilt."

('Michail Bakunin 1973', ebenda, S. 301).

 

Marx wies darauf hin, dass Anarchisten

 

" ... jede revolutionäre Aktion verachten, d.h. jede Aktion, die sich aus dem Klassen-

kampf ergibt, alle sozialen Bewegungen, die ein konkretes Ziel verfolgen und des-

halb all jene, die mit politischen Mitteln durchgeführt werden (wie z.B. die Bewegung

für die gesetzliche Beschränkung des Arbeitstags)."

(Karl Marx, Brief an Dr. Kugelmann, 9. Oktober 1866, in: Karl Marx & Friedrich En-

gels, ebenda, S. 214).

 

Auch Engels bestätigte, dass

 

" ... für Bakunin der Staat das Hauptübel ist, dass nichts unternommen werden darf,

was die Existenz irgendeines Staates untermauern kann, gleich ob es sich um

eine Republik, eine Monarchie oder um was auch immer handelt. Deshalb vollstän-

dige Enthaltung von der Politik. Eine politische Aktion durchzuführen und besonders

an einer Wahl teilzunehmen, wäre ein Verrat am Prinzip."

(Friedrich Engels, Brief an Theodor Cuno, 24. Januar 1872, in: Karl Marx & Friedrich

Engels, ebenda, S. 320).

 

Und so auch das Programm der Kommunistischen Internationale:

 

"Der Anarchismus ... verneint die Notwendigkeit umfassender, zentral geführter und

disziplinierter proletarischer Organisationen und damit überlässt er das Proletariat

wehrlos den mächtigen kapitalistischen Organisationen."

(Programm der Kommunistischen Internationale, in: Jane Degras, Hrsg., Band 2,

S. 518)

 

Liberalismus

 

Einer von Proudhons berühmtesten Sätzen ist:

 

" ... das Prinzip der Revolution ... ist Freiheit."

(Pierre-Joseph Proudhon, 'Les confessions d'un révolutionnaire' - Bekenntnisse

eines Revolutionärs - Brüssel 1849, S. 280).

 

... und auch Kropotkin bezeichnet die Freiheit des Individuums als

 

" ... die wertvollste Eroberung."

(Pjotr Kropotkin, 'Der Platz des Anarchismus in der sozialistischen Evolution',

London 1886, S. 14).

 

Deshalb bezeichnen die Anarchisten mitunter ihre Lehre als Liberalismus.

 

Jedoch ist die Freiheit, die Anarchisten fordern, nicht klar definiert. Insbesondere wird

die Tatsache umgangen, dass in einer kapitalistischen Gesellschaft die Freiheit der Ar-

beiterklasse die Beschneidung der Freiheit der Klasse der Kapitalisten beinhaltet. Tat-

sächlich ist die 'Freiheit', die die Anarchisten fordern, die Abschaffung des Staates, da

nach Ansicht der Anarchisten

 

" ... überhaupt kein Staat legitim sein kann."

(Alan Bullock & Stephen Trombley, Hrsg., ebenda, S. 479).

 

Aber dem Marxismus-Leninismus zufolge kann der Sozialismus nicht aufgebaut wer-

den, ohne dass vorher der Staat der Diktatur des Proletariats errichtet worden ist:

 

"Die Revolution wird nicht in der Lage sein, den Widerstand der Bourgeoisie

zu brechen, ihren Sieg zu sichern und zum endgültigen Sieg des Sozialismus

voranzuschreiten, wenn sie nicht in einem bestimmten Stadium ihrer Entwick-

lung ein besonders Organ in Gestalt der Diktatur des Proletariats als ihren

Hauptstützpfeiler hervorbringt."

(Joseph Stalin, 'Grundlagen des Leninismus', in: 'Werke', Band 6, Moskau

1953, S. 112).

 

Individueller Terror

 

Einige, wenn auch nicht alle Anarchisten führen Akte individuellen Terrors aus (wie

Morde, Bombenanschläge, Entführungen usw.),

 

" ... von denen irrtümlicherweise angenommen wurde, dass sie die Menschen

aufrütteln würden, um dann ihre eigene Befreiung durchzuführen. ... Einige,

meist isolierte Individuen gingen zu der Praxis über, symbolische Figuren zu

ermorden, um die Aufmerksamkeit auf die Ungerechtigkeiten zu lenken. In

den 90iger Jahren des 19.Jahrhunderts waren ein französischer Präsident,

ein Präsident der Vereinigten Staaten, eine Kaiserin von Österreich sowie

ein spanischer Premierminister die Opfer."

(George Woodcock, 'Anarchismus. Eine historische Einführung', in: George

Woodcock, Hrsg., 'Anarchistisches Lesebuch', London 1977, S. 43).

 

Kropotkin schreibt zum Beispiel:

 

"Vielleicht könnte gesagt werden ...:'Welches Recht haben Sie, ... einen Ty-

rannen zu töten? Perowskaja (Sophia Perowskaja, 1853-81, russische Anar-

chistin - Verf.) und ihre Genossen töteten den russischen Zaren. Und die ge-

samte Menschheit ... anerkannte ihr Recht, dies zu tun."

(Pjotr Kropotkin, 'Anarchistische Moral', in: Roger N. Baldwin, 'Kropotkins

revolutionäre Streitschriften', New York 1927, S. 99f).

 

Bakunins Begeisterung für die 'Propaganda der Tat'

 

" ... überschwemmte um die Jahrhundertwende Europa und Amerika. ... So-

gar Malatesta, Kropotkin und Emma Goldmann fanden den Gedanken ver-

führerisch, dass durch die Ermordung der Reichen und Mächtigen eine Ar-

beiterrevolte ausgelöst werden könnte."

(Alan Bullock & Stephen Trombley, Hrsg., ebenda, S. 30).

 

Tatsächlich umfassen Anschläge, die

 

" ... Anarchisten zugeschrieben werden, den Mordversuch an dem deut-

schen Kaiser Wilhelm I im Jahre 1878, den versuchten Mord an der deut-

schen Prinzessin 1883, die Tötung des französischen Präsidenten Sadi

Carnot 1894, die der Kaiserin Elisabeth von Österreich 1898, von Humbert I

von Italien 1900 sowie von US-Präsident McKinley im Jahre 1901."

(Encyclopedia Americana, Band 1, New York 1977, S. 778).

 

Im Unterschied dazu verurteilte die Kommunistische Internationale

 

" ... entschieden den individuellen Terror. Wenn sie diese Methode des Kampfes

zurückweist, dann lässt sie sich allein von den Prinzipien revolutionärer Zweck-

mäßigkeit leiten. Dies hat nichts zu tun mit der kleinbürgerliche Einstellung

zur Anwendung revolutionärer Gewalt. ...Die Kommunisten lehnen die Anwen-

von individuellem Terror ab, da individuelle Akte, die an die Stelle des Massen-

kampfes treten sollen, nur geeignet sein können, unsere Bewegung zu demoralisie-

ren, unsere Kräfte zu zersplittern und unsere Schlagkraft zu verringern."

(Thesen zu den aktuellen Fragen der internationalen kommunistischen Bewe-

ung, 6. EKKI-Plenum (EKKI = Exekutivkomitee der Kommunistischen Interna-

tionale - Übers.), in: Jane Degras, Hrsg., ebenda, Band 2, S. 257).

 

Der Kampf in der Intenationalen Bewegung

 

Nach Lenins Worten verstehen Marxisten-Leninisten, dass,

 

" ... nachdem das Proletariat die politische Macht erobert hat, es den alten

Staatsapparat voll und ganz zerstören muss, um ihn durch einen neuen zu

ersetzen, der aus der Organisation der bewaffneten Arbeiter besteht. ... Die

Anarchisten ... lehnen es ab, dass das revolutionäre Proletariat von seiner

staatlichen Macht, seiner revolutionären Diktatur Gebrauch machen sollte."

(Wladimir I. Lenin, 'Staat und Revolution. Die marxistische Lehre vom Staat

und die Aufgaben des Proletariats in der Revolution', in: Gesammelte Werke,

Band 7, London 1946, S. 106).

 

Deshalb besteht ein unversöhnlicher Gegensatz zwischen diesem marxistischen

Ziel, einen Staat der Macht der Arbeiterklasse zu errichten und dem Ziel der Anarchis-

ten, jeden Staat abzuschaffen, einschließlich den der Diktatur des Proletariats:

 

"Die Anarchisten sind tatsächliche Gegner des Marxismus. Demensprechend ...

muss auch ein echter Kampf gegen solche tatsächlichen Gegner geführt werden."

(Joseph W. Stalin, ebenda, S. 299).

 

Die 'Internationale Arbeiterassoziation' (die Erste Internationale)

 

" ... wurde 1864 von Gewerkschaftern gegründet ..., um eine Zentrale für die

Einheit und die Zusammenarbeit zwischen den Arbeiterverbänden, die bereits

in den verschiedenen Ländern bestehen und die für das gleiche Ziel, nämlich

für den Schutz, den Aufstieg und die vollständige Befreiung der Arbeiterklasse

eintreten, zu schaffen."

(Statuten der Internationalen Arbeiterassoziation, in: Paul Thomas, ebenda,

S. 255).

 

Die jährlichen Kongresse der Internationale wurden dann

 

" ... zu Schlachten zwischen Marx und Bakunin, der die italienischen, spani-

schen und französisch-schweizerischen Abteilungen anführte", ...

(George Woodcock, Hrsg., ebenda, S. 41).

 

... da Marx

 

" ... diesen anarchistischen Unsinn vom ersten Tag, an dem er ... von Bakunin

vorgebracht worden war, zurückwies. Die gesamte Geschichte der Internationa-

len Arbeiterassoziation legt Zeugnis davon ab. Von 1867 an versuchten die Anar-

chisten mit Hilfe der niederträchtigsten Methoden, die Führung der Internationale

zu erobern. Ihr Haupthindernis, das ihnen im Weg stand, war Marx."

(Friedrich Engels, Brief an Philipp van Patten, 18. April 1883, in. Karl Marx &

Friedrich Engels, ebenda, S. 268).

 

Das Ergebnis des fünfjährigen Kampfes war

 

" ... der Ausschluss der Anarchisten aus der Internationale auf dem Haager Kon-

gress im September 1872 und der Mann, der am meiten für diesen Ausschluss

getan hatte, war Marx."

(Friedrich Engels, 'Aus Anlass des Todes von Karl Marx', in: Karl Marx, Friedrich

Engels & Wladimir I. Leniin, 'Anarchismus und Anarcho-Syndikalismus', Moskau

1977, S. 172).

 

Der Kampf ging in den frühen Jahren der Kommunistischen Internationale (gemeint: die

Dritte Internationale - Übers.) weiter. Wie Lenin in seinem Brief an die Kommunistische

Partei Deutschlands im August 1921 schrieb:

 

"Solange wie die kommunistischen Parteien noch nicht genügend stark, erfahren

und einflussreich sind, müssen wir - zumindest in den Hauptländern - halbanarchis-

tische Kräfte auf unseren internationalen Kongressen tolerieren und bis zu einem

bestimmten Grad ist es sogar nützlich, dies zu tun. Es ist nützlich, weil diese Kräfte

für unerfahrene Kommunisten als 'schlechtes Beispiel' dienen und auch insofern als

sie selbst noch etwas dazulernen können. Überall auf der Welt spaltet sich der Anar-

chismus ... in zwei Richtungen auf: ... eine davon ist für die Diktatur des Proletariats

und die andere dagegen. Wir müssen diesem Prozess der Auflösung unter den

Anarchisten gestatten auszureifen. ... Es versteht sich jedoch von selbst, dass

diese halbanarchistischen Kräfte nur innerhalb bestimmter Grenzen toleriert werden

können. In Deutschland haben wir sie über eine recht lange Zeit hinweg geduldet.

Der 3. Kongress der Kommunistischen Internationale hat ihnen ein Ultimatum unter-

breitet. ... Wenn sie sich jetzt freiwillig aus der Kommunistischen Internationale zu-

rückgezogen haben, um so besser. ... Sie haben uns die Mühe erspart, sie auszu-

schließen."

(Wladimir I. Lenin, 'Brief an die deutschen Kommunisten', in: Ausgewählte Werke',

Band 10, London 1946, S. 291).

 

In jüngster Zeit, besonders in den sechziger und siebziger Jahren wurden kleinere anar-

chistische Gruppen in einer Reihe von Ländern aktiv:

 

"Mehr oder weniger zur gleichen Zeit entwickelte sich die 'Vereinigte Rote Armee'

in Japan aus der Studentenorganisation 'Zenga Kuren'; die 'Amerikanischen Studen-

ten für eine Demokratische Gesellschaft' (SDS) brachten die 'Weathermen' hervor

und einige deutsche Studenten ... gründeten die 'Rote Armee Fraktion' (RAF). ...

Es gab in anderen Ländern solche Gruppen wie in Italien (die 'Roten Brigaden') und

in sehr viel geringerem Umfang auch in Großbritannien ('Angry Brigade'), Frankreich

('Action Direct'), Belgien ('Kämpfende Kommunistische Zellen') ... und in der Türkei

ähnliche Gruppierungen."

(Walter Laqueur, 'Das Zeitalter des Terrorismus', London 1987, S. 236).

 

 

Schlussfolgerung

 

 

Weil der Anarchismus die Prinzipien des wissenschaftlichen Sozialismus, des

Marxismus-Leninismus, ablehnt, kann er im Kampf für den Sozialismus nur eine

negative, reaktionäre und spalterische Rolle spielen.

 

Dies wird gut illustriert durch die Aktivitäten der (anarchistischen) Makhno-Bewe-

ung in Russland nach der Sozialistischen Revolution vom November 1917. Sie wur-

de von dem ukrainischen Anarchisten Nestor Makhno (1899-1934) geführt und be-

kämpfte von 1918 bis 1921

 

" ... ununterbrochen die Rote Armee" ...

(Daniel & Gabriel Cohn-Bendit, 'Veralteter Kommunismus. Die linke Alterna-

tive', London 1968, S. 220).

bis

 

" ... zum Sommer 1921, als sie von der Roten Armee schließlich zerschlagen

wurde."

(Ebenda).

 

In dem Manifest der Aufständischen Makhno-Armee hieß es, dass es das Ziel der

Bewegung sei, den Sowjetstaat abzuschaffen:

 

"Nur durch den Sturz aller Regierungen, jedes Vertreters einer Autorität,

durch die Zerstörung sämtlicher politischer, ökonomischer und autoritärer

Lügen, egal wo sie zu finden sind, durch die Zerstörung des Staates ... kön-

nen wir zum Sozialismus ... voranschreiten."

(Manifest der Aufständischen Makhno-Armee, in: Daniel & Gabriel Cohn-

Bendit, ebenda, S. 222).

 

Im August 1921

 

" ... musste sich Makhno ... den rumänischen Behörden ergeben."

(Große Sowjetenzyklopädie, Band 15, New York 1974, S. 344).

 

Der Anarchismus stellt deshalb eine reaktionäre, antisozialistische Strömung

dar. Er ist

 

" ... eine Widerspiegelung des kleinbürgerlichen Protestes gegen die Ent-

wicklung der ausgedehnten kapitalistischen Produktion, die dahin tendiert,

das Kleinbürgertum zu ruinieren, gegen das ausbeuterische Wesen des

Staates, der die Interessen des großen Kapitals schützt."

(Vorwort zu: Karl Marx, Friedrich Engels & Wladimir I. Lenin, ebenda,

S. 7).

 

Und Engels beschreibt ihn als die Verkörperung des

 

" ... angeblich 'großen' Mannes, der auf billige Art und Weise eine wichtige

Rolle spielen möchte. Es scheint, als ob der Anarchismus speziell dazu ge-

schaffen wurde, diesen Zweck zu erfüllen."

(Friedrich Engels, Brief an Johann Becker, 16. Dezember 1882, in: Karl

Marx, Friedrich Engels & Wladimir I. Lenin, ebenda, S. 170).

 

 

Bibliografie

 

 

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Encyclopedia Americana

Great Soviet Encyclopedia

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