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Holger Strohm, Hrsg.

Umweltschutz in der VR China

Inhalt

Einleitung von Sylvia Rogge

China im Wandel

Gesundheit

Barfußärtze

Akupunktur

George Wald: Akupunktur und Schmerzbehandlung

Geisteskrankheiten in China

Arbeitsschutz

Geburtenplanung

Soziale Organisationen

Wiederaufforstung

Wasserregulierung

Kultivierung von Wüsten

Terassenbau

Landwirtschaft in China

Schädlingsbekämpfung

Unterschiede zwischen Stadt und Land

Umweltschutz in der Stadt

Die Rolle der Wissenschaft in der VR China

Umweltplanung

K. William Kapp: Umweltschutz in China

Wiederverwertung von Rohstoffen

Wasserverschmutzung

Luftverschmutzung

Energieversorgung und Rohstoffverbrauch

Verkehr

Umweltschutz und Politik

Chou En-lai: Umweltschutz als kollektive Aufgabe

Literatur (in Arbeit)

Bibliographie (in Arbeit)

EINLEITUNG

In der Bundesrepublik Deutschland heißt das Wunderrezept des Umweltschutzes Verursacherprinzip.

Hierbei handelt es sich um ein rechnerisches Prinzip , daß über Preise abgewälzt und somit der Gesellschaft übertragen wird. In der politischen Praxis heißt es zwar: „Die Kosten der Umweltbelastung hat grundsätzlich der Verursacher zu tragen!" andererseits heißt es aber im Umweltprogramm „Härten für die betroffenen Unternehmen sind durch staatliche Maßnahmen zu mildern". Dies wiederum bedeutet aber nichts anderes, als daß verschmutzende Firmen von gesetzlichen Auflagen wegen schlechter Ertragslage usw. befreit werden. Mit anderen Worten: der Umweltschutz in der BRD wird von Industrie und Politikern gleichermaßen unterlaufen. Die Industrie droht mit Abwanderung, sabotiert Gesetzesvorschläge und übt ihren Einfluß sogar bis in die Schulen aus, um schlichte Informationen zu behindern. Aber selbst staatliche Eingriffe können nichts daran ändern, weil sie einmal von den Interessen des Kapitals abhängen und andererseits den Gesetzen des Marktes unterworfen sind. Man glaubt der sich denaturierenden Umwelt mit freundlichen Hinweisen auf die Selbstreinigung der Natur oder auf die natürlichen Mechanismen der freien Marktwirtschaft begegnen zu können, die kurz oder lang mit jeder Krise fertig werden, wenn man nur der unternehmerischen Initiative genügend Raum lasse.

Anders dagegen in China, einem Land, das bis vor wenigen Jahrzehnten ständig wiederkehrende Hungersnöte, Seuchen, Naturkatastrophen, Analphabetismus, Korruption und Erniedrigungen über sich ergehen lassen mußte. Im heutigen China sind 800 Millionen Chinesen ausreichend genährt, gekleidet, ärztlich versorgt und gebildet. Und China scheint das Land zu sein, das seine Umweltprobleme besser als jedes andere Land in der Welt in Angriff genommen hat. Es wäre übertrieben, wenn man behaupten würde, daß alle Probleme gelöst wären und es keine Umweltverschmutzung mehr gäbe, auch können keine Garantien für die Zukunft gegeben werden. Aber die bisher erreichten Verbesserungen, die Tatsache, daß das Problem früh erkannt und angepackt wurde, und vor allem, weil Umweltschutz in seinem ökonomischen und gesell­schaftlichen Zusammenhang verstanden und angegangen wird, erweckt die Hoffnung, daß China auf dem Wege ist, auch weitere Herausforderungen zu meistern.

Dies scheint vor allen Dingen auch das Werk Mao Tse-tungs zu sein, der von Anfang an eine Umweltethik vertreten hat. Bereits 1956 vertrat er das Prinzip der „vielseitigen Anwendung", „Abfälle in Reichtümer zu verwandeln", das Prinzip der Dezentralisierung und andere Ideen, die seine Besorgnis für die Umwelt widerspiegelten. Aber eine große Gruppe russisch und amerikanisch beeinflußter Industriemanager und -planer bekämpften Maos Haltung und strebten eine Entwicklungspolitik nach kapitalistischem Muster an. Der Gewinn sollte entscheidend sein für das, was man produzierte und eine Abfallverwertung hielt man für viel zu kostspielig. Auch sollten die Städte zentral ausgebaut und auf Kosten des Landes gefördert werden. In der Landwirt­schaft wollte man das Land an viele Eigentümer aufteilen, was große Gemeinschaftsprojekte wie die Aufforstung, Terrassenanbau, Bewässerungssysteme und Urbarmachung der Wüsten unmöglich gemacht hätte. Eine zentrale Lenkung und Steuerung der Industrie sollte Riesenstädte und ihnen angeschlosse­ne Industriezentren schaffen. Alles, was die Industrialisierung hemmen würde, wie z.B. ein effektiver Umweltschutz, sollte nicht berücksichtigt werden.

Die Kulturrevolution beendete den Einfluß dieser zentralistischen Entwick­lungsideen radikal. Umweltschutz wurde, lange bevor dieses Thema z.B. in der BRD modern wurde, auf einer Massenbasis popularisiert. Gemäß den Weisungen des Vorsitzenden Maos wurde die vielseitige Verwendung verwirk­licht, Flüsse und Seen gereinigt, Exkremente zu Dünger verarbeitet, Klärwerke gebaut, Rohstoffe gesammelt usw. Die Wichtigkeit des Umweltschutzes wurde von der chinesischen Führung unterstrichen, indem man ihre Bekämpfung mit der revolutionären Linie Mao Tse-tungs in Zusammenhang brachte. Und Sparsamkeit, mehrfache Verwendung, Rücksichtnahme auf die örtliche Umwelt, Dezentralisierung der Industrie und ein Abbau der Verstädterung machte Chi­na zu einem Land, dessen Umweltbewußtsein vorbildlich zu sein scheint.

Dies Buch will zeigen, daß ein effektiver Umweltschutz möglich ist, allerdings nur, wenn er von den nötigen politischen Veränderungen begleitet wird. Man­che der chinesischen Lösungen mögen nicht übertragbar sein, andere können wir sicherlich übernehmen. Die Frage ist nur, ob unsere Politiker einen effek­tiven Umweltschutz überhaupt wollen, bzw. ob die Industrie ihn zuläßt, denn technischer Umweltschutz ist inzwischen zu einer profitablen Industrie ge­worden. Es ist die Frage, ob wir uns weiterhin leisten dürfen, in egoistischer Weise die Umwelt zu zerstören und in so bequemer Art die Rohstoffe unserer Nachkommen zu verzehren und ob wir uns weiter einer Wirtschaft ausliefern sollten, die auf Verschwendung eingestellt ist. Der wahre Grund für unsere Umweltprobleme liegt in unserem Wirtschaftssystem. Und technischer Um­weltschutz im nachhinein kann dies nur verdecken, nicht aber lösen. Die Her­ausforderungen der Zukunft sind so nicht zu meistern.

Der US-Nobelpreisträger George Wald sagte auf dem internationalen Kongreß „Grenzen der Medizin" in Davos über die Umweltprobleme: "Ich bin über­zeugt, daß wir eine Reorganisation unserer Gesellschaft brauchen, eine tief­greifende Reorganisation, eine Umkehr. Umkehren heißt soviel wie umdre­hen, revolvieren - das klingt nach Revolution. Es weckt sofort Gedanken an Gewalt. Ich bin gegen die Gewalt. Ich hoffte bis vor kurzem - aber ich verlie­re diese Hoffnung allmählich - daß ein demokratisches Land, wie es die USA angeblich sind, über seine Revolution abstimmen würde. Aber die Werkzeuge, um das zu tun, werden immer stumpfer. Bei der Reorganisation unserer Ge­sellschaft, wie ich sie mir vorstelle, wäre allerdings die wichtigste Reise nicht eine Reise zum Mond, sondern eine Reise nach China, um die Lösungen auf der politischen Ebene zu suchen. Die Lösung kann nur in der Form von poli­tischer Macht gefunden werden, politischer Macht gehandhabt von Menschen, die ihr Leben wieder selber in die Hand nehmen wollen." zurück zum Inhalt

CHINA IM WANDEL:

Während der letzten Jahre ist die Umweltzerstörung immer mehr zu einem weltweiten Problem geworden. Als wichtigste Ursache werden die Überbevöl­kerung, die Industrialisierung und die moderne Technologie genannt, während die Produktionsverhältnisse und die sozialen Gegebenheiten vollkommen ignor­iert werden. Aber anscheinend hat China, das doch eine große Bevölkerung hat und jetzt stark industrialisiert wird, seine Umweltprobleme besser als je­des andere Land gelöst. Sollte das vielleicht doch etwas mit den politischen Verhältnissen in China zu tun haben?

Natürlich gibt es in China noch Umweltprobleme. China ist kein ökologisches Paradies. Bedauerlicherweise unternimmt China nach der Machtübernahme Huas auch wieder Atombombenversuche, die die Biosphäre radioaktiv verseu­chen. Außerdem werden Kunstdünger und Pestizide eingesetzt 1), 2), 3), und es ist bekannt geworden, daß China sogar den Erwerb von Überschallpassagier­maschinen erwägt 4).

Aber zumindest ist man sich in China der Umweltproblematik bewußt, und de Bevölkerung ist dazu aufgefordert, neue Methoden zu entwickeln, um die Umweltbelastung zu beseitigen.

Dabei hatte China eine schwierige Ausgangslage. Ähnlich wie in Indien stand es 1949 vor einem fast zerstörten Land und hatte eine große Bevölkerung zu ernähren. Hungernde Bauern arbeiteten als Tagelöhner für Großgrundherren. Massenarbeitslosigkeit, Analphabetentum und ein verheerender Gesundheits­zustand in der Bevölkerung waren ein geläufiges Bild.

Jahrhundertelang waren die Wälder Chinas geschlagen worden, ohne ausrei­chend Bäume nachzupflanzen. Als Folge traten überall im Lande schwere Ero­sionen auf. In den nördlichen und nordwestlichen Gebieten Chinas drangen die Sanddünen Jahr für Jahr immer weiter auf fruchtbares Ackerland vor, ohne daß irgendwelche Gegenmaßnahmen ergriffen wurden. Jahrtausende alte Bewässerungssysteme wurden nicht gewartet und waren zum größten Teil un­brauchbar geworden. Die großen Flüsse Chinas überschwemmten regelmäßig ausgedehnte Gebiete und vernichteten die Ernten. Ebenso regelmäßig traten Naturkatastrophen auf: Dürren oder Insekten, die den größten Teil der Ernte zerstörten. Danach folgten Hungerkatastrophen und Massenepidemien. Wenn dann die Not zu groß wurde, erhoben sich die Bauern zu Aufständen, um sich aus ihrer mißlichen Lage zu befreien und wurden dann von Polizei und Solda­ten im Auftrag der Oberschicht brutal abgeschlachtet. 5)

Nach dem Opiumkrieg um 1860 mußte China sich dem westlichen Imperialis­mus beugen, und die Lage verschlimmerte sich noch weiter. Große ausländische Firmen wurden errichtet, die die Umwelt mit ihren Schadstoffen belasteten. Die armen Bauern zogen in die Großstadtslums, um Arbeit zu bekommen. Da die notwendigsten sanitären Anlagen fehlten, waren ständige Epidemien die Folge. Die billigsten Arbeitskräfte, Frauen und Kinder, wurden in den Fabri­ken eingestellt. Der Arbeitsschutz war katastrophal und verschlechterte sich mit den Jahrzehnten ständig. So schrieb W. Burchett über Rewi Alley, einen Neuseeländer; der 1932 Oberfabrikinspektor der Shanghaier Stadtverwaltung war:„Rewi war empört über die Bedingungen, unter denen halbwüchsige Kna­ben über offenen Chrom-Bottichen in der Chromgalvanisierungsindustrie arbei­ten mußten. Abzüge, die die giftigen Dämpfe hätten absaugen können, gab es nicht. Es waren entsetzliche Zustände: Chromlöcher in ihren Nasenflügeln, ihr ganzer Körper mit Chromgeschwüren bedeckt, das Gift fraß sich in ihre Fin­gerknochen und zwischen ihren Zehen ein. Sie waren wandelnde Skelette, die neben den Bottichen und Maschinen schliefen, weil sie keine Bleibe hatten." 6),S.213

In der Bevölkerung herrschte ein katastrophaler Gesundheitszustand, der durch den Ärztemangel noch weiter verschlechtert wurde. Aus diesen verheerenden Umständen erwuchs das Prinzip der Präventivmedizin und des Umweltschutzes als notwendige Folgerung, als sich die Volksrepublik China entwickelte.

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GESUNDHEIT:

Die medizinische Heilkunst in China hat eine 4.000 Jahre alte Tradition. Be­reits 300 v. Chr. wurde in einem medizinischen Lehrbuch von Nei Jing auf die Wichtigkeit der Präventivmedizin hingewiesen. Bereits 1.200 v. Chr. wurden in China die ersten Schutzimpfungen gegen Pocken vorgenommen, und 500 v. Chr. gründete man das erste Epidemiekrankenhaus und die erste medizinische Universität in Peking. Dort wurden mehrere hundert Studenten in Chirurgie, Akupunktur und in allgemeiner Medizin unterrichtet. Auch die Behandlung mit Heilkräutern kann in China auf eine lange Tradition zurückblicken. Ob­gleich also seit langem genügend Wissen vorhanden war, waren die Gesundheits­bedingungen in China vor der Revolution denkbar schlecht. Georg Hatem, ein amerikanischer Arzt, kam 1933 nach Shanghai. Er wollte, bevor er in die Staa­ten zurückkehrte, noch tropische Medizin in China studieren. Er schrieb: „Ich war entsetzt über die Zustände in China. Nichts von dem, was ich gelesen hatte, hatte mich auf das vorbereitet, was ich vorfand. Wohin man sah, waren Armut und Krankheiten. Ein Arzt war hier machtlos. Man konnte Diagnosen stellen, Rezepte ausschreiben, aber die Menschen, denen man helfen wollte, hatten keine Mittel, um die Medizin zu bezahlen – war es doch schon schwierig genug für sie, dem Hungertode zu entkommen. Und viele Menschen waren nicht ein­mal dazu in der Lage. Ihr Hauptproblem war es, genug zu essen zu haben - Medizin war für sie unerschwinglich." 61, S. 212f.

Daher war es selbstverständlich, daß 1949 nach der Befreiung als erste Maß­nahme etwas gegen den schlechten Gesundheitszustand der Chinesen unter­nommen wurde. Bis 1949 starben jedes Jahr vier Millionen Menschen, und weitere 50 Millionen litten unter Infektionskrankheiten. Viele dieser Kranken lebten so isoliert, daß sie keinen Kontakt zu Ärzten hatten. Schon aus finan­ziellen Gründen schien eine medizinische Behandlung der Gesamtbevölkerung unmöglich. Daher legte Mao Tse-tung den Grundstein für vorbeugende Maßnah­men wie sauberes Trinkwasser, ausreichende und gesunde Nahrung, bessere Wohnungen usw. Als weitere Maßnahmen wurden massive Anstrengungen unternommen, um Volkskrankheiten wie Syphilis, Gonorrhö, Malaria, Silikose usw. auszurotten.

Die Volksrepublik China mußte anfangs mit einer Syphilisrate von 20% unter den Kuomintang-Truppen (der Armee Tschiang Kai-scheks) fertig werden, die die Krankheit wie ein Steppenfeuer in jeder Stadt und in jedem Dorf ver­breiteten. Die Statistiken zeigten, daß das Auftreten der Syphilis in kleinen und ländlichen Städten direkt proportional zur Anzahl der japanischen, ameri­kanischen und Kuomintang-Einheiten und zur Dauer ihres Aufenthaltes wa­ren. Der Prozentsatz war jedoch der höchste (etwa 10%) unter den nationalen Minderheiten, mit schwindelerregenden 48% bei 163.000 in der inneren Mon­golei untersuchten Menschen (wo die traditionelle Gastfreundschaft der Frau­en gegenüber männlichen Besuchern eine Hauptursache war), verglichen mit 5% in den Städten. Eine einzige Injektion Neosalvarsan kostete vor der Befrei­ung einen Hirten der nationalen Minderheiten ein Pferd oder eine Kuh. Die entscheidenden sozialen Bedingungen, unter denen die Syphilis gedieh, waren Armut, Unwissenheit, Analphabetentum und Arbeitslosigkeit, die die Töchter der Armen zur Prostitution zwangen.

Ein Hauptfaktor bei der Behandlung bestand in der Ausschaltung ihrer sozialen und ökonomischen Ursachen. Das Problem der Syphilis mußte von seiner po­litischen Grundlage erklärt werden - als Vermächtnis der alten Gesellschaft. „Unsere Volksregierung will uns helfen, diese Krankheit loszuwerden. Es ist nicht eure Schuld, daß ihr damit behaftet seid, und es ist keine Schande, wenn man sie hat. Wenn ihr eines der Symptome habt - krankhafte Hautverände­rungen, ausfallendes Haar oder Wunden an den Geschlechtsteilen - laßt euch untersuchen. Genossen, wir können die Syphilis nicht in den Sozialismus mit­schleppen." Das war die Linie, die in einer Massenkampagne zur Mitarbeit der Bevölkerung propagiert wurde. Man gab den Menschen damit das Gefühl, daß sie so einen Dienst an der Allgemeinheit leisteten. Und es wirkte Wunder. Während in 75 von 105 Ländern und Staaten ein beträchtlicher Zuwachs der Syphilis verzeichnet wurde, wurden in China in den vier Jahren zwischen 1952 - 55 nur 28 Fälle ansteckender Syphilis festgestellt. 1964 war die An­steckungsrate unter 20 Fällen pro 100 Millionen Menschen, und im heutigen China ist die Syphilis praktisch ausgerottet. Als Vergleich gab es dazu in den USA, wo die Syphilis seit 1957 ständig anwuchs, 1,2 Millionen unbehandelte Fälle. 6). S. 218-220

Diese Behandlungen wurden von Erziehungsmaßnahmen wie Diskussionen, Ausstellungen, Filmen, Theater usw. begleitet. Gleichzeitig wurde gegen die vier Haupterreger von Krankheiten: Fliegen, Mücken, Flöhe und Ratten mobil gemacht. Für die Chinesen galt die Losung, mindestens 20 Fliegen täglich zu töten. Und die vielen hundert Millionen Chinesen überwanden schnell die Flie­genplage. zurück zum Inhalt

BARFUSSÄRZTE:

Ein wesentlicher Anteil an der Bekämpfung der Volkskrankheiten hatte das medizinische Personal der Befreiungsarmee. Fast alle Soldaten hatten medizi­nische Kenntnisse in der Behandlung mit Heilkräutern und in der Akupunktur. Weiterhin wurden durch die systematische Ausbildung von sogenannten Bar­fußärzten wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen. Dennoch bestanden nach der Revolution immense Schwierigkeiten auf dem medizinischen Sektor. Der notorisch schlechte Gesundheitszustand wurde durch einen großen Ärzteman­gel verstärkt, und in einem Land mit ca. 800 Millionen Menschen ist es sehr schwer, das nötige Ausmaß an örtlicher Gesundheitsversorgung zu erreichen.

Ein wesentlicher Schritt zur Verwirklichung dieses Zieles waren die Barfußärzte. Sie haben ihren Namen bekommen, weil sie weiß bekittelt oder gekleidet ständig Sandalen oder Leinenschuhe tragen. Sie arbeiten mit anderen Mitglie­dern der Kommune zum Teil auf den Feldern und zum anderen untersuchen sie die Mitglieder der Kommunen auf ihren Gesundheitszustand und bilden sie in Hygiene aus. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Gesundheitsvorsorge. Alle sind aufgefordert, an der „patriotischen hygienischen Bewegung" teilzu­nehmen. An der großen Sauberkeit der Städte und besonders der Wohnsied­lungen erkennt man, daß die Bevölkerung diesen Appell sehr ernst nimmt. Das zeigt sich auch im Umgang mit Lebensmitteln: Die Verkäuferinnen eines Pe­kinger Lebensmittelgeschäftes bedienen mit weißen Handschuhen. Kunden le­gen ihr Geld in dafür bereitliegende Schalen, in denen sie auch ihr Restgeld durch eine nur dafür zuständige Kassiererin zurückerhalten. Die Verkäuferin selbst kommt mit den Scheinen oder Münzen nicht in Berührung, lediglich mit der Ware, die sie außerdem noch -- wenn sie nicht verpackt ist -- mit Kuchen­gabeln oder entsprechenden Instrumenten in Tüten verpackt. 7)

Die Barfußärzte werden in einem halbjährigen Intensivkurs auf ihre spätere Tätigkeit vorbereitet. Außerdem durchlaufen fast alle von ihnen Fortbildungs­kurse. Sie sind im ständigen Kontakt mit in der Stadt ausgebildeten Ärzten der Kreis- oder Kommuneebene. Mehrmals im Jahr machen sie in der Kreis­stadt Fortbildungskurse mit, und wenn sich in ihrer Gegend eine Krankheit zeigt, werden sie zu besonderen Kursen einberufen, wo sie lernen, mit ihr fertig zu werden. Dasselbe passiert, wenn eine effektivere Methode zur Bekämpfung einer alten Krankheit entdeckt worden ist.

Manche von ihnen werden als Spezialisten auf jeweils einem Gebiet ausgebil­det, das in der betreffenden Gegend ein Problem ist - zum Beispiel Schistoso­miasis, die zwar in den meisten Teilen Chinas ausgerottet ist, aber immer noch existiert, besonders in Gegenden, wo die jährlichen Überschwemmungen noch nicht ausgeschaltet worden sind.

1958 wurde eine große Dezentralisierung des Gesundheitswesens einschließlich der Ausbildung durchgeführt. Aber anscheinend hatte die Maßnahme nicht den entscheidenden Erfolg. Denn am 26. Juni 1965 erfolgte der Aufruf Mao Tse-tungs, der eine radikale Verbesserung der Gesundheitsversorgung auf dem Lande forderte. Er soll gerügt haben: „Das Ministerium für Öffentliche Gesund­heit arbeitet für nur 15% der Bevölkerung des Landes, und von diesen 15% werden vor allem die Herren versorgt. Die breiten Massen der Bauern erhalten keine medizinische Behandlung --- sie haben weder Ärzte noch Arzneien zur Verfügung. Das Ministerium für Öffentliche Gesundheit ist nicht für das Volk da, man sollte es besser umbenennen in Städtisches Gesundheitsministerium für die hohen Herren." 6), S. 217

Im Herbst 1965 verließen über 150.000 Gesundheitsarbeiter die Städte und Hunderttausende folgten in den Jahren darauf. Seitdem sind über drei Millio­nen Barfußärzte ausgebildet worden, die wiederum viele Millionen Menschen ausbildeten. Denn die Barfußärzte tragen ihre medizinischen Kenntnisse bis in die abgelegensten Ortschaften Chinas. Als sehr wichtig betrachtet man vor allen Dingen 'ihre Aufklärungskampagne gegen Seuchen. Als Folge wurde für viele Chinesen das Erkennen und der Umgang mit Seuchen eine Selbstverständlichkeit. Heute befinden sich über 70.000 Krankenhäuser in China. In vielen von ihnen bilden Ärzte Krankenschwestern aus, und viele Krankenschwestern verrichten Arbeiten, die in der B RD nur von Ärzten ausgeführt werden. So ist es z.B. in China üblich, daß erfahrene Krankenschwestern nach einer 6 mona­tigen Spezialausbildung Ärzte bei leichteren Tätigkeiten entlasten. Auf diese Weise sind auch die sozialen Barrieren, wie sie z.B. in unserem Land bestehen, zwischen Ärzten und Krankenhauspersonal in China unbekannt. In jeder Kom­mune gibt es Krankenhäuser, die den größten Teil der anfallenden Probleme selbst lösen können. Um auch entlegene Gebiete medizinisch versorgen zu können, wurden tragbare Ausrüstungen wie Röntgenapparate, tragbare Opera­tionsausrüstungen usw. entwickelt. China ist heute ein Land, das mit eines der besten Gesundheitswesen und eine der gesündesten Bevölkerungen in der Welt besitzt! 8), S. 296 – 304 zurück zum Inhalt

AKUPUNKTUR:

In China legt man viel Wert auf die Verknüpfung traditioneller Behandlungs­methoden mit der modernen Medizin der westlichen Welt. Eines der traditio­nellen Mittel ist die Heilkräuterbehandlung. Für jede Krankheit setzt man eine Vielzahl verschiedener Kräuter ein, um Operationen wie z. B. bei Nierensteinen zu vermeiden.

Ein wesentlicher Beitrag der chinesischen Medizin wurde durch die Akupunk­tur geleistet. Seit über 2.000 Jahren sind etwa 300 Nervenpunkte bekannt, an denen Nadeln angebracht werden können, um eine schmerzlindernde oder be­täubende Wirkung zu verursachen. Bis 1970wurden in der Volksrepublik China über 400.000 chirurgische Eingriffe mit Hilfe der Akupunktur vorgenommen. Heute existieren sogar. Methoden, bei denen durch Akupunktur-Nadeln elektri­sche Reize ausgeübt oder Flüssigkeiten eingespritzt werden. Die Akupunktur wird gegen viele Krankheiten eingesetzt. Unter anderem auch gegen Neurosen, Psychosen oder gegen Taubheit. In Pekings Taubstummenschulen gewinnen 90% der Schüler bereits nach einem Jahr ihr Hörvermögen zurück: Bei der Akupunkturbehandlung wird eine Nadel in die Nähe des Gehörganges und ei­ne weitere auf der Innenseite des Unterarms - ca. 1 1/2 cm tief in die Haut ge­stochen.

Um Ihnen einen Eindruck über die Akupunktur aus der Sicht des Fachmannes zu geben, haben wir Prof. Dr. George Wald (Nobelpreisträger für Medizin und Physiologie) gebeten, uns folgenden Artikel zu schreiben: zurück zum Inhalt

AKUPUNKTUR ZUR SCMERZBEHANDLUNG

Im Januar/Februar 1972 habe ich fünf volle Wochen in der VR China verbracht, in denen ich zahlreiche Gelegenheiten hatte, die Anwendung der Akupunktur und ihre physiologischen (die Lebensvorgänge im Organismus betreffende) Grundlage zu studieren.

Die Akupunktur wird für zwei verschiedene Anwendungsbereiche eingesetzt. Einer von ihnen ist die Akupunktur-Therapie – zur Behandlung von Krankheiten und Schmerzen. In China ist sie Bestandteil der traditionellen Medizin, und sie wird seit mehreren tausend Jahren angewandt. Jedoch sollte man wissen, daß den Patienten im heutigen China bei allen medizinischen Behandlungen die Wahl zwischen der traditionellen chinesischen Behandlung und der westlichen Medizin überlassen wird; und heute wählen viele von ihnen eine Kombination beider Formen. Dennoch weiß ich nichts genaues über diese Form der Akupunktur. Ich habe zwar gesehen, wie Menschen mit ihr behandelt wurden, aber dennoch ist mir der rationelle Hintergrund einer solchen Behandlung unbekannt. Vielmehr vermute ich sogar, daß keine rationellen Gründe in der Form eines klaren physiologischen Beweises für die Akupunktur-Therapie bestehen. Vielleicht ist es eine „ Seelenmedizin“. Aber es besteht kein Zweifel daran, daß diese Methode in China weit verbreitet ist und daß sie funktioniert. Wenn ich den Ausdruck „Seelenmedizin“ gebrauche, liegt mir die Absicht der Verunglimpfung fern, da vieles in unserer westlichen Medizin ebenfalls als „Seelenmedizin“ zu bezeichnen ist.

Man kann sich nach einer Operation wohl kaum etwas wirkungsvolleres als Morphiumspritzen vorstellen. Dennoch hat Dr. Henry K. Beecher, Professor für Anästhesiologie (Lehre von Schmerzbetäubung) an der Harvard-Universität und eine große Autorität in Chirurgie und Anästhesiologie in den USA, vor einigen Jahren mit anderen Wissenschaftlern eine umfangreiche und sorgfältige Studie abgeschlossen. In ihr wurde aufgezeigt, daß über 35% der Patienten auf Injektion mit Salzlösungen genauso reagieren wie auf Morphiumspritzen, vorausgesetzt, daß man ihnen vorher sagte, sie hätten eine Morphiumspritze erhalten. Dieser Vorgang wird als Placeboeffekt (einem echten Arzneimittel nachgebildetes, unwirksames Scheinmittel) bekannt.

Was ich jedoch studiert habe, ist die Akupunktur-Analgesie (Aufhebung der Schmerzempfindung) bei Operationen. In China wurden 1973 über 500.000 Operationen durchgeführt, bei denen die Akupunktur als alleiniges oder hauptsächliches Mittel zur Schmerzlinderung eingesetzt wurde.

Während ich in China war, habe ich an fünf Operationen teilgenommen, bei denen die Schmerzbeseitigung durch Akupunktur geschah: Im Gegensatz zur Akupunktur-Therapie ist dies eine vollkommen neue Methode. Sie wurde von 1959 an stetig entwickelt, und die größten Erfolge wurden in den letzten fünf Jahren erzielt.

Bei der Akupunktur-Analgesie sind die Nadeln laufend in Bewegung, indem sie von Krankenschwestern gedreht werden, oder sie werden mit niedrigen Stromimpulsen aktiviert, wenn nicht genügend Personal vorhanden ist. Die Chinesen behaupten, daß 90% aller Fälle erfolgreich waren und 65% „ausge­zeichnete Resultate" aufwiesen. Hierunter versteht man, daß sich bei 65% der Patienten mit Hilfe der Akupunktur durch die ganze Operation hindurch wohl fühlten. Bei weiteren 25% wurden zusätzlich Beruhigungsmittel oder schmerzlindernde Mittel eingesetzt, und bei ungefähr 10% wurden vom Chirurg schmerz­betäubende Mittel oder Anästhesie angewandt. (Unter Anästhesie versteht man die Ausschaltung aller Empfindungen; Analgesie ist die Aufhebung der Schmerzempfindung. Die sich bewegenden Nadeln unterdrücken zwar den Schmerz, aber alle anderen Empfindungen bleiben erhalten. Der Patient fühlt den Schneiddruck oder Berührungen, Wärme und Kälte an der Operationsstelle. Da ich, bevor ich die USA verließ, an die Möglichkeit gedacht hatte, daß es sich hier um eine Art der Hypnose handeln könnte, habe ich besonders auf etwaige Anzeichen geachtet. Man erklärte mir jedoch, daß die Anwendungsform der Hypnose auf Grund der Verschiedenartigkeit aller Menschen zu schwierig wäre. Außerdem wird u.a. die Akupunktur-Analgesie auch an neugeborenen Säuglingen durchgeführt. Weiterhin funktioniert die Akupunktur auch in Not­fällen, also ohne besondere Vorbereitungen, wie bei akuten Blinddarmentzün­dungen. Aber was mich am meisten überzeugte, war die Gelegenheit, an einer umfangreichen Operation teilzunehmen, die an einem drei Jahre alten Maul­esel unter Akupunktureinwirkung vorgenommen wurde. Und wiederum zeigte sich die Wirkung der Akupunktur als sehr effektiv.

Die Akupunktur-Analgesie bietet viele Vorteile gegenüber der Arzneimittel ­Anästhesie-Behandlung. Bei der letzteren treten mitunter große Gefahren auf, und sie sind alle, wenn auch unterschiedlich, traumatisch. (Verletzung durch äußere Gewalteinwirkung.) Daher verlangt die Behandlung mit Arzneimittel-Anästhesie große Fähigkeiten und eine umfangreiche Ausbildung. Sie ist.3uch sehr teuer. Die Akupunktur-Anästhesie bietet den Vorteil, daß der Patient während der Operation voll bei Bewußtsein ist und daher mit dem Chirurgen zusammenarbeiten kann. Dies kann ein großer Vorteil sein. So erzählte man mir z.B., daß bei Operationen zur Beseitigung von Schilddrüsen-Wucherungen der Chirurg besonders vorsichtig sein muß, damit er nicht die Stimmbänder verletzt. Während einer solchen Operation unterhält sich der Chirurg laufend mit dem Patienten. Auf diese Weise weiß er immer, wo sich die Stimmbänder befinden. Ähnlich verhält es sich bei einer offenen Brustoperation, bei der der Chirurg den Patienten bitten kann, Bauchatmungen durchzuführen.

Die weiteren Vorteile liegen in der Ausschaltung der giftigen Nebenwirkung klassischer Betäubungsmittel und einer Verringerung der Blutungen, da der Patient während der Operation bei vollem Bewußtsein ist.

Die Akupunktur-Analgesie hat im Gegensatz zur Akupunktur-Therapie eine physiologische Basis, die immer besser verstanden wird. Dies erklärte man mir im Institut für Physiologie in Shanghai, wo eine ausgezeichnete Basisforschung auf diesem Gebiet durchgeführt wird. Die Vorgänge bei der Akupunktur-Anal­gesie möchte ich hier sehr vereinfacht erklären. Die Schmerzempfindungen werden durch sehr kleine, oft ungeschützte Empfindungs-Nervenfasern des Körpers übertragen. Durch die sich bewegenden Nadeln oder durch die elektri­sche Stimulation werden größere Empfindungs-Nervenfasern angeregt, die die Nervenimpulse viel schneller weiterleiten und die in den verschiedenen Ebenen des Zentralnervensystems die Impulse der Schmerzfasern unterdrücken. In dem Shanghai Laboratorium waren Prof. Hsiang-tung Tschang und seine Mitar­beiter in der Lage, die Vorgänge direkt durch Messungen der Stromintensitäten im Thalamus (graue Kernmasse des Zwischenhirns) nachzuweisen. Der Thala­mus ist der Teil des Gehirns, der als erster Sinnesimpulse empfängt und somit auch Schmerzempfindungen, die jeweils mit und ohne Akupunktur-Analgesie gemessen wurden.

Ich glaube, daß von den zwei Akupunkturarten die Akupunktur-Therapie noch sorgfältige Überprüfung benötigt, da bei ihr die Möglichkeit des Miß­brauchs besteht. Nichtsdestoweniger sollte sie gewissenhaft und fair untersucht werden. Denn es besteht kein Zweifel, daß sie in der Hand erfahrener und ver­antwortungsbewußter Ärzte eine große Hilfe bedeuten kann.

Bei der Akupunktur-Analgesie jedoch bestehen keine Zweifel. Sie funktioniert gut, und ihre grundlegenden Vorgänge beruhen auf der Physiologie des Ner­vensystems, die wir bereits gut verstehen und die wir in Kürze noch besser ver­stehen werden. Außerdem bietet sie beträchtliche Vorteile im Vergleich zu anderen Formen der Schmerzbeseitigung. Ich erwarte, daß die Akupunktur-Analgesie schon bald in der westlichen Welt weit verbreitet sein wird. zurück zum Inhalt

GEISTESKRANKHEITEN IN CHINA:

In China gibt es ca. 20.000 Krankenhausbetten für die Behandlung psychatri­scher Fälle. Peking hat 700 Betten, und diese Betten sind bei weitem nicht alle belegt. Die durchschnittliche Behandlungsdauer betrug z.B. im Shanghaier Hospital für Geisteskranke 70 Tage.

In China sind Fälle von Geisteskrankheiten sehr niedrig. Bei Burchett und Alley findet man folgende Begründung:„Der Grund dafür liegt zum Teil in der unterschiedlichen Einstellung zur Behandlung, aber vor allem darin, daß das sozioökonomische System so geartet ist, daß die Menschen nicht mehr derselben Beanspruchung und demselben Streß ausgesetzt sind, die jenen de­pressiven Typ psychischer Leiden hervorbringen, der im Westen so häufig ist, noch die Art von Widersprüchen, die Schizophrenie entstehen lassen... Die Art von Schizophrenie, die man im Westen findet, hervorgerufen durch den scharfen Gegensatz von dem, was einem als Kind beigebracht wird, was mora­lisch richtig und falsch ist und dem, was man im Leben tun muß, um weiter­zukommen, diese Art von Schizophrenie gibt es bei uns nicht. Nachdem ich hier so viele Jahre gelebt und gearbeitet habe, konnte ich mir im Laufe von Gesprächen mit meiner Schwester nur schwerlich begreiflich machen, welchen Spannungen die Menschen in den kapitalistischen Ländern und besonders in den Vereinigten Staaten ausgesetzt sind. Die Ursache für so viele Ängste - die Katastrophen, die eine Familie bei Krankheit oder Unfall treffen kann; Teen­ager, die Drogen nehmen; Unsicherheit auf den Straßen und in den Parks; sexuelle Zwangsvorstellungen - existieren in China einfach nicht. Und das kommt durch die kollektive oder sozialistische anstatt individualistischer Ein­stellung." 6), S. 220f.

Die Einlieferung der Kranken geschieht fast immer durch Überzeugung seitens der Verwandten, Freunde und Arbeitskollegen. Die Behandlung hat das Ziel, die Menschen so bald wie möglich in ihre normale gewohnte Umgebung zurück­zubringen, zurück zu ihrer Familie oder zum Kollektiv.

Seit ungefähr 1969 sind durch Entwickeln der Vorteile der traditionellen chi­nesischen Medizin neue Heilmethoden gegen Geisteskrankheit erarbeitet wor­den, bei denen die neue Akupunktur-Therapie, chinesische Heilkräuter und geringe Dosen von Megaphen in Anwendung kommen.

Von offizieller chinesischer Seite wurde 1971 angegeben, daß die Heilungs­quoten der Geisteskranken 79,2% betrug, während bei 98,8% eine Besserung festgestellt werden konnte. Darunter waren sogenannte „alte Patienten", die über 20 Jahre lang Anfälle von Geistesstörungen gehabt hatten und viele Male in Krankenhäusern behandelt, aber nicht geheilt wurden. 9) zurück zum Inhalt

ARBEITSSCHUTZ:

Der Arbeitsschutz wurde seit Bestehen der Volksrepublik China auf höchster Ebene mit einer begleitenden wissenschaftlichen Unterstützung betrieben: innerhalb der chinesischen wissenschaftlichen Akademie, im Gesundheitsmini­sterium, im Ministerium für Arbeitsplatz-Schutzforschung, im Industrie-Ent­wicklungsministerium und in den vielen Universitätsfakultäten für Arbeits­schutz. 10) Durch strenge Vorschriften wurden gewisse Berufskrankheiten drastisch reduziert. Am Beispiel der Silikose in den Wolframgruben von Nan­chang soll dies aufgezeigt werden. Vor der Revolution starben viele der Arbei­ter an Staublunge, der Silikose. Nach 1949 startete man energisch ein Pro­gramm, um die Krankheiten zu beseitigen. Man baute mit Hilfe der Arbeiter ein Röhrensystem für Spülwasser und zur Verbesserung der Luftventilation. Durch viele hundert Experimente mit automatischen Spülungen beim Bohren, mit Wasserschirmen, die die Staubbildung nach dem Sprengen zurückhielten usw. wurden große Verbesserungen erreicht.

Heute befinden sich in den Gruben 36 luftdichte Türen, Absaugvorrichtungen usw., so daß der ganze Abbau praktisch staubfrei erfolgt. Der Erfolg war durch­schlagend: seit 1958 ist keiner der 1.400Arbeiter mehr an Silikose erkrankt. 11) Dennoch war und ist aus technischen Problemen nicht immer ein wirksamer Arbeitsschutz möglich. So waren bis zur Kulturrevolution Vergiftungen mit Zinksulfiden, Chlorgas, Schwefelsäure und Chromsäure häufig, und erst mit Einsetzen der Kulturrevolution wurden energische Gegenmaßnahmen ergrif­fen. Durch die politische Schulung der Arbeiter erfolgte ein Verselbständigungsprozeß, bei dem die Arbeiter mehr Arbeitsschutz forderten und ihn gleich­zeitig praktizierten. In Arbeiterzusammenschlüssen schulten und organisierten sie sich und erhoben ihre Forderungen gegenüber dem technischen- und Ver­waltungspersonal, die bis dahin dem Arbeitsschutz wenig Wert beigemessen hatten. In Selbstverwaltung reduzierten sie die Bürokratie und begannen an Lösungen zu arbeiten. Durch Analysen, Kritik und Selbstkritik verbesserten sie den Arbeitsschutz. Gleichzeitig gingen Arbeiter in Schulen und Hochschu­len und sprachen mit den Studenten über ihre Probleme. Ganze Abteilungen der Technischen Hochschulen zogen daraufhin in die Fabriken, um die Proble­me des Arbeitsschutzes zu studieren und sie in praktischer Zusammenarbeit mit den Arbeitern zu lösen.

Seitdem wurden die größten Probleme bewältigt. Zusätzlich gründeten Wissen­schaftler und Arbeiter Forschungsinstitute für Arbeitsschutz und Industrie­hygiene, die in allen Distrikten Niederlassungen haben. Wissenschaftler führen in vielen Fabriken regelmäßig Wasser- und Luftanalysen durch, um die Einhal­tung der Vorschriften zu gewährleisten. Dennoch werden vereinzelt noch krasse Mängel berichtet. So schreibt Dieter Schütt, ein Bewunderer der VR China, in „Der Funke", Nr. 14, „Reise in ein menschliches Land" S. 39: „Als negativ empfanden wir den immensen Lärm der Webstühle in einer Sianer Textilfabrik. Die Arbeiterinnen und Arbeiter hatten keinen Ohrenschutz­. Man konnte selbst bei Schreien sein eigenes Wort kaum verstehen. Wer in dieser Halle 8 Stunden arbeitet, muß nach einiger Zeit erhebliche gesundheitliche Schäden davon tragen.“

Durch die Zusammenarbeit von Arbeitern und Wissenschaftlern wurden er­staunliche Fortschritte gemacht. Häufig wurden die Produktionsbedingungen so verändert, daß keine Umweltgefährdung oder Gefahren für den Arbeiter mehr auftraten. In einer Fabrik von Shenyang, die zur Außenbehandlung von Metallen Zyanide verwandte, waten Arbeiter erkrankt. Daraufhin begann man, das Zyanid durch Ammoniumchlorid und einige andere Chemikalien auszutau­schen, so daß jetzt keine Gesundheitsgefahren mehr für die Arbeiter bestehen. 5),S.24-28

Auch begibt sich mehr und mehr medizinisches Personal in die Fabriken, um die Probleme praktisch anzugehen. Hierzu sollen Auszüge aus einem Bericht des Revolutionskomitees der Stadt Djilin zur Veranschaulichung wiedergege­ben werden: Zum Schutz der Gesundheit der in der Chemieindustriezone der Stadt Djilin beschäftigten Arbeiter hat das Revolutionskomitee des Kranken­hauses medizinisches Personal in großer Zahl in die Fabriken und Werkhallen entsandt, um dort vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, bzw. an Berufskrank­heiten leidende Arbeiter zu behandeln. Das medizinische Personal ißt, wohnt und arbeitet zusammen mit den Arbeitern; so kann es sich mit den Umstän­den des Befalls von Berufskrankheiten und deren Zusammenhang mit der Pro­duktionsarbeit vertraut machen. Zugleich werden den Arbeitern auch Kennt­nisse über die Vorbeugung gegen Berufskrankheiten und über deren Behand­lung vermittelt, so daß die Arbeiter selbst zur Verhütung solcher Erkrankun­gen mobilisiert werden.

Einige Ärzte, die in der Katalysator-Werkhalle herausfanden, welch schwere Schäden die Nasenschleimhaut der Arbeiter durch das Chrom erleidet, taten sich mit den Arbeitern und Leitungskadern zusammen, bis sie durch wieder­holte Untersuchungen eine Emulsion hergestellt hatten, die dem giftigen Ein­fluß des Chroms entgegenwirkt. Auf Grund von einfachen Methoden, mit denen die Arbeiter die durch Kontakt mit dem Farbstoff Variaminblau B-Base hervorgerufene Augenentzündung behandelten, stellten andere Ärzte durch Verbindung westlicher und traditioneller chinesischer Medikamente ein neues Heilmittel her, das die Behandlungsdauer bei dieser Augenkrankheit verkürzt. Auf dieselbe Weise hat das medizinische Personal auch Medikamente gegen Be­rufskrankheiten erarbeitet, darunter Pillen gegen chronische Quecksilberver­giftung und eine Flüssigkeit gegen Kontaktdermatitis, wodurch die Heilwirkung gesteigert wird.

Gegenwärtig kümmern sich die Arbeiter in der erwähnten Chemieindustriezone aufs sorgfältigste um die Instandhaltung der Produktionsausrüstung, damit möglichst keine Giftstoffe entweichen. Durch eine rechtzeitige Beseitigung des Abfalls werden die Konzentrationen der Giftstoffe in der Luft herabge­setzt. Zur Zeit sind die mit Prophylaxe und Behandlung der Berufskrankheiten beschäftigten Ärzte dabei, zusammen mit den Arbeitern allseitig die Verseu­chung der Luft und des Wassers durch Abwässer, Abgase und Abfälle der in­dustriellen Produktion und die sich daraus ergebenden Einwirkungen zu un­tersuchen und verläßliche Daten zu erarbeiten, damit die der Öffentlichkeit erwachsenden Schäden weiter verringert werden können. Damit leisten sie we­sentliches bei Vorbeugung sowie Behandlung der Berufskrankheiten. 12)

Auch in den Betrieben selbst wird viel an vorbeugenden Maßnahmen unter­nommen. In vielen Fabriken gibt es jedes Jahr besonders umfassende und gründliche ärztliche Untersuchungen. Im Krankheitsfall wird man sofort be­handelt und wenn nötig von der Arbeit befreit. Besonders wird auch auf die physiologischen Gegebenheiten bei Frauen Rück­sicht genommen. Schwangere Frauen weist man in den letzten Monaten leich­tere Arbeit zu, und sie können während der Arbeitszeit täglich eine Stunde ruhen. In den Betrieben selbst befinden sich Stillstuben, Kinderkrippen, Kin­dergärten, Gymnastikräume usw. 13) Häufig befinden sich in den Betrieben auch Personen, die speziell Aufklärung und Schulung zur Geburtenplanung betreiben, auf die der Staat besonders großen Wert legt. zurück zum Inhalt

GEBURTENPLANUNG:

Das chinesische Programm zur Familienplanung ist außerordentlich erfolgreich. Hierfür wurden der Bevölkerung fast alle zur Verfügung stehenden Kontrazep­tive angeboten. Als erste Maßnahme wird den Paaren empfohlen, möglichst nicht unter 25 Jahren zu heiraten, damit das Paarungsalter möglichst hoch ist. Im Falie einer unerwünschten Empfängnis ist die Abtreibung frei , aber man versucht, so wenig Abtreibungen wie möglich vorzunehmen. Als populärstes Verhütungsmittel dient die Pille, die heute in China aus 2 mm dicken perfo­rierten Papierschnitzeln besteht. Sie werden in zwei Farben, gelb und weiß je nach Hormongehalt, kostenlos an Paare durch Barfußdoktoren und Beraterin­nen verteilt. Die Chinesen sind die erste Nation, die Pillen mit extrem niedrigen Östrogen- und Norethindronegehalt nach langjährigen Versuchen verwenden. Nach Angaben von verschiedenen Barfußdoktoren verwenden ungefähr 60% der Frauen die Pille Und weitere 10% verschiedene andere Verhütungsmittel. Nach Angaben von Prof. Dajerassi nahmen 1974/75 mehr chinesische Frauen orale Verhütungsmittel als die Frauen irgendeines anderen Staates der Welt. 14)

Von Paaren mit mehr als zwei Kindern wird häufig eine Sterilisation in An­spruch genommen. Die Sterilisation ist besonders bei Frauen mit mehr als zwei Kindern beliebt. Teilweise ist dies auf die staatlichen Erziehungsprogramme und andererseits auf die Stabilität chinesischer Ehen zurückzuführen. Somit entfällt die Sorge und der Wunsch, bei einer Wiederheirat mit dem Partner ein Kind zu bekommen.

Um darzustellen, wie die Erfolge auf dem Gebiet der Familienplanung erzielt wurden, folgt hier ein Abschnitt aus der Zeitschrift „Der Überblick", die von der Arbeitsgemeinschaft der evangelischen Kirchen in Deutschland e.V. her­ausgebracht wird:„ Der Schlüssel zum Problem heißt Erziehung. Alle Grund­sätze müssen von den Massen verstanden und in die Tat umgesetzt werden, und sie müssen im Interesse der Massen liegen.

In diesen beiden Sätzen liegt der Schlüssel zum Verständnis der Familienpla­nung in China. Denn durch ein öffentliches Erziehungsprogramm werden die Menschen angeregt, Geburtenkontrolle freiwillig zu praktizieren und sie als in­tegralen Bestandteil eines Lebens in Gemeinschaft anzusehen. Die besondere Lehre, die das chinesische Experiment enthält, ist, daß Familienplanung weder von Furcht noch von wirtschaftlichem Druck oder Zwang diktiert sein darf; daß sie vielmehr als wesentlich für die persönliche Entfaltung der Frau wie des Mannes empfunden wird.

Die erste Familienplanungs-Kampagne fand 1956 in städtischen Bezirken statt. In den Grünanlagen standen die Menschen Schlange, wenn empfängnisverhüten­de Mittel verteilt wurden. Da kein empfängnisverhütendes Mittel und kein operativer Eingriff etwas kostet, bleibt die Entscheidung jedem Einzelnen über­lassen; darum die große Auswahl von Verhütungsmitteln, und auch Abtreibung,

wenn es verlangt wird. Aber Abtreibung ist keine Lösung. Wir wollen, daß weniger abgetrieben Wird, und daß mehr verhütende Mittel angewandt werden, so eine für Frauenfragen verantwortliche Mitarbeiterin.

Eine junge Arbeiterin, die ich 1966 ansprach, berichtete mir, daß in ihrer Fa­brik jedes heiratswillige Paar in Familienplanung unterwiesen wird. Sie und ihr Verlobter haben bereits entschieden, wieviele Kinder sie haben wollen.

Unter Industriearbeitern in den wachsenden Industriebereichen Chinas gehört Familienplanung als ganz normale Begleiterscheinung zur Ehe. Eine Frau hat Anspruch auf 56 Urlaubstage vor der Entbindung. (Werdende Mütter haben vom zweiten Schwangerschaftsmonat das Recht auf zwei Stunden zum Aus­ruhen während der Arbeitszeit. Der Schwangerschaftsurlaub nach der Entbin­dung beträgt 56 bis 72 Tage. Wenn die Mutter zur Arbeit zurückkehrt, hat sie ein Anrecht, ihr Kind während der Arbeitszeit zu stillen und zu versorgen.) In jeder Fabrik gibt es Säuglings- und Kindertagesstätten, und die Mütter dürfen ihre Kinder während der Arbeitszeit betreuen. Die Säuglingszimmer liegen in unmittelbarer Nähe der Werkstätten, so daß die Frau nur einen Weg von zwei bis drei Minuten bis zu ihrem Kinde hat.

Heute, nach der Kulturrevolution, ist die Familienplanung als nationale Bewe­gung unter einem Rat für Familienplanung, der dem Gesundheitsministerium untersteht, fest organisiert. I n Peking und anderen Städten hat jede Straße ihre Familienplaner. Diese veranstalten Kurse, an denen alle Anwohnerfamilien teilnehmen; diese Lehrgänge laufen über Wochen. Daneben halten die Familien Diskussionsabende unter sich ab. In einer Straße, Kuang An Men, in der etwa 47.000 Menschen leben, wurde der kollektive Beschluß gefaßt, 1973 nicht mehr als 360 Kinder in die Welt zu setzen. Diese allgemeine Übereinstimmung aller Gebärfähigen (etwa 13% der Frauen) in der Straße wurde erzielt, nach­dem jeder Fall einzeln besprochen worden war. Familien mit mehr als zwei bis drei Kindern wurden aufgefordert, zu warten, während in erster Linie junge Paare, die ihr erstes oder zweites Kind haben wollten, berücksichtigt wurden. Die Komitee-Leiterin, eine junge dreißigjährige Arbeiterin mit einem Kind, sagte mir:, Wir werden unserer. Bevölkerungszuwachs in diesem Jahr auf 0;75% drosseln.'

Seit 1972 ist der Erfolg der Werbung für Familienplanung in erster Linie den Frauenkadern in den Verwaltungs- Ausschüssen, die es auf allen Ebenen in dörf­lichen Gebieten gibt, zu verdanken. Diese Frauen sind in mittlerem Alter, ver­heiratet und haben Kinder; und sie praktizieren Familienplanung. Sie sind die ,lebenden Beispiele' dafür, daß Familienplanung funktioniert. In unermüdli­cher Kleinarbeit besuchen sie Familie um Familie und machen Propaganda bei Frauen wie bei Männern. Sie arbeiten mit den medizinischen Angestellten, den ,Barfuß-Doktoren' und den Sozialarbeitern zusammen. Die Frauen haben Vertrauen zu ihnen und akzeptieren sie. Sie bringen Kontrazeptive ins Haus, so daß sich niemand entschuldigen kann, zu viel zu tun' gehabt zu haben, um die Klinik aufzusuchen. Aber jeder Fall ist ein Fall für sich: wir können nichts und niemanden zwingen'. Und so gibt es die Geschichte aus einer Kommune, wo 175 Paare ihre Heirat freiwillig um ein Jahr verschoben, und daneben die einer Frau; die neun Kinder hat, alles Mädchen, und die weitermachen will, bis es ein Junge wird.

Diese Selbstaufopferung vieler Chinesen zugunsten der Allgemeinheit mag für andere Gesellschaften unverständlich sein, aber es sei daran erinnert, daß in China solche Entschlüsse individuell gefaßt und nicht zwangsweise durchgesetzt werden, und man empfindet sie als gute Beispiele', denen es nachzueifern gilt." 15)

Allerdings hört man auch Stimmen aus China, daß die Geburtenkontrolle nur aufgrund der repressiven Sexualmoral möglich ist. Und Fritjof Meyer (China­experte beim „Spiegel") berichtete, daß kurzerhand die Lebensmittelkarten für alle Kinder nach dem zweiten Kind, gestrichen würden. Und somit die Geburtenkontrolle alles andere als freiwillig wäre.

Aber freiwillig oder nicht, eines ist festzustellen, es ist der chinesischen Füh­rung gelungen, die Bevölkerung von der Notwendigkeit der Geburtenplanung zu überzeugen. Denn der Geburtenzuwachs in China ist mittlerweile außeror­dentlich gering. Er sinkt laufend. 1972 betrug er in den Großstädten 10,4 per 1.000 Einwohner. Die bisher niedrigsten Geburtenraten waren bisher in West­berlin 9,7 pro 1.000 (im Jahr 1971) und in Wien 9,6 pro 1.000 (in den 30er Jahren) registriert worden. 16) Für 1974 wurde für China insgesamt ein Zu­wachs von 0,024% angegeben. 17) zurück zum Inhalt

SOZIALE ORGANISATION:

Dieser außerordentliche Erfolg bei der Geburtenplanung ist vor allen Dingen auf das soziale System in China zurückzuführen. Denn selbst die beste Gebur­tenplanung muß angesichts von Elend und Arbeitslosigkeit versagen. Für viele Menschen in den Entwicklungsländern sind Kinder die einzige Gewähr, daß sie im Alter, wenn sie nicht mehr arbeitsfähig sind, nicht zu verhungern brau­chen. Aus diesem Grund ist das chinesische Sozialsystem auch von außeror­dentlichem Interesse.

Die ca. 800 Millionen Chinesen sind in rund 50.000 Kommunen integriert. Das grundlegende Merkmal der chinesischen Wirtschaft ist, daß die Kommunen für ihre Versorgung mit Lebensmitteln und Wohnungen selbstverantwortlich sind. Dadurch wird der Überlandverkehr auf ein Minimum gedrosselt. Jede Kommune verwaltet sich selbst und hat das Bestreben, auch auf dem Gebiet der Wirtschaft möglichst unabhängig zu sein, also alle benötigten Produkte selbst herzustellen.

Auch die Städte verwalten sich oft vollkommen selbständig. Shanghai z.B. ist in 10 Distrikte aufgeteilt und jeder Distrikt wiederum in Straßenkomitees mit 40.000 bis 70.000 Einwohnern. Diese Straßenkomitees regen die Bewohner an, eigene Firmen, Läden, Schulen, Tagesheime usw. zu betreiben und gewäh­ren ihnen die nötige Unterstützung. Zu ihrem weiteren Aufgabenbereich gehö­ren die Verwaltung von Wohnungen, Kinos, Restaurants, Krankenhäusern, Schulen, Erwachsenen- und Freizeitbildung, kulturelle Veranstaltungen, der Sozialhilfe usw.

Die Straßenkomitees organisieren auch die soziale Sicherheit und Sozialver­sicherung. Das Pensionsalter ist für Frauen 50 und für Männer 60 Jahre. Die Pension wird von der Firma bezahlt, in der der Betreffende gearbeitet hat, und sie beträgt je nach Zugehörigkeitsdauer 60 - 70% des höchsten Lohnes. Bei Krankheit erhält der Arbeiter vollen Lohn für 6 Monate und danach 60% seines Lohnes. Die Krankenbehandlung, der Krankenhausaufenthalt und die Medizin sind umsonst. Das Straßenkomitee sorgt auch dafür, daß Invaliden und chronisch Kranke in ihren Wohnungen betreut werden, damit sie nicht aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden und den Kontakt zu Familien­angehörigen und Freunden nicht verlieren. Wenn Kinder oder Kranke in ein Krankenhaus überwiesen werden, so wird es häufig ermöglicht, daß die Mutter oder auch eine Bezugsperson mit ins Krankenhaus kommen kann und dort auch nächtigt. 81 S. 201 - 206

Die Straßenkomitees sind auch für die Betreuung kinderreicher Familien und alleinstehender Menschen zuständig, Für diesen Zweck haben sich Nachbar­schaftskomitees gebildet; die gewisse soziale Funktionen wie Freizeitaktivi­täten, Kindererziehung, Betreuung von Kranken usw. übernehmen. In einigen Städten wie Shanghai übernehmen die Nachbarschaftskomitees mehr und mehr die Funktion der Straßenkomitees- das bedeutet praktisch, daß die Bevölkerung sich mehr und mehr selbstverwaltet. Da somit die Chinesen ihre Zukunft immer mehr selbst bestimmen, sind soziale Bedingungen entstanden, die das bestehen einer sozialen Moral entscheidend förderten. Als Folge tritt praktisch kaum Kriminalität auf. Gelegentlich wird mal ein Fahrrad entwendet, aber da jeder jeden kennt, ist es praktisch unmöglich mit so was davonzukommen. Nach Angaben von Burchett und Alley ist daher auch keine Polizei nötig. Es gäbe eine Volksmiliz, aber keine Polizei, nicht einmal Gerichte oder Gefängnisse in örtlichen Bereichen. Vergehen wie Diebstahl werden auf Mitgliederversammlungen der Brigaden abgehandelt und durch Selbstkritik und Umerziehung innerhalb der Gemeinschaft bereinigt. Bei Mord und schweren Verbrechen, die außerordentlich selten vorkommen, wird der Täter der betreffenden Kreisbehörde zugeführt, die ihn dann verurteilt 6)S. 76-78

Diese Angaben werden allerdings von anderen Berichterstattern angezweifelt, die u.a. Behaupten, daß es auch in China viele politische Häftlinge gäbe. zurück zum Inhalt

WIEDERAUFFORSTUNG

Nach Schätzungen wurden in China während der letzten Jahrhunderte über 275 Millionen Hektar Wald abgeschlagen, ohne daß man wieder aufforstete. Die Schensiprovinz, die heute versteppt ist, war ursprünglich zu 9/10 mit Wald bedeckt. Vor 1949 war China das Land mit dem geringsten Baumbestand in der Welt - ungefähr 10%, während die USA und die UdSSR ca. 30% aufweisen können. Da aber Bäume wichtig für den Grundwasserspiegel sind, die Erosion verhindern, den Wasserhaushalt stabilisieren und allgemein die Umweltbedin­gungen verbessern, forderte Mao Tse-tung 1956 die chinesische Bevölkerung auf: „Bedeckt das Land mit Wald!" Nach Plänen Mao Tse-tungs soll die Hälfte des ursprünglichen Waldareals wieder aufgeforstet werden. In den beiden Jah­ren 1958-59 wurden über 30 Millionen Bäume gepflanzt. Die Wüstengebiete; die sich über Tausende von Quadratkilometern erstrecken, wurden mit einem Wald­gürtel umgeben, um eine weitere Ausdehnung der Wüsten zu verhindern. 181Am Beispiel der Schensiprovinz soll gezeigt werden, mit welchen großen Schwierigkeiten man dabei fertig werden mußte. Anfangs hatte man zur Auf­forstung mit Flugzeugen Baumsamen ausgestreut, aber die Samen wurden zum großen Teil vom Wind weggeblasen. Dann ging man zu Baumschulen über - die übliche Methode bei der Aufforstung -, aber auch da war der Erfolg ge­ring. Erst danach tastete man sich allmählich zur Erfassung der Gesetzmäßig­keiten vor: Anfangs mußte der Sand befeuchtet werden; darauf wurde Gras angepflanzt, um das Wasser zu halten und um den Sand zu befestigen; dann wurden Sträucher gepflanzt und zuletzt Bäume. Bei dieser Methode hielt sich ein großer Teil der Bäume. 19)

Seitdem wurden große Wüstengebiete in Kombination mit Bewässerungspro­jekten aufgeforstet. In der Inneren Mongolei sind seit 1949 über 660.000 Hek­tar Wald angepflanzt worden. 1972 wurden allein in Südchina 880.000 Hektar Wald angelegt Nur 1958 wurde 10 mal mehr Wald angepflanzt als in dem ge­samten Zeitraum von 1911 - 1946. Seit 1958 sind jedes Jahr ungefähr 1,3 Millionen Hektar Land aufgeforstet worden. Dies geschah oft in großen Mas­senkampagnen. In der Provinz Hunan nahmen z.B. 4:300.000 Menschen an ei­ner Großpflanzung im Jahr 1971 teil. 5), S. 33,34Seit der starken Aufforstung ist eine Anhebung des Wasserspiegels in vielen Gebieten erfolgt. Die gefürchteten Stürme, die den Ackerboden ständig ver­ringerten, traten nicht mehr auf, und die Ernten in China steigen von Jahr zu Jahr. Der Nutzen des natürlichen Grüns ist nicht nur in Europa bekannt. Schon heute können viele Teile Chinas als eine einzige grüne Lunge bezeichnet wer­den, denn, ob mitten zwischen den Hochhäusern der Metropole Shanghai, in den Gassen Pekings, den Straßen von Wuxi oder auf früheren Steinbergen, überall wachsen junge Bäume und Pflanzen, reinigen, befeuchten und kühlen die Luft. Sogar in Industriefirmen sieht man mehr Grün als Steine oder Stahl, und die daneben liegenden Arbeitersiedlungen tauchen fast unter in all dem Grün. 20)

Was Umweltschützer aus dem Westen in China tief beeindruckt, ist der hohe Baumbestand in den Großstädten. Bis zu fünf Baumreihen zwischen Häuser­front und Straß e sind keine Seltenheit. Und überall sieht man Neupflanzun­gen. Die Vorgärten und Höfe vieler Wohnhäuser sind als Grünanlage mit Blu­men und Sträuchern angelegt. Durch eine Massenbewegung nach der Mao-Wei­sung „Wir müssen unser Vaterland begrünen" pflanzte die Pekinger Bevölke­rung seit 1949 25 Millionen neue Bäume. In der ländlichen Gegend Pekings sind 80 Millionen Bäume auf zwei Millionen Hektar angepflanzt worden. In Nanking wurden 200.000 Baumalleen angelegt, die 640 km Hauptstraßen in sechs Reihen umgeben. Sie spenden Schatten und Windschutz für Fußgänger und Fahrradfahrer. In den Parks wurden weitere Millionen Bäume angepflanzt, und jedes Jahr werden von Zehntausenden Studenten eine weitere Million hinzugefügt. Das Grün der Städte macht auch nicht vor Fabriktoren halt. Inner­halb vieler Großbetriebe befinden sich lange Baumreihen und kleine Parkanla­gen. In den in dieser Beziehung noch „rückständigen" Betrieben bemüht man sich intensiv um eine Begrünung. Offensichtlich geht die chinesische Umwelt­politik davon aus, daß eine menschenwürdige Umwelt und Lebensqualität nicht nur im Wohn- und Freizeitbereich, sondern auch im Arbeitsbereich not­wendig sind. 7), S. 5; 17), S. 11

Der größte Teil des Waldes wird nicht im Sinne einer forstlichen Produktivität genutzt. In den großen Gebirgen, die auch wieder aufgeforstet werden, befin­den sich Tiger und andere seltene Tiere, die streng geschützt werden. Aber in einigen Gebieten wird auch Nutzholz gepflanzt, um sich z.B. selbst mit Gru­benholz versorgen zu können. Die Fushun Grube in der Provinz Liaoning hält sich für diesen Zweck einen 35.000 Hektar großen Wald.

Chinas süd-östliche Waldprovinz Fukien produziert die größten Holzmengen. 80% des Bodens eignet sich zum Holzanbau. Es werden auch viele Edelhölzer angebaut. Seit 1949 hat die Provinz Fukien China mit 48 Millionen Kubikme­ter Holz und 170 Millionen Bambusstangen versorgt. Nach dem Vielseitigkeits­prinzip stellt man in den Wäldern gleichzeitig hunderte Nebenprodukte her, wie Pilze, medizinische Kräuter, Blaubeeren usw. 5), S. 37, 38 zurück zum Inhalt

WASSERREGULIERUNG:

Die chinesischen Umweltbestrebungen sind oft auf die wirtschaftliche Notlage zurückzuführen. China hat wenig Gebiete, die sich zum Ackerbau ohne große Kapitalinvestitionen eignen. Und fast die Hälfte des kultivierten Landes wurde immer wieder durch Überflutungen oder Dürren bedroht, und so war eine re­gelmäßige landwirtschaftliche Produktion fast unmöglich. Daher ergab sich die Wasserregulierung als notwendige Vorbedingung, um die jährlich wieder­kehrenden Katastrophen zu vermeiden. Teilweise reparierte man alte Dämme und Kanäle oder baute neue Anlagen. Im Chentu-Tal in der Szechuanprovinz wurden 2.000 Jahre alte Bewässerungssysteme wiederhergestellt, und heute werden 466.000 Hektar durch sie bewässert.

Aber man ging nicht nur an die Wiederherstellung alter Bewässerungssysteme sondern versuchte auch neue, bisher ungenutzte Flächen für die Landwirt­schaft zu gewinnen, 1959 ermahnte Mao Tse-tung die Bevölkerung, am Huai­fluß Dämme zu bauen. Die Arbeit dauerte über 10 Jahre, obgleich zeitweise über 2,3 Millionen Menschen teilnahmen. Sie bauten 300 Pumpstationen, tau­sende Deiche und kilometerlange Wälle. Da aber die zwei Millionen Hektar große Fläche aus alkalischem Boden bestand, trug man die obersten Schichten ab, pflügte den verbleibenden Grund bis zu einem Meter durch und mischte ihn mit Natur- und Kunstdünger. Heute erzielt man in diesem Gebiet hohe Ernten.

Der Huaihofluß in der Hupeiprovinz wurde ebenfalls unter Kontrolle gebracht. 17 große Dämme von einer Gesamtlänge von 1.600 km und mehr als tausend Wasserreservoire wurden gebaut. Auf diese Weise wurden 3.300.000 Hektar fruchtbaren Bodens für die Landwirtschaft voll nutzbar gemacht. 5), S. 30,31 Viele Gebiete Chinas, die unter großen Dürren zu leiden hatten, sind heute ausreichend bewässert. Dafür sorgen tausende von elektrischen Pumpstationen. Allerdings besteht bei künstlicher Bewässerung die Gefahr, daß über Jahrzehnte der Boden versalzt. Es ist zu hoffen, daß die Verantwortlichen in China recht­zeitig Gegenmaßnahmen treffen werden.

Mit der Wasserregulierung verfolgt man mehrere Ziele: um die Überschwem­mungen zu verhindern zur Bewässerung, zum Transport, zur Energiegewinnung, zur Fischzucht und hauptsächlich, um neue bisher ungenutzte Flächen für die Landwirtschaft zu gewinnen. Durch kilometerlange Bewässerungskanäle wur­den künstliche Wasserreservoire in Wüsten geschaffen, die der Aufforstung und späteren Kultivierung von Wüstenboden dienten. zurück zum Inhalt

KULTIVIERUNG VON WÜSTEN:

Chinas Wüstengebiete befinden sich größtenteils im Norden und Nordwesten des Landes. Sie beginnen im Osten des autonomen Gebiets Innere Mongolei, erstrecken sich dann westwärts über das autonome Gebiet Ningsia der Hui­Nationalität und die Provinz Kansu bis in den Westen des Uigurischen auto­nomen Gebiets Sinkiang. Auf diesem Gebiet ziehen sich mit einer Gesamt­fläche von über einer Million Quadratkilometer riesige Sand – und Steinwüsten hin.

Von Westen nach Osten findet man die bekannten Wüsten Taklamakan, Kurban- Tungut, Badan Dschiran, Tengri u.a. Die Taklamakan ist mit 320.000 qkm Chinas ausgedehnteste Wüste. Sie weist hohe Sanddünen von komplizier­ter Form auf. Die verhältnismäßig große Windstärke von 6 oder mehr bewirkt, daß Felder und Dörfer von Wanderdünen einfach verschluckt werden. Bis zur Revolution dehnte sich denn auch die Wüste von Jahr zu Jahr aus.

Ab 1949 startete die chinesische Regierung ehrgeizige Programme, um die Wüste zurückzuerobern. Dabei ging man nach folgendem Schema vor:

Als erstes erschloß man Wasserquellen indem hauptsächlich aus Bergen das Wasser in Kanälen in die Wüste geleitet wurde.

Durch die Kanäle werden mitten in der Wüsten Wasserreservoirs angelegt.

Vor der Aufforstung jedoch müssen die Wanderdünen gebändigt werden. Aus Schilf werden wabenartige Quadrate geflochten, die man mit Mutterböden füllt, um Gras und junge Baumpflanzen aufzunehmen.

Erst nach vielen Jahren entsehen dann die Waldschutzstreifen, Vorbedingungen zur Kultivierung des Wüstenbodens in Ackerland.

Mit dieser Methode hatte man trotz vieler Schwierigkeiten außerordentlichen Erfolg. Dies kann an einigen Beispielen aufgezeigt werden: Ab 1949 wurden auf weiten von Sandstürmen heimgesuchten Strecken am Rande einer Anzahl von Wüsten riesige Flächen Schutzwaldstreifenangelegt. In Nordchina erreichte das Schutzwaldnetz eine Länge von rund 1.000 km und eine Breite von 500 km. In dem auf drei Seiten von der Wüste Tengri eingeschlossenen Kreis Minchin in der Provinz Kansu sind seit der Befreiung ca. 40.000 Hektar Baumpflanzun­gen angelegt worden, mit über hundert Waldstreifen in einer Gesamtlänge von mehr als 800 km. 21)

Seit mehr als 20 Jahren flicht man nun in diesem Kreis Zäune aus Schilf, um Wind und Sand abzuhalten. Die Sanddünen werden mit Erde überdeckt und Gras und Bäume daraufgepflanzt. Zwischen 1967 und 1970 hat der Kreis Minchin 34.850 Tonnen Handelsgetreide an den Staat ab­geliefert. Auch die Viehzucht hat sich stark entwickelt.

Noch vor zwanzig Jahren war die Provinz Känsu ein großes Ödland, von der Wüste und dem Hunger beherrscht. Das Gebiet, so groß wie Italien und Holland zusammen, war über 99% unnutzbare Wüste. Doch während der letzten 15 Jahre, seit Beginn des großen Sprunges im Jahre 1958, haben die Anwohner zweimal soviel Land gewonnen, wie es vorher gab und es mit Kanälen und Be­wässerungsanlagen in fruchtbare Felder verwandelt. Sie pflanzten in diesem Zeitraum über 900 Millionen Bäume. Zur Zeit ist ihr Erfolg so groß, daß ihr Lebensstandard über alle Erwartungen hinweg angehoben wurde. Sie haben nicht nur gesicherte Nahrung, und mehr Geld, sondern sie haben auch Schulen, Krankenhäuser, Elektrizität, eine aufblühende Kleinindustrie und sie bauen alle neue Häuser. 22)

Das Turfan-Becken im autonomen Gebiet Sinkiang der Uigurischen Nationali­tät ist seit eh und jeh für seine Hitze und seine Trockenheit bekannt. Die jähr­liche Niederschlagsmenge erreicht dort kaum mehr als 10 mm. Im Sommer werden Temperaturen bis zu 700 C gemessen 23) und daher nennt man das Turfan-Becken auch „Feuerland". Bis zum Jahr 1949 waren Stürme, Sand und Wassermangel die großen Hindernisse bei der Entwicklung der landwirt­schaftlichen Produktion. Um Sandstürmen ein für allemal Einhalt zu gebieten und um Wasserquellen nutzbar zu machen, entsandte der Kreis zunächst eine Untersuchungsgruppe, die bis tief ins Tiänschn-Gebirge vordrang, um sich an Ort und Stelle über Wasserquellen zu informieren. Anschließend wurden viele Menschen beauftragt, das Wasser aus dem Gebirge herzuleiten. Bei 20 0 C un­ter Null wurde während des Winters gearbeitet. Nach sieben Jähren war end­lich der 50 km lange Kanal fertiggestellt. Auf diese Weise wurden vier Haupt-, Bewässerungskanäle angelegt. Gleichzeitig ging man daran, Bewässerungsanla­gen zu bauen, Sanddünen abzutragen, Gräben aufzufüllen und zur Aufforstung Bäume zu pflanzen. Auf diese Weise wurden 6.000 Hektar bewässert. Zwar wurden in den folgenden Jahren die Bewässerungsgräben noch häufig durch Sandstürme zugedeckt, aber heute ist aus dem ehemaligen Nahrungsmangel

ein Nahrungsüberschuß geworden. Neben Weintrauben, Getreide, Baumwolle, Melonen und Obst werden neue Pflanzensorten ausprobiert, und die Produk­tionsentwicklung steigt von Jahr zu Jahr.

In dem Bezirk Pishan in dem autonomen Gebiet Sinkiang, der zwischen der Taklamakan Wüste und der steinigen Gobiwüste liegt, begann die Bevölkerung 1958 mit einem großen Bewässerungsprojekt. In acht Jahren grub man einen 229 km langen Kanal durch die Gobi, der das Schmelzwasser von den Kunlun­bergen herleitete. Danach begann man mit der Baumbepflanzung, die aber durch die Wanderdünen immer wieder begraben wurden. Daraufhin grub die Bevölkerung tiefe Gräben und umgab die Pflanzen mit einem Schutz aus Stangen. Seitdem konnte man die Ackerbaufläche verdoppeln.

In China gibt es zehn Forschungszentren, die der Bevölkerung bei der Kulti­vierung der Wüsten mit wissenschaftlichem Rat behilflich sind. Sie züchten Baum- und Buschsorten, die den Sandboden binden und unter extrem harten Bedingungen gedeihen können. 5), S. 36 Allein in dem autonomen Gebiet Innere Mongolei sind bereits über eine Million Hektar Wüstenboden unter Kontrolle gebracht worden. Die dabei gemachten Erfahrungen werden überall in China verwertet, um den Kampf gegen die Wüste effektiver gestalten zu können. 24) Denn die Nutzung der Wüste ist nicht nur für landwirtschaftliche Zwecke nötig, sondern auch für den Transport. Die Eisenbahnlinien waren vor­her immer wieder durch Sandstürme unterbrochen worden. Daher hatte man neben den bedrohten Eisenbahnstrecken der Paotou-Lanchow-Linie in der Tengriwüste, der Lanchow-Urumchi-Linie in der Gobiwüste breite Waldstrei­fen und Gemüsebeete neben den Eisenbahnlinien gepflanzt. Seitdem wurde der Eisenbahnverkehr nicht mehr von Sandstürmen unterbrochen. zurück zum Inhalt

TERRASSENANBAU:

Dadschai ist eine Produktionsbrigade in einer Volkskommune der Schensipro­vinz. In ihr leben heute 440 Personen. Sie ist zum Vorbild einer fortschrittli­chen Landwirtschaft in ganz China geworden. Dadschai war vor der Befreiung ein bergiges Gebiet mit unfruchtbarem Boden. Vier reiche Familien besaßen über 60% des Bodens, während der Rest der Einwohner in bitterer Armut leb­ten. Wenn sie nicht imstande waren, ihre Abgaben an die reichen Bauern zu zahlen, wurden sie am Schandpfahl ausgepeitscht und ihre Töchter an Bor­delle-verkauft.

Nach der Befreiung von den japanischen Truppen führten die Bauern die Re­volution fort und entledigten sich der reichen Bauern. Das Land wurde gleich­ mäßig aufgeteilt. Dennoch hatten es die Bauern schwer. Der Boden war aus­gelaugt und durch dauernde Erosion bedroht. Dies Problem war nur gemein­sam zu lösen, und so begann man als Volkskommune, -Dämme und Terrassen gegen die Erosion zu errichten. In einem langen entbehrungsreichen Kampf wurden Berghänge eingeebnet.

In Dadschai folgte die Kleinindustrie im Jahre 1958, zusammen mit dem Schul­wesen und der Krankenversorgung. Dennoch hatte man nach wie vor große Probleme mit der Natur. Lang anhaltende Regenstürme und große Trockenpe­rioden machten der Bevölkerung zu schaffen. 1963 wurden die Terrassen durch eine Naturkatastrophe zerstört und die Dörfer überschwemmt und die mei­sten Häuser vernichtet... In Diskussionen fand man neue Wege zum Aufbau, und vier Jahre später hatte man neue Terrassen mit Bewässerungssystemen und Steinhäusern gebaut . In Selbstverwaltung und ohne fremde Hilfe erbaute man aus Schrott eine Seilbahn, die Jauche auf die Berge schaffte und die Ern­e ins Dorf hinunter transportierte. In ständigem Lernprozeß gegen die Widrigkeiten der Natur und ihre Katastrophen eigneten sich die Bewohner Dadschais Schulungen und Diskussionen immer effektivere Methoden des Teerassenbaus an. Sie züchteten Spezialsorten von Reis, Hirse, Mais, Baumwolle, Kohlsorten usw. all dies wurde nicht von Experten, sondern von den Bewohnern und Bauern in eigener Verwaltung durchgeführt.

Getreu der Losung Mao Tse-Tungs „ Lernt in der Landwirtschaft von Dadschai“ legte man im ganzen Lande Terrassen an. So baute die Produktionsbrigade Fanjigotu im Kreis Wubu, Provinz Schensi, viele qkm an Terrassenfeldern. Oder z. B. von den Kadern und Kommunemitgliedern in den bergigen Gegenden des autonomen Gebites Kuangsi der Dschuang-Nationaliät, die die natürlichen Bedingungen des Berggebietes vollkommen veränderten und in harter Arbeit ihre gesamte Berghänge terrassierten. Mittlerweile befinden sich in ganz China ausgedehnte Terrassenfelder mit dazugehörigen Terrassenfeldern, mit Elektrizitätsversorgung und der Verarbeitungsindustrie für landwirtschaftliche Produkte zurück zum Inhalt

LANDWIRTSCHAFT IN CHINA:

Die landwirtschaftliche Fläche in China wird von Jahr zu Jahr erweitert. 1973 wurden z.B. über drei Millionen Hektar planiert, über 13 Millionentiefgepflügt, 700.000 Hektar terrassiert und ebensoviel minderwertiger Boden qualitativ verbessert. Nach Angaben aus 14 Provinzen, regierungsunmittelbaren Städten bzw. autonomen Gebieten Chinas wurden allein im Jahr 1973 ca. 300.000 maschinell betriebene Brunnen gebohrt. Die aus solchen Brunnen bewässerte Ackerfläche erweiterte sich um ca. 1,3 Millionen Hektar.

So hat man jedes Jahr die Ernten verbessert, obgleich China häufig mit Dürren, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen zu kämpfen hat. In den letzten 13 Jahren verbesserte China jedes Jahr seine Ernte. Die Ernte von 1975 brachte im Vergleich zu 1974, ebenfalls ein gutes Jahr, einen Zuwachs von durchschnittlich 6,5% und stellte somit einen neuen Rekord dar. Und dies; obgleich China 1975 von vielen Naturkatastrophen wie Dürre, Niederschlägen bei niedriger Temperatur, von Pflanzenschädlingen und Überschwemmungen heimgesucht war. 25)

Auch die Massenbewegung zum wissenschaftlichen Experimentieren in den Dörfern des ganzen Landes entwickelte sich sprunghaft. Immer mehr hoch­wertiges Saatgut wird gezüchtet und angebaut. Die Anbaufläche von veredel­tem Mais verfünffachte sich von der Kulturevolution bis zum Jahr 1973. Auch in der bestmöglichen Nutzung des Bodens, in der Verbesserung der Anbaume­thoden und bei der Ernährung des Fruchtwechselindexes wurden bemerkens­werte Erfolge erzielt. 26)

Um den Boden nicht zu sehr zu belasten, verwendete man von Anfang an Fruchtwechsel, mit Ausnahme einiger Reisanbaugebiete. Zur Zeit versucht man neue Methoden des Gemischtanbaus. Der Mischanbau hat seinen Grund in dem Wunsch nach Selbstversorgung jeder Kommune. Auch ermöglicht er höhere Erträge, der Humusboden wird länger bedeckt und somit weniger der Erosion ausgesetzt. Ein weiterer Vorteil ist, daß diese Anbauart arbeitsinten­siv ist; China hat viele Arbeiter, die beschäftigt werden müssen. Die Hsuchiawu­ -Brigade in der Nähe Pekings hat in den letzten Jahren mit acht verschiedenen Fruchtwechseln und verschiedenen Arten des Gemüseanbaus experimentiert. Sehr hohe Erträge wurden mit Weizen und Mais erzielt. Als Fruchtwechsel werden Weizen, Mais und Reis oder auch Baumwolle, Mais, Weizen und Kohl als am wirkungsvollsten angegeben.

In der Shantung Landwirtschaftsschule hatte der Baumwollexperte Yang Ping­-kun durch Experimente ermittelt, daß die Baumwollernte beträchtlich erhöht werden kann, wenn ein Teil der Wurzeln während der Blütezeit abgebrochen wird und wenn man Weizen und Baumwolle zusammen anpflanzt. Die Pflan­zen schützen sich gegenseitig, denn viele weizenfressende Insekten sind natür­liche Feinde der Baumwollblattläuse. Yang Ping-kun konnte auf diese Weise die Ernten verdreifachen: 5), S. 39

Ein Problem für die Landwirtschaft ist die Frage der Düngemittel. Die Chine­sen verwenden nach wie vor menschliche Exkremente zur Düngung auf den Feldern. Lange wurde durch diese Düngung das „Schneckenfieber" hervorge­rufen. Aber heute werden die menschlichen Abfälle sterilisiert, bevor man sie auf die Felder bringt. 271 Diese Abfälle lassen sich auch verbrennen und somit in eine phosphatreiche Asche verwandeln, die 6% Phosphate, 1% Pottasche und 0,2% Stickstoff enthält. Dennoch fehlt es an Dünger. Nach Angaben des ehemaligen Premierministers Tschou En-lai betrug Chinas Bedarf an Kunst­dünger 1971 rund 35 Millionen Tonnen, während in China nur 14 Tonnen produziert wurden. Für das Jahr 1973 wurde eine Kunstdüngerproduktion von 15 Mio. Tonnen Stickstoffdünger und 11 Mio. Tonnen Phosphatdünger angegeben. Noch einmal die gleiche Menge, also 26 Mio. Tonnen werden für die Produktion des Naturdüngers geschätzt. Da der Naturdünger aber bereits die höchstmöglichen Werte erreicht hat, wird der weitere Zuwachs nur durch eine Steigerung des Kunstdüngers möglich sein. Die Anwendung von Kunst­dünger hat aber auch ihre Gefahren, da sie den natürlichen Kreislauf im Humus schädigen. Der Kunstdünger beeinträchtigt die Nitrifizierer und Denitrifizierer, Bakterien, die den Ammoniak aus verwesenden Stoffen in Stickstoff umwan­deln und diesen wiederum in das für die Pflanzen nötige Nitrat. Daher sind neue Methoden, die man heute in China bereits mit Entengrütze praktiziert, bedeutend empfehlenswerter. Bei niedriger Temperatur wird die Entengrütze unter Kunststoffolie aufgezogen und dann auf die Reisfelder eingebracht. En­tengrütze bildet einen vorzüglichen Gründünger, und 13.000 Hektar Reisfelder, die mit Entengrütze versehen werden, bedeuten eine Einsparung an Kunstdün­ger, die einer Jahresproduktion von 3.000 t entspricht.

Die Kreativität und der kollektive Einsatz der chinesischen Bauern sind die Erklärung für die hohen chinesischen Ernten, die im Vergleich zur UdSSR oder zu Indien bedeutend höher sind. In China Bauer zu sein, ist einer der ge­achtetsten und bestbezahlten Berufe. Durch das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Kommune lassen sich Großprojekte leicht verwirklichen und neue wis­senschaftliche Ergebnisse leichter weitergeben. Die chinesische Bevölkerung ist auch leichter durch nationale Ziele zu beeinflussen und auf Grund ihrer in­tensiven politischen Schulung und der Selbstverwaltung ergeben sich häufig kollektive Initiativen, die dann mit großer Begeisterung auf wissenschaftlicher und praktischer Ebene angepackt werden. zurück zum Inhalt

SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG:

Viele Schädlinge, wie z.B. Fliegen, Mücken, Flöhe usw. wurden in China durch Massenkampagnen beseitigt. Es werden aber auch noch Chemikalien und so­gar DDT eingesetzt. Da sich die Chinesen aber der hierin bestehenden Gefah­ren bewußt sind, 28) wird intensiv geforscht, um chemische Mittel durch bio­logische zu ersetzen. Wohl eines der einfachsten Mittel ist der bereits genannte Parallelanbau verschiedener Pflanzen. Häufig werden auch Heilkräuter mitan­gebaut, da viele von ihnen eine abschreckende Wirkung auf Insekten haben und 70% der chinesischen Arzneimittel auf Kräuterextrakten basieren.

Der Kreis Hanschou hatte sich bemüht, anstatt zweier Jahresernten drei einzu­bringen. Das führte dazu, daß die Nachfrage nach Insektiziden das Angebot überstieg. Daher machten sich die Genossenschaften in Zusammenarbeit mit agrarwissenschaftlichen Forschungsstellen an die Herstellung einheimischer In­sektizide, die sie aus Paprika und Tabakstengeln erzeugten. Im Kreis werden mittlerweile 15 solcher Insektizide hergestellt. Sie haben manche Vorteile: ihre Ausgangsstoffe sind leicht zu finden, die Selbstkosten sind niedrig, die Herstel­lungskosten gering, und die Verseuchung des Ackerlandes und der Kulturpflan­zen kann durch sie erheblich eingeschränkt werden. Bei den Bauern sind diese Schädlingsbekämpfungsmittel außerordentlich beliebt, so daß sie schon eigene Mittel aus den gleichen Grundstoffen herstellen. 29) Auf vielen Feldern wer­den auch nachts starke Lichtquellen eingesetzt, um Insekten anzulocken, die sich dann verbrennen und in Behälter fallen, die unter der Lichtquelle instal­liert sind. In einer Kommune in der Kwantung-Provinz experimentiert man, um einen Schädling (Tessaratoma papillosa) zu bekämpfen, der die Bananen und Obst­bäume angreift. Eine ähnliche Methode wird gegen ein weiteres Insekt (Eu­cosma schistaceana) eingesetzt, das Zuckerrohr schädigt. Hierbei bedient man sich eines Parasiten, der seine Eier in die Eier der Schädlinge hineinlegt. Außer­dem hat man biologische Mittel mit Hilfe von Mikroorganismen entwickelt, die besonders gegen Reiskrankheiten eingesetzt werden. Im nordöstlichen China stellt eine Arzneimittelfirma einen Unkrautvernichter aus einem gifti­gen Nebenprodukt der Antibiotikaproduktion her, das keine schädlichen Ne­benwirkungen aufweisen soll. 5), S. 41, 42

In den Wäldern werden ebenfalls biologische Mittel eingesetzt. Um verschie­dene Kiefern und Fichten (Pinus sylvestri, Pinus koraiensis, Pinus tfsunbergi, Pinus massonia) gegen das Insekt (Dendrlimus sibiricus) zu schützen, setzt man eine kleine, parasitäre Wespe (Trichogramma) ein.

Diese Wespen werden in größeren Mengen gezüchtet und dann in die Wälder gebracht, wo sie die Bäume vor Schädlingen vom Spätfrühling bis zum Herbst schützen. Neben der - Wespe Trichogramma wird noch ein Vogel (Parus major) gegen die Insekten eingesetzt. Die Chang Go Tai Experimentierstation arbei­tet auch mit Hormonen, Lockstoffen für Insekten und sterilisierte weibliche Schädlinge, um auf biologische Art die Insekten zu bekämpfen, 30), S. 22 zurück zum Inhalt

UNTERSCHIEDE ZWISCHEN STADT UND LAND:

In China strebt man danach, die Unterschiede zwischen der Stadt und dem Land auszugleichen. Im Zusammenhang mit der Kulturrevolution haben viele Jugendliche die Stadt verlassen und sich in Kommunen niedergelassen. Dieser Trend hält nach wie vor an. Bisher haben seit Beginn der Kulturrevolution un­gefähr 30 Millionen Chinesen die Städte verlassen. Durch die erfolgreiche An­wendung des Prinzips „die Landwirtschaft als Grundlage, die Industrie als führende Kraft` haben sich die Lebensbedingungen auf dem Land verbessert, und das Leben ist dort attraktiver geworden. Durch die vielen Schulabgänger und Studenten, die jährlich die Stadt verlassen, kommen neue ausgebildete Menschen auf das Land, werden dort seßhaft und bringen die neuesten Erkennt­nisse der Technologie mit sich. Zur gleichen Zeit ziehen viele Industrien aufs Land. Außerdem beginnen mehr und mehr Produktionsbrigaden und Kom­munen, eigene Kleinindustrien in Gang zu setzen. So entsteht in China eine weit verteilte Kleinindustrie und es werden Industriegebiete wie z.B. das Ruhr­gebiet in der BRD und die konzentrierte Belastung von Naturkreisläufen ver­mieden. Diese Politik nennen die Chinesen „auf zwei Beinen gehen": Seit der Kulturrevolution sind allein aus Shanghai 600.000 Menschen und 1.000 Klein­- und Mittelbetriebe ins Landesinnere gezogen. Dabei wurden sie so aufgebaut, daß eine eventuelle Luftverschmutzung die Wohngebiete nicht beeinträchtigt. Pekings petrochemischer Komplex wurde z.B. bewußt in einem entfernt gele­genen Tal aufgebaut. 17), S. 22

Das Ziel dieser Dezentralisierungspolitik ist, daß sich alle Provinzen und Kom­munen selbst versorgen können. Die Basisindustrien wie Eisengießereien, Ze­ment- und Kunstdüngerfabriken, Maschinenwerkstätten und Kraftwerke sol­len in jeder Kommune vorhanden sein.

Durch die Dezentralisierungspolitik werden die meisten weiterverarbeitenden Industrien direkt in die Nähe der Bergwerke oder Rohstoffquellen errichtet, um Transportwege auf ein Minimum zu reduzieren. Um weitere Standorte zu finden, wird intensiv im ganzen Land nach weiteren Rohstoffvorkommen ge­sucht Die Bevölkerung wird aufgefordert und zum Teil ausgebildet, Erzproben zu untersuchen und Erzvorkommen zu meiden.

Die Dezentralisierungspolitik verfolgt aber nach Äußerungen Mao Tse-tungs vor allem das Ziel, die Bauern schnell mit der Technik und Wissenschaft ver­traut zu machen. Zum Teil ergibt sich dies aus dem Arbeitsleben, dehn wäh­rend der landwirtschaftlichen Hochsaison arbeiten die Arbeiter oft auf dem Feld und während des Winters die Bauern mit in der Industrie. 5), S. 43,44 So lernen die Bauern, mit landwirtschaftlichen Maschinen nicht nur umzuge­hen, sondern sie auch zu reparieren und herzustellen: Es gibt in China Tau­sende von Büchern in Millionenauflage, die in einfacher Sprache erklären, wie kleine Kraftwerke errichtet werden, Drehbänke und Getreidemühlen zu bedienen und Maschinen zu bauen sind. Die Bauern sind daher nicht auf Spe­zialisten angewiesen, sondern schreiten selbst zur Tat.

Neben den Büchern finden immer mehr Filme Verwendung. Der Film „Anlage von Windschutzstreifen zur Befestigung des Sandes" zeigt z.B., wie die Men­schen im Kreis Fushin und im Bund Dschao'uda der Provinz Liaoning vegeta­tionsarmen Sandboden in grüne Oasen verwandelten. „Das Schwimmdeck Huangschan", „Kleine Wasserkraftwerke in Gebirgsgegenden", „Züchtung von Entengrütze auf Reisfeldern", „Sonnenöfen in Kistenform", „Zucht von Tri­chogramma zur Schädlingsbekämpfung", „Gerichtete Sprengung im Damm­bau" usw. und viele andere populär-wissenschaftliche Filme zeigenden Bauern die Erfahrungen, die man in anderen Gebieten gemacht hat. 31)

Jede Kommune hat außerdem ihre Technikergruppe sowie ihre wissenschaftli­che Experimentiergruppe mit eigenen Experimentierbereichen. Diese Exper­ten haben sich aus Landwirten entwickelt, stehen mit ihnen laufend in Ver­bindung und schulen sich gegenseitig. Z2), S. 25

Die durchgeführte Dezentralisierung bewirkte eine Demokratisierung, die wie­derum die gesamte Politik der chinesischen Führung stärkte. Diese Politik er­wies sich auch als erfolgreich, um eine sieh entwickelnde Industrie und den Umweltschutz sowie Landwirtschaft und Industrie zu verknüpfen.

Der Ausbau der ländlichen Industrie geht in China zur zeit außerordentlich schnell voran. Bisher wurden über 15 Millionen Arbeiter und Bauern auf dem Lande zu modernen Industriearbeitern ausgebildet. Sie bildenden Grundstock einer sehr hoch entwickelten Technologie und bilden weitere Menschen aus. Gleichzeitig wurden weitere 10 Millionen ausgebildete Jugendliche aus der Stadt mit in das ländliche Ausbildungssystem integriert. In der Landwirtschaft selbst arbeiten zusätzlich weitere 10 Millionen wissenschaftlich ausgebildete Arbeitskräfte. Und als vierter Faktor kommen jedes Jahr eine weitere Million an hochausgebildeten Fachkräften aus der Armee hinzu. Sie haben während ihrer Armeezeit technische und organisatorische Fähigkeiten erlangt, die für die überall aufblühende Industrie außerordentlich wichtig sind. Endlich kom­men noch die vielen Wissenschaftler aus Instituten und Universitäten hinzu, die jeweils für kürzere Zeit auf dem Lande tätig sind. Man schätzt, daß seit Mitte der 60er Jahre über 45 Millionen Menschen; also 5% der Gesamtbevöl­kerung in dieses technologische System integriert wurden. Sie bilden, wie es die chinesische Presse nennt, „ein wissenschaftliches Massensystem", das sich selbst schult; fördert, verändert und laufend weiterentwickelt. 34)

Die chinesische Politik zielt außerdem darauf ab, mehr Menschen auf dem Lande anzusiedeln und die ländliche Bevölkerung technologisch und wissen­schaftlich auszubilden. Die ländliche Industrie dient als Trainingsbasis für die Arbeiter und Bauern, um sie auf eine Industrialisierungswelle vorzubereiten, die nach Vermutungen amerikanischer Geheimdienste alles bisher auf der Welt auf diesem Gebiet Erlebte übersteigen wird. Um zu diesem Ziel zu gelangen, verfolgt die chinesische Führung eine Politik der Beseitigung der Unterschiede zwischen Stadt und Land. Dabei wurden die Vorteile der Stadt, die auf ei­nem besseren Dienstleistungssystem beruhen; auf das Land ausgedehnt: öffentliche Gesundheit; Ausbildung, Transport, Kommunikation usw. So wurde es möglich, die Bevölkerung in einem frühen Stadium in einen n1oderni­sierungsprozeß miteinzubeziehen. Gleichzeitig wurde ein Problem gelöst, un­ter dem alle Entwicklungsländer zu leiden haben: die Landflucht. In China le­ben weiterhin 4/5 der Bevölkerung auf dem Land. Eine gut organisierte Partei, eine äußerst wirksame Verwaltung auf allen Gebieten und kollektiver Besitz der Industrie hat dies ermöglicht. Ein reibungsloses funktionieren zwischen der lokalen Industrie und den Industriezentren wäre wahrscheinlich unmöglich gewesen, wenn sie sich in privater Hand befunden hätten. 18), S. 115 zurück zum Inhalt

UMWELTSCHUTZ IN DER STADT:

Wie bereits erwähnt, ist es den Chinesen gelungen, das Städtewachstum zu bremsen und mehr kleinere Städte zu bilden. So in Shanghai: Während des er­sten 5-Jahresplanes hat man über 1.000 kleinere Fabriken konzentriert oder außerhalb der Stadt neu errichtet. Gleichzeitig riß man an 300 Stellen die dort vorhandenen alten und menschenunwürdigen Strohhütten ab und baute für ei­ne Millionen Menschen neue Wohnungen. Außerdem wurde ein Kanalisations­system installiert. Vor zehn Jahren hatte Shanghai noch 6,5 Millionen Einwoh­ner. Heute hat es sich bei 5,7 Millionen stabilisiert. 7)

Auch bei der Stadtplanung beweist man, daß Umweltschutz ernst genommen wird. 1949 bei der Befreiung befanden sich die meisten Städte in einem sehr schlechten sanitären Zustand. Große Gebiete waren verslumt, und die nötigen sanitären Anlagen fehlten. Kanalisation für Kloaken und Regenwasser fehlten in einigen Stadtteilen völlig. Abfälle und Sperrmüll wurden auf die Straße ge­worfen, wo sie langsam mit anderem Unrat verrotteten.

Nach der Befreiung organisierten die Gesundheitsbehörden sofort die ersten Aufräumungsarbeiten. Häuser wurden saniert und repariert, die Straßen ver­breitert, Parks angelegt, der Abfall regelmäßig beseitigt, Exkremente in Tanks abgefahren usw. Gleichzeitig wurde die vielseitige Anwendung eingeführt, um die Rückstände wiederverwerten zu können. Auch heute noch legen die Ein­wohner ihren Müll auf markierten Plätzen ab, von wo er nach Vorstadtkom­munen transportiert und dort sortiert und wiederverwendet wird. Metallteile, Stoffe, Papier usw. gehen als Rohstoffe wieder in die Produktion ein. Die or­ganischen Abfälle werden mit Fäkalien vermischt, in Lehmgruben einige Mo­nate abgelagert und danach als Kompost verwandt. So werden allein in Peking zwei Millionen Tonnen Kompost jährlich erzeugt. Die Arbeiter, die den Müll beseitigen und verkompostieren, sind in der Bevölkerung hoch angesehen, da sie die Lebensverhältnisse der Allgemeinheit verbessern.

Die Städte sind sehr sauber. Nicht einmal vereinzelt befinden sich Zigaretten­kippen auf der Straße. Viele Chinesen verbringen ihre Freizeit gerne auf der Straße. Vor allen Dingen auch, da viele Straßen mit Baumalleen gesäumt sind. In Peking, das vor der Befreiung kaum Bäume hatte und dann nur in den Stadt­ vierteln der Reichen, begann die Bevölkerung nach der Revolution überall mit Neuanpflanzungen. Heute besitzt Peking neunmal mehr an Parkfläche und 50 mal mehr Bäume als vor 1949. Insgesamt wurden von den Einwohnern über 20 Millionen Bäume angepflanzt, oft in Mehrfachalleen mit Blumenrabatten umsäumt. Gleichzeitig bemüht man sich um eine Vielseitigkeit der Pflanzenar­ten. Durch diese Maßnahme stieg die Lebensqualität in den Städten beträcht­lich, da die Bäume Schatten spenden, im Sommer kühlen, Schall dämpfen, die Luft reinigen und gegen Sandstürme schützen, unter denen viele chinesische Städte litten. Vielfach hat man in den Städten auch Gemüsebeete zwischen den Häusern angelegt, um das Stadtbild aufzulockern und damit auch Stadt­bewohner ein bißchen an der Landwirtschaft teilhaben können. 5),S. 46ff, 8); S: 196ff

Eine weitere Frage, die wert ist; genannt zu werden, ist die der menschlichen Isolierung in Großstädten. Schlafstädte, wie sie in vielen Industrieländern exi­stieren, gibt es in China nicht: Industrie, Wohnungen; Geschäfte und Parks werden alle zusammen errichtet. Dies geschieht bewußt, um die Transport­wege kurz zu halten. Da die Umweltverschmutzung bei den meisten Indu­strien beseitigt wurde, ist es für die Menschen auch keine Zumutung, in un­mittelbarer Nähe ihrer Arbeitsstelle zu wohnen. Als Beispiel kann der in der Nähe von Peking errichtete petrochemische Komplex genannt werden. Mes­sungen schwedischer Forscher ergaben, daß die Luftverschmutzung mitten im Petrokomplex weit niedriger als im Zentrum Stockholms ist. Die Kommune besteht aus 20.000 Familien, insgesamt 80.000 Menschen. Davon sind 12.000 Arbeiter in der Petrochemie beschäftigt, weitere 10.000 sind Bauarbeiter, die weitere Firmen und Häuser bauen. Über 40% der Bewohner leben in kleinen Apartmenthäusern in unmittelbarer Nähe der Fabrikanlagen: Der Rest der Ar­beiter wird täglich mit Bussen in die Vorstädte Pekings gebracht. Als wichtigste Aufgabe betrachtet es die Kommune, die Produktion frei von Umweltver­schmutzung zu halten und durch Schulen, Krankenhäuser, Supermärkte, Post­ämter, kulturelle Veranstaltungen usw. in unmittelbarer Nähe der Wohnung, das Leben so positiv wie möglich zu gestalten. 33) zurück zum Inhalt

DIE ROLLE DER WISSENSCHAFT IN DER VR CHINA:

Vor der Kulturrevolution genossen es viele Wissenschaftler; eine Elite zu sein. Während der Kulturrevolution mußten sie gezwungenermaßen diesen Anspruch aufgeben, da die Universitäten geschlossen wurden und man die Wissenschaft­ler kurzerhand aufs Land zum Arbeiten schickte. Seitdem wurden sie ange­halten, ihre Forschung auf praktische Belange zum Wohle des Volkes zu konzentrieren. Die chinesische Führung ist besonders darauf bedacht, die so­zialen Unterschiede zwischen Spitzenwissenschaftlern und Arbeitern zu besei­tigen. Man möchte weder eine Elite noch ein Spezialistentum in der Bevölke­rung. Daher werden die Wissenschaftler aufgefordert, Kontakte zum Arbeiter zu suchen und von ihm zu lernen. Wissenschaftliche Forschung wird oft am Arbeitsplatz zusammen mit Arbeitern betrieben, die dabei gleichzeitig weiter­gebildet werden. Ebenso wird gefördert, daß Wissenschaftler in Fabriken und auf Feldern arbeiten, während Arbeiter häufig die Universität besuchen, um Einzelprobleme zu lösen und um an wissenschaftlicher Forschung teilzuneh­men. Dieses Prinzip findet auch bei der wissenschaftlichen Ausbildung Jugend­licher Anwendung.

In der Zwischenzeit ist es den chinesischen Gelehrten gelungen, die Trennung zwischen Theorie und Praxis zu überbrücken. Fast alle Wissenschaftler stehen' hinter dem Entschluß Maos, daß jede Forschung dem Volk dienen muß, und seitdem hat die chinesische Forschung Erstaunliches geleistet. 35) Prof. C.K. Jen, der im Auftrag der amerikanischen Regierung China bereiste, besuchte Raffinerien, chemische Firmen und Forschungslaboratorien und war beeindruckt von dem enormen Wissen der Chinesen, das dem der Amerikaner kaum nachstand. 33) Erstaunt war auch Raphael Tsu, der im Auftrag von IBM China besuchte. Er erklärte, daß China auf den Gebieten der industriellen Ent­wicklung; Elektronik, Computerbau usw. hochtechnologisiert wäre. 36)

Durch wissenschaftliche Besucher wird berichtet, daß China beim Aufbau sei­ner Industrie äußerst vorsichtig vorgeht, um nicht die gleichen Umweltsünden zu begehen wie es die reichen Länder getan haben. Das heutige China verwendet dabei die modernste Wissenschaft und Technologie, um alle Abfallstoffe wie­derzuverwenden und gleichzeitig Luft und Wasser reinzuhalten. So schreibt F.P. Sebastian (Präsident der Environtech Corporation) in der wissenschaftli­chen Zeitschrift AMBIO, daß die Chinesen technische Methoden verwenden, die den führenden Industrienationen in nichts nachstehen. Auf der Exportmes­se 7972 wurden in Kanton hochentwickelte Umweltschutzanlagen vorgeführt, die den außerordentlichen Einsatz und das Können der Chinesen auf dem Um­weltsektor demonstrierten. 37) Mittlerweile trägt auch die Forschungsarbeit auf Massenbasis immer mehr Früchte. So ist z.B. Mitarbeitern des Genetikinstituts der Chinesischen Akade­mie der Wissenschaften unter Mitwirkung zuständiger Institutionen sowie Bau­ern gelungen, neue Getreidesorten direkt aus Pollen zu züchten. Aus dem Blü­tenstaub werden auf einem künstlichen Kulturmedium direkt Pflanzen gezüch­tet. In kurzer Zeit bekommt man so Resultate und ein eingehendes Studium der Genetik und Zellenlehre. Das Bedeutsame an diesem Verfahren ist seine praktische Anwendung. Gegenwärtig entwickelt sich das wissenschaftliche Ex­perimentieren dieser Zuchtmethode zur Massenbewegung. Dafür wurden von Wissenschaftlern einfache Methoden vorbereitet, womit die Bedingungen für die Popularisierung dieser Zuchtmethoden in den Dörfern gegeben sind.

So war es in kürzester Zeit möglich, neue Tabak- und Wasserreissorten zu züch­ten, die durch ihre Ertragsfähigkeit, ihre Widerstandsfähigkeit gegen Krank­heiten und Schädlinge und beim Lagern ausgezeichnete Resultate aufwiesen. 38) Die chinesische Führung verfolgt mit ihrer Wissenschaftspolitik mehrere Ziele. Einmal möchte sie die Wissenschaft bei der Bevölkerung populär machen und zweitens die Spezialkenntnisse der Arbeiter den Akademikern zugänglich ma­chen. Die enormen Fortschritte der chinesischen Wissenschaft scheinen die Zielsetzung zu bestätigen. Während in Europa Kopfarbeit und Handarbeit streng getrennt wurde, kann die Massenforschung in China die Qualität der Wissenschaft positiv beeinflussen und sehr große schlummernde wissenschaft­liche Reserven mobilisieren. zurück zum Inhalt

UMWELTPLANUNG:

Das Umweltschutzproblem versucht man in China durch verbesserte Techno­logien und durch Präventivmaßnahmen zu lösen. So sind bei der Projektierung; beim Bau und der Inbetriebnahme neuer Fabriken, Verkehrsanlagen oder wis­senschaftlicher Einrichtungen Umweltschutzmaßnahmen mit einzubeziehen, sonst gibt es keine Baugenehmigung. Alte Betriebe erhalten Auflagen; die sie in einer bestimmten Zeit erfüllen müssen. Zur Planung und Kontrolle des Um­weltschutzes gibt es auf allen Ebenen verantwortliche Institutionen: eine Lei­tungsgruppe beim Staatsrat, Verwaltungsbüros in den einzelnen Ministerien, aber auch in den Provinzen, Städten und Großbetrieben. Sie erlassen Vorschrif­ten und setzen Grenzwerte fest, die in den verschiedenen Regionen entspre­chend den jeweiligen Bedingungen unterschiedlich sind.

Die Aufgaben der Ministerien sind die Gesamtplanung, die Koordination und die Überwachung und Einhaltung der Vorschriften. In jeder Provinz befindet sich ein Umweltschutzamt, das dafür sorgt, daß die örtlichen Vorschriften ein­gehalten werden. In Städten und Fabriken sind Meßstellen installiert, mit denen die Luft- und Wasserqualität überwacht werden. Bevor Fabrikanlagen gebaut werden, müssen die örtlichen Behörden eine Genehmigung vom Um­weltschutzamt und Kulturamt erhalten. Verschiedentlich werden Genehmi­gungen verweigert, um historische Stätten oder um fruchtbares Ackerland zu erhalten. Denn im allgemeinen gilt die Vorschrift, daß die Industrie nur auf unfruchtbarem Boden zu errichten ist, damit so wenig Ackerland wie möglich verloren geht. 30) S. 20, 21

Die Konflikte zwischengewünschtem Wirtschaftwachstum und effektiven Um­weltschutzauflagen sind für die Chinesen unbedeutend. Chinesische Politiker sehen Produktionssteigerung und Umweltschutz als eine „dialektische Bezie­hung". Wachstum sei nur dann sinnvoll, wenn keine Umweltprobleme dabei entstehen. Beides müsse gleichzeitig beachtet werden. Allerdings könne ein Konflikt auf Betriebsebene schon einmal vorkommen. Durch Zeitung, Rund­funk und andere Medien wird der Bevölkerung die Bedeutung des Umwelt­schutzes bewußt gemacht. Umweltschutz wird an den Universitäten unterrich­tet und Umweltbeauftragte besuchen für sie eingerichtete Ausbildungskurse. Juristische Sanktionen sind selten erforderlich, statt dessen fordert man die Bevölkerung und die Arbeiter auf, Selbsthilfe zu ergreifen, falls die zuständigen Stellen versagen sollten. 7) zurück zum Inhalt

UMWELTSCHUTZ IN CHINA:

Chinas Umweltschutztradition ist sehr alt. Bereits um 10D v. Chr. warnte der ältere Tai in der chinesischen Zusammenstellung der Riten vor der Umwelt­verschmutzung, 39) - und die Volksrepublik China hat seit ihrem Bestehen ein großes Umweltbewußtsein gezeigt. Die Zeitschrift „Science" 40) schrieb sogar, daß der ideologische Streit hinter der Kulturrevolution umweltpoliti­sche Gründe hatte. Der ehemalige Präsident der Volksrepublik China Liu Shao-­tschi, förderte technische Experten, die eine starke Industrialisierung nach amerikanischem Vorbild vorantreiben wollten. Eine Wiederverwendung der Abfälle war nicht vorgesehen, und Rückstände sollten in Luft und Wasser ab­geleitet werden. 41) Dies verstieß jedoch gegen die Grundethik der Mao Tse­tung-Ideen, die lauten: ;,Viel aus wenig machen", ;,Die Ethik der Selbstver­sorgung" und „Beteiligung und Veränderung durch die Massen" und somit konträr zur Politik Liu Shao-tschis war, der sich auf die Gutachten der Exper­ten verließ und dem Umweltschutz wenig Bedeutung zumaß.

Aber um die Bedeutung des Umweltschutzes, seine ethischen Hintergründe und die politische Einstellung Chinas zum Umweltschutz besser verstehen zu können, sind ausführliche Fakten notwendig. Daher folgt hier ein Beitrag von Prof. Dr. K. William Kapp, der als einer der ersten Wissenschaftler die sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Umweltschutzes aufgegriffen hat. Zusam­men mit seiner Frau Lore Kapp hat er viele Bücher und wissenschaftliche Arti­kel geschrieben. Sein letztes Buch „Environmental Policies and Environmental Planning in China and other Essays" wurde 1974 von Monton, Paris, Den Haag, herausgebracht. Am 10. April 1976 ist Herr Kapp in Dubrovnik auf einer Um­weltschutztagung an einer Herzattacke innerhalb weniger Stunden gestorben: Herr Kapp wird jedoch all denjenigen, die seine wichtige Pionierarbeit schät­zen gelernt haben, immer in guter Erinnerung bleiben!

UMWELTSCHUTZ !N CHINA von K. William Kapp

An der UNO-Umweltkonferenz von Stockholm im Jahre 1972 weigerten sich einige Entwicklungsländer ausdrücklich, im Interesse des Umweltschutzes auf eine schnelle Industrialisierung zu verzichten. China hingegen scheint einen an­deren Weg zu gehen. Dabei kann sich dieses Land auf eine traditionelle „Recycling-Wirtschaft im weiteren Sinne des Wortes stützen. Die organischen Ab­fälle wurden seit jeher in der Landwirtschaft systematisch wiederverwertet. Der Gefahr parasitärer Erkrankungen, wie etwa Bilharziose, sucht man heute durch systematische Kontrollen der Gewässer zu begegnen. Für die chinesische Umweltpolitik ist das Axiom entscheidend, daß es keinen wertlosen Abfall ge­ben kann. Die Maxime lautet:„Schädliches in Nützliches verwandeln". Die „drei Arten von Abfällen" - Abwässer, Abgase, Schlacken - werden wieder in den Natur-Kreislauf zurückgeführt. Dieses Recycling-Verständnis beruht auf einem gesellschaftspolitischem Entscheid. Kosten und Nutzen der Wieder­verwertung werden unter dem Aspekt der Gesamtsituation des Landes berech­net. Dies kann zur Folge haben, daß sozial nützliche Recycling-Verfahren auch auf Kosten einzelner Produktionseinheiten angewendet werden. Die monetäre Kosten-Nutzen-Analyse hat also nicht den Vorrang. Dies bedeutet hingegen nicht, daß man in China auf das Wachstum verzichtet. Ebenso versucht man, den Einsatz der Mittel ökonomisch zu optimieren.

Verglichen mit den vorrevolutionären Zuständen zeigt das heutige China er­ staunliche Kontraste. Es ist nicht mehr ein Land mit tiefverwurzeltem Elend, mit regelmäßiger Hungersnot, Epidemien und Naturkatastrophen, sei es durch Trockenheit, sei es durch Überschwemmungen der großen Stromebenen, und einer ländlichen Bevölkerung ohne ärztlichen Beistand. Es scheint der chinesi­schen Entwicklungspolitik geglückt zu sein, die natürliche und soziale Umwelt zu schützen und sogar zu verbessern, sowie die Verbindung zwischen der wirt­schaftlichen Entwicklung und der Befriedigung ländlicher Grundbedürfnisse bei den Entscheidungen miteinzubeziehen.

Dies ist keine unbedeutende Leistung, besonders wenn wir China mit anderen unterentwickelten Ländern vergleichen, einschließlich jenen, die an der UNO-­Umweltkonferenz von 1972 in Stockholm Bedenken gegenüber der Empfeh­lung vorgebracht haben, der Zerstörung ihrer Umwelt größere Aufmerksam­keit zu widmen. Einige Länder weigerten sich ausdrücklich, im Interesse des Umweltschutzes auf eine schnelle Industrialisierung zu verzichten; sie taten es offensichtlich in der Annahme, daß ihre natürliche Umwelt noch eine be­trächtliche Verschmutzung absorbieren könne. Diese Länder bestanden darauf, einer raschen Industrialisierung den Vorrang zu geben, ohne den ökologischen Auswirkungen und Gesundheitsgefährdungen einer derartigen Entwicklungs­politik wesentliche Beachtung zu schenken.

China scheint einen anderen Weg zu gehen. Die chinesischen Führung ist sich im klaren darüber, daß die Entwicklung der Produktivkräfte in den meisten Industriestaaten mit sozialen Kosten und dem Auftreten kumulativ zerstöreri­scher Kräfte Hand in Hand gegangen ist. Sie scheint entschlossen zu sein, die von den Industrieländern begangenen „Irrtümer" nicht zu wiederholen, die früher oder später kostspielige Umweltschutzmaßnahmen notwendig machen würden. Infolgedessen bietet China das Bild eines Landes, das versucht, wirt­schaftliche Entwicklung unter Berücksichtigung und Verbesserung der Umwelt zu verbinden.

Ich will nicht behaupten, daß China ein „Umweltparadies" sei und alle ökolo­gischen Probleme gelöst habe. Ich möchte auch nicht sagen, daß China die so­zialen Kosten der Wirtschaftsentwicklung vollständig vermieden habe. Die chinesischen Wirtschaftspolitiker sind sich nicht nur der Gefahren bewußt, die der Umwelt durch eine kritiklose Steigerung der Produktion drohen, sondern sie haben auch Schritte unternommen, um die möglicherweise schädlichen Folgen des Wirtschaftswachstums abzuwenden, darüber hinaus scheinen sie ei­ne besondere Strategie entwickelt und mit Erfolg die Öffentlichkeit für eine Mitarbeit gewonnen zu haben, die weit über das in anderen Entwicklungs- oder Industrieländern Feststellbare hinausgeht.

Natürlich steht China erst am Beginn seiner Industrialisierung, und was die Zukunft bringen wird, ist ungewiß. Der entscheidende Punkt scheint jedoch zu sein, daß das kommunistische China nicht nur während der letzten drei Jahre positive Maßnahmen ergriffen hat, um der Zerstörung der Umwelt zu begegnen. Von Anfang an wurde systematisch versucht, die Zukunft der Land­wirtschaft und der Industrie zu planen. Aus diesen Gründen - und aus ande­ren, die hier nicht im einzelnen dargelegt werden können - bin ich der An­sicht, daß Chinas Aussichten auf dem Gebiete der Umweltpolitik besser sind als die der meisten Entwicklungsländer, besser sogar als die der Industrielän­der.

Da und dort beginnt sich die Einsicht durchzusetzen, daß es kurzsichtig war, in den industrialisierten Ländern die sozialen Kosten zu unterschätzen; man sieht sich heute widerwillig genötigt -- teils unter dem Druck der öffentlichen Meinung, teils unter dem der wirtschaftlichen Gegebenheiten -, eine mit großen Kosten verbundene Umweltschutzpolitik in die Wege zu leiten. 42)

Traditionelle Landwirtschaft als „Recycling" -- und Energie-Erzeugungswirt­schaft

Die traditionelle Landwirtschaft Chinas ist seit jeher eine „Recyclingwirtschaft im weiteren Sinne des Wortes gewesen. Die Armut hat den Chinesen ge­zwungen, genügsam zu leben, und die Wiederverwendung von Abfall und Ab­wässern ist keineswegs neu. Vorwiegend landwirtschaftlich orientiert, hat China schon immer den Grundsatz der „umfassenden' Wiederverwendung zu verwirklichen versucht. In der Tat hat die systematische Auswertung organi­scher Abfälle in der chinesischen Landwirtschaft eine lange Geschichte; sie war westlichen Beobachtern des 19. Jahrhunderts bekannt, wie aus dem fol­genden Zitat aus Victor Hugos „Les Miserables- hervorgeht:

„Kein chinesischer Bauer geht in die Stadt, ohne auf dem Rückweg an beiden Enden seiner Bambusstange je einen Kübel heimzutragen, der mit dem gefüllt ist; was wir Kot nennen."

Menschliche Exkremente waren in China nicht unentgeltlich zu haben. Es standen ihrem systematischen Gebrauch nicht dieselben Vorurteile gegenüber wie in anderen Ländern. Auch heute sind schätzungsweise „etwa 80% aller verwendeten Düngemittel organischer Natur: verwendet, werden tierische oder menschliche Fäkalien, Stroh oder Gründüngung. 43)

Im Hinblick auf die kritische Energiesituation im Westen möchte ich darauf hinweisen, daß der chinesische Reisanbau, durch eine wirksame Bewässerung, eine hochleistungsfähige Agrartechnik ist, eine weit leistungsfähigere als die westliche „Petroleumlandwirtschaft'; insbesondere wenn man als Berechnungs­grundlagen die Einheit (menschlicher) Energie nimmt, die in Form von Kalo­rien (nämlich der vom Bauern genossenen Nahrung) ins System einfließt. Mitei­ner Kalorie von aufgenommener Nahrung kann der chinesische Bauer etwa 40 Kalorien in Gestalt von Reis produzieren. Das erklärt übrigens auch die verhältnismäßig kleine Fläche, die der Bauer dazu benötigt, wenn er auf frucht­barem Boden mit Irrigation Reis anbaut. In der Tat braucht nach offiziellen Berechnungen (WU Hsüeh-yieu. Chinese Department of Agriculture) eine vierköpfige Familie auf gutem Boden im Tal nicht mehr als 0,2 ha Kulturland, um ihren Unterhalt zu bestreiten. 44)

Im Gegensatz dazu produziert die moderne Landwirtschaft nicht nur keine Energie, sondern verbraucht obendrein noch mehr Erdöl als irgendein anderer Wirtschaftszweig. „Es gibt sogar Schätzungen, wonach die chinesische Reis­landwirtschaft in lrrigationsgebieten mit einem Einsatz eines BTU (British Terminal Unit) menschlicher Energie 53,5 BTU erzeugen kann. Pro Energie­einheit, die der chinesische Bauer verausgabt, erhält der westliche Landwirt nur, ein Fünftel B TU. Im Lichte dieser beiden Raten läl3t sich sagen, dal3 die chinesische Reiskultur weit leistungsfähiger ist als unser eigenes System unter den günstigsten Bedingungen. " 45)

Das heißt, unter der Voraussetzung, daß wir den Ertrag pro eingesetzte Ener­gieeinheit beurteilen, und nicht auf der Basis von Arbeitsstunde oder Markt­kosten und Markterträgen.

Bessere Verwendung von Abfall in der Landwirtschaft

Natürlich wissen die chinesischen Politiker sehr genau, daß die Verwendung unbearbeiteter menschlicher Exkremente in der Landwirtschaft zu gewissen Bedenken Anlaß gibt. Menschliche (und tierische) Fäkalien können Oberflä­chengewässer oder Grundwasser verunreinigen, was zur Ausbreitung schwerer parasitärer Erkrankungen führen kann (beispielsweise der Bilharziose) -Wurm­krankheit -- (in den Tropen).

Nach der Aussage von Ärzten des Pekinger Anti-Imperialistischen Kranken­hauses ist die Bilharziose (Schistosomiasis) Chinas größtes medizinisches Pro­blem, diese Krankheit hat in vielen tropischen Ländern die Malaria als gefähr­lichste parasitäre Krankheit abgelöst. 46)

Außerdem reichen Exkremente allein nicht aus, um den steigenden Düngemit­telbedarf der chinesischen Landwirtschaft zu decken. Seit 1958 ist man in China gegenüber dem herkömmlichen Gebrauch menschlicher Fäkalien als Dünger und der Benutzung von Abwässern für die Irrigation von Reisfeldern sehr kritisch geworden. Es sind wissenschaftliche Forschungen in den epidemio­logischen Abteilungen von 18 größeren Städten im Gang, die durch das Wis­senschaftliche Planungskomitee des Staatsrates im Jahre 1958 veranlaßt wur­den. 47)

Diese Studien haben ergeben, daß die Selbstreinigungsfähigkeit von Abwäs­sern „unter gewissen verantwortbaren Bedingungen" wesentlich verstärkt wer­den könnte. Sauerstoffverbrauch, Bakterien und so weiter könnten in fünf Ta­gen weitgehend abgebaut werden; auch die Entwicklung von Moskitolarven würde stark eingeschränkt. Es ist zu beachten, daß diese Feststellungen schon in den späten 50er Jahren gemacht wurden und ihren Niederschlag in den hy­gienischen Bestimmungen betreffend „den Gebrauch von Kanalisationswasser für die Bewässerung" fanden. Das war zur Zeit, als man sich in anderen unter­entwickelten Ländern über die Verschmutzung des Wassers und dessen Reini­gung für Bewässerungszwecke kaum Gedanken machte. 48)

Heute besitzt Peking allein mehr als ein Dutzend Kläranlagen, in welchen Hochdruckpumpen 3 Tonnen Abwässer pro Sekunde in ein 6 Meter tiefes Ab­lagerungsbecken pumpen, wo Schmutz und Rückstände auf den Grund sinken. Nach der Sterilisierung wird das Wasser aufs Land hinausgeleitet, wo es für die Irrigation verwendet wird. In diesen Kläranlagen werden laufend Analysen vorgenommen, um etwaige Giftstoffe und deren Konzentration festzustellen. Wenn Gifte nachgewiesen und deren Ursprung gefunden werden, wird der be­treffende Betrieb aufgefordert, seine Abwässer nicht mehr abzuleiten und/oder vorsorgliche Maßnahmen zutreffen. Säurehaltige Abwässer der Pekinger Petro­chemischen Werke werden biochemisch behandelt, so daß sie sich für die Be­wässerung und zur Aufzucht von Fischen und Enten eignen. 49)

Was die Bilharziose betrifft, hat China Maßnahmen getroffen, um die Bilharzia­-Würmer (Saugwürmer) als Überträger auszurotten und die menschlichen Ex­kremente zuerst zu kompostieren, bevor sie, zu Kügelchen verarbeitet, als Dün­ger verwendet werden. China hat auch die systematische Kontrolle des Wassers auf Parasiten hin organisiert, um Mensch und Tier vor Bilharziose zu schützen. Diese Präventivmaßnahmen sind ein Teil der systematischen Bemühungen Chi­nas, die Wasserversorgung, das öffentliche Gesundheitswesen und die Qualität der sozialen und physischen Umwelt zu verbessern.

Ich kann mich hier nicht mit den neuesten Fortschritten in der chemischen Bearbeitung von Kanalisationsabwässern und Klärschlamm befassen, die sich als wirkungsvoller erweisen könnten, als die alte chinesische Sitte des Einsam­melns von Fäkalien. Ich denke zum Beispiel an neuere Gärmethoden, die die praktische Verwendung der örtlichen Abwässer sicherstellen.

Jedenfalls möchte ich nicht behaupten, daß die Verbesserung der altherge­brachten Wiederverwendung menschlichen und tierischen Kots durch die An­wendung moderner Verfahren den langfristigen Bedarf Chinas decken kann. Die steigende Nachfrage nach Nahrungsmitteln wird nur mit beträchtlichen Zuschüssen von Kunstdünger eigener oder ausländischer Produktion befriedigt werden können. Der Bedarf Chinas an chemischen Düngemitteln (1971 : 35 Millionen Tonnen) ist noch stets weit größer als die Inlandsproduktion (1971: 14 Millionen Tonnen). 50)

„Schädliches in Nützliches verwandeln"

Chinesische Fachleute würden es nicht schwer finden, sich der Theorie anzu­schließen, daß der Mensch Materie oder Energie weder schaffen noch zerstö­ren kann (wie es der erste Hauptsatz der Thermodynamik oder der Grundsatz der Erhaltung der Energie beinhaltet). In der Tat scheinen die Chinesen dem „material balance approach" nahe zu stehen, und der damit verbundenen Auf­fassung, daß durch die Wirtschaftstätigkeit des Menschen Materie bzw. Ener­gie weder erzeugt noch verbraucht wird.

Die Mehrzahl der Ökonomen würde zugeben, daß ein qualitativer Unterschied zwischen dem besteht, was in den Produktionsprozeß hineingeht, und was aus ihm hervorgeht. Einige Ökonomen hingegen vertreten den Standpunkt, daß das, was in den ökonomischen Prozeß hineingeht, wertvolle Rohstoffe sind, und daß das, was in der Gestalt von Abfall „ausgeworfen" wird, wertlos sei. Demge­genüber scheinen die Chinesen die Meinung zu vertreten, daß es wertlosen Ab­fall überhaupt nicht gäbe. 51 )

„Bei der Herstellung eines Produktes wird Rohmaterial teilweise umgewandelt und der Rest wird Abfall' ... Vom metaphysischen Gesichtspunkt aus kann Abfall nicht beseitigt werden. Im Gegenteil, die materialistische Dialektik lehrt, daß Abfall und Nicht-Abfall relative Begriffe sind. Es gibt nichts in der Welt, was absolut Abfall wäre. Abfall' mag unter bestimmten Bedingungen wertlos sein; unter anderen Bedingungen kann das, was bei der Herstellung ei­nes Produkts abfällt, gutes Material für die Erzeugung eines anderen Produkts abgeben. " 521

Diese Betrachtensweise ist eines der Leitprinzipien der chinesischen Politik der Mehrzweckverwendung von Rohstoffen; sie stützt und erklärt die Kampag­nen zur Rückgewinnung und Wiederverwendung verbrauchter Materialien, mit anderen Worten zur Verwandlung von Schädlichem in Nützliches, wie die chi­nesische Literatur es ausdrückt. Natürlich kann diese umfassende Verwendung von Rohstoffen als ein Ausdruck der alten, unverändert nachwirkenden Spar­samkeit verstanden werden, die Armut und Knappheit von Ressourcen den Chinesen stets auferlegt hatte.

Schon 1958 (also während des „Großen Sprungs nach vorn'1 und vielleicht schon früher, rief Mao Tse-tung zum Kampf gegen den „Abfall" auf allen Ebenen auf: „Jede Genossenschaft, jeder Laden, jedes Amt, jede Schule und jede militärische Einheit mul3 einen eigenen Feldzug gegen die Verschwen­dung führen, und nicht nur jetzt, sondern jedes Jahr einmal. " 53)

Doch gehen die heute festzustellenden Bemühungen auf Rückgewinnung und Widerverwendung von Abfällen weit über alles hinaus, was China in der Ver­gangenheit in dieser Richtung unternommen hat. Rückgewinnung und Wieder­verwendung der „drei Abfälle":

o Abwässer o Abgase o Schlacke

wird als eine Methode der Umwandlung von Verlust in Gewinn angesehen, und als wichtiger Beitrag zur Bereicherung und Steigerung der Produktion. Mehr als das: Der Grundsatz der umfassenden Verwendung des Abfalls wird als Notwendigkeit des sozialistischen Aufbaus betrachtet. Er hilft einerseits und vor allem, die soziale und physische Umwelt und damit die Gesundheit des Menschen zu schützen - was noch wichtiger ist als die Erhaltung materiel­ler Werte; andererseits bietet dieser Grundsatz eine Möglichkeit, die traditio­nelle Arbeitsteilung und Spezialisierung aufzuheben. Kurz gesagt, es handelt sich gleichzeitig um Umweltschutz, Produktionssteigerung, Dezentralisierung der Industrie und um eine Verbesserung der öffentlichen Gesundheit in Stadt und Land.

Die Rezirkulation in der Industrie

Was die Rückgewinnung und Wiederverwendung von Abfallprodukten in der Industrie betrifft, werden in China sowohl arbeitsintensive als auch kapitalin­tensive Techniken angewendet. Arbeitsintensive Verfahren spielen eine große Rolle im Zusammenhang mit den Maßnahmen nach erfolgter Verschmutzung. Zu ihnen gehören großangelegte Aushub- und Säuberungsarbeiten an den durch die Industrie verunreinigten Strömen, Flüssen und Seen und die Abfuhr mensch­licher und tierischer Abfälle, die nicht für die Düngung von Feldern ver­wendet werden. In einigen Fällen sind ganz erhebliche Mengen von Abfällen entfernt worden, die heute in Form von Öl, Chemikalien und Schlacken usw. wiederverwendet werden. Durch solche Aktionen sollen viele tausend Tonnen Düngemittel gewonnen worden sein.

In den letzten Jahren scheint China seine Bemühungen vor allem auf die Ver­hütung der Gewässer- und Luftverschmutzung konzentriert zu haben. Große Aufmerksamkeit wurde dabei auf den Bau städtischer Kanalisationsnetze und auf die Errichtung von Anlagen zur Verarbeitung menschlicher Abfälle in dich­ter besiedelten Gegenden verwendet 541, im Hinblick auf die Luftverschmut­zung geht man in China von der Forderung aus, daß in großen und mittleren Fabriken Rückgewinnungs- und Reinigungsanlagen zu installieren sind. 55) Ferner werden Bestimmungen über die Immission von Schadstoffen ausgear­beitet und durchgesetzt, und als Standort neuer bzw. zu verlegender Fabriken wird Jene Stadtseite, von der der Wind gewöhnlich wegbläst - vorgeschrieben. Zur Veranschaulichung von modernen Recycling-Verfahren wäre der Fall der Pekinger Petrochemischen Werke zu erwähnen. Dort gibt es Berichten zufolge eine Aufbereitungsanlage für Abwässer, die den technisch hochstehenden Eu­ropas und der USA vergleichbar ist, sie reinigt das Wasser von sozusagen allen Fremdstoffen mit Ausnahme des Stickstoffes.

Dieses Interesse am Gebrauch moderner technischer Verfahren für das Recyc­ling wird durch Berichte aus Japan bestätigt. Die Nippon Steel Corporation wurde aus China um technische Beratung hinsichtlich Apparaturen gebeten, die der Verarbeitung von Abgasen aus Bessemerbirnen dienen könnten. Ge­plant war die Rückgewinnung des bei der Stahlfabrikation anfallenden Kohlen­monoxyds und dessen Wiederverwendung als Brennstoff in den Stahlwerken selbst. 56)

Berichte aus Kirin (Nordwestchina) sprechen ebenfalls dafür, daß China für das Recycling moderne technische Ausrüstungen verwendet. So verarbeitet in Kirin ein Betrieb in großem Maßstab Öl- und Schmiermittelabfälle. Der heute wirtschaftlich rentable Prozeß war ursprünglich als Notlösung zur Überwin­dung von industriellen Versorgungsschwierigkeiten durch Sammeln und Raffi­nieren von Ölabfall gedacht. Die Kunstdüngerwerke von Kirin produzieren jetzt 130 verschiedene Arten von Chemikalien. 57) Schlacke von Eisenwerken wird als Zusatz bei der Zementherstellung verwendet. 58)

Eisenwerke konstruieren und fabrizieren angeblich besondere Öfen, mit de­nen Kohleteer' gewonnen und wiederverwendet werden kann. Weizen- und Reisstroh ( wie es früher für die Dächer von Häusern und Hütten gebraucht wurde) findet nun Verwendung als Rohstoff für die Papierfabriken. 59)

Dis Rückgewinnung und Wiederverwertung von Stoffen kann entweder durch den abfallproduzierenden Betrieb selbst, durch Spezialindustrien, durch be­sonders kleine Anlagen oder sogar durch Heimarbeiter erfolgen. So wandelt sich, wie es heißt, die traditionelle Arbeitsteilung und die branchenmäßige Trennung zwischen den Industrien.

„Eine Fabrik wird in verschiedene Betriebe zerlegt, ein Rohstoff wird auf mancherlei Weise verarbeitet, eine Maschine wird für viele Zwecke verwendet, der Arbeiter ist nicht eng spezialisiert, sondern versteht sich auf eine ganze Reihe von Tätigkeiten, und eine Fabrik kann, obwohl sie hauptsächlich ein Produkt herstellt, noch vielerlei anderes erzeugen. Auf diese Weise werden knappe Arbeitskräfte, Ausrüstungsgüter und Rohstoffe besser ausgenutzt. " 60}

Aus zahlreichen in der Literatur besprochenen Beispielen ergibt sich, daß an der Entwicklung verschiedener Abfallverwertungsverfahren gearbeitet wird. Es handelt sich um folgende Varianten:

Ein Großbetrieb läßt die Abfälle durch einen ihm angeschlossen kleinen verarbeiten:

Einem Großbetrieb sind verschiedene kleine Abfallverwertungsbetriebe zugeordnet (die Rohstoffe und Verbrauchsgüter liefern),

Verschiedene Großbetriebe (beispielsweise in Shanghai) unterhalten in Zusammenarbeit einen Verwertungsbetrieb, der alte, ausgediente oder nicht mehr benötigte Ausrüstunqsqegenstände verarbeitet. 61) Stadtviertel und Gemeinden richten kleine Fabriken ein, die den von pensionierten Arbeitern, Hausfrauen oder Kindern gesammelten Schrott entweder selber verarbeiten oder ihn an größere oder kleinere Betriebe weiterleiten.

Auf den Erwerb von Abfallprodukten spezialisierte Betriebe verteilen diese an einschlägige Fabriken, die daraus nützliche Erzeugnisse herstel­len.

Die sich aus diesem Überblick ergebenden Angaben erlauben keine endgülti­gen Schlußfolgerungen über die relative Bedeutung der Rohstoffrückgewin­nung und ihre Wiederverwendung im heutigen China. Zusammenfassende Sta­tistiken über das Recycling für ganz China fehlen. Was übrigens auch für die Schweiz und die Vereinigten Staaten zutrifft. Wichtig ist, daß die Wiederver­wendung von Materialien als Umweltschutzmaßnahme sehr früh in die chine­sische Entwicklungs- und Industrieplanung Eingang gefunden hat. Angesichts des Nachdrucks, der auf die These gelegt wird, daß „nichts in der Welt abso­luter Abfall" sei und der sich wiederholenden Kampagnen für eine Material­verwertung, kann man daraus schließen, daß das Recycling eines der Leitprin­zipien der chinesischen Umweltpolitik bleiben wird. Aus dieser Perspektive gesehen erscheint Recycling als Weg einer anhaltenden Suche nach alternati­ven Technologien.

Es gibt zahlreiche Beweise dafür, daß die systematische Entwicklung ökolo­gisch schonender Technologien im chinesischen Umweltprogramm einen wichtigen Platz einnimmt. Während bisher die Schädlingsvertilgungsprogramme Chinas sich vorwiegend auf chemische Methoden stützten, wird jetzt an biolo­gischen Bekämpfungsverfahren gearbeitet, die zum Teil bereits praktisch ange­wandt werden. 62) Diese würden sich in ökologischer Hinsicht weniger zerstö­rend auswirken als jene, die sich unter dem Einfluß des an Marktkosten und -gewinnen orientierten Denkens durchgesetzt haben.

Nationalökonomen werden die Frage stellen, wie weit die Rückgewinnung und Wiederverwendung von Materialien betriebswirtschaftlich tragbar, d.h., wie weit es „wirtschaftlich" ist, Abfälle in brauchbare Produkte umzuwan­deln, und ob es nicht auch schädliche Rückstände oder nicht abbaubare Ab­fälle gibt, die nicht ohne negative Folgen für die Umwelt oder nur mit hohen Kosten rezirkuliert werden können. Alle diese Fragen kommen auch in der chinesischen Literatur zur Sprache. Der chinesische Standpunkt läßt sich kurz zusammenfassen:

„Es gibt keinen Abfall; sondern nur unbenutzt gelassenes Material, es gibt nichts, was nichtgebraucht werden könnte. " 63)

Es wird zugegeben, daß die Verwandlung von Abfällen in nützliche Produkte schwierig sein kann. Diese Tatsache wird auf eine relativ rückständige Technik zurückgeführt, auf mangelnde Forschung, auf die Unfähigkeit, die richtige Denkmethode anzuwenden und auf die ungenügende Verwendung und Ver­breitung von praktischen Erfahrungen der Arbeiter. Für die Chinesen sind den Fähigkeiten der Menschen, die objektive Welt zu erkennen und zu verwandeln, keine Grenzen gesetzt. Daher sind sie auch der Ansicht, daß es die drei Arten von Abfällen gibt, die unbeschränkt verwertbar sind.

„Es gibt keine Abfälle, die nicht für irgendetwas gebraucht werden könnten. Wissenschaftliche Versuche haben es ermöglicht, wichtige Produkte aus den verbleibenden Abfällen zu gewinnen." 6 4) Offensichtlich haben die chine­sischen Fachleute noch nicht in Betracht gezogen, daß gewisse Industrierück­stände wvie zum Beispiel radioaktive Stoffe) nicht rezirkulierbar sind, und sie haben sich auch nicht die Frage nach ihrer Beseitigung gestellt.

Erklärung der Ursachen der Umweltzerstörung

Es dürfte kaum überraschen, daß die chinesische Interpretation der Ursachen der Umweltzerstörung stark betont, daß die kapitalistische Produktionsweise als Hauptgrund für die Umweltkrise anzusehen sei. Unter „kapitalistischer Produktionsweise" verstehen die Chinesen nicht nur privates Eigentum an Pro­duktionsmitteln, sondern vor allem auch die sich daraus ergebende Ausrich­tung der Erzeugung und Allokation, die Wahl der Technologie und des Stand­orts der Industrien sowie der Verteilung.

Die marxistische Analyse der Chinesen sieht die Ursachen der Umweltzerstö­rung in diesem komplexen System der institutionalisierten wirtschaftlichen und sozialpolitischen Beziehungen und Verhaltensweisen. 65)

Für diese Analyse ist grundlegend, daß die Umwelt ständig durch die Arbeit des Menschen und die Entwicklung von Wissenschaft und Technik umgestaltet wird. Im Gegensatz zu gewissen im Westen vertretenen Vorschlägen, das Wirt­schaftswachstum zu verlangsamen oder zu unterbinden, unterscheiden die Chinesen zwischen Bedingungen in entwickelten und unterentwickelten Län­dern. Während einige hochindustrialisierte Länder nicht nur ihre eigene Um­welt stark verschmutzen, sondern auch noch ihre Nachbarn in Mitleidenschaft gezogen haben,

„ist es für die Länder der Dritten Welt dringend notwendig, ihre Volkswirt­schaft zu entwickeln, eine moderne Industrie und Landwirtschaft aufzubauen, ihre volle ökonomische Unabhängigkeit zu erringen und ihre Umwelt Schritt für Schritt zu verbessern. 66)

Es dürfte den westlichen Leser überraschen, daß die Verhütung sozialer Ko­sten wohl eine gewisse Rolle in der theoretischen und politischen Auseinander­setzung zwischen den „zwei Linien", denen Mao Tse-tungs und Liu Chao-chis gespielt hat. Anscheinend gingen die Meinungen über Wirtschaftsplanung und die Formulierung der Umweltpolitik auseinander. Dies ist allerdings ein Thema, das in diesem Zusammenhang nicht erörtert werden kann. 67)

Nach chinesischer Auffassung stellt sich die Aufgabe der Verhütung von Um­weltschäden, d.h. die Vermeidung der „drei Arten von Abfällen" im Rahmen des Produktionsplanes in folgenden spezifischen Fragen:

Welches ist die wichtigere Aufgabe - Erfüllung des Produktionsplans oder Verringerung der Gefahren, die sich aus der Umweltverschmutzung ergeben? Ist die Ausschaltung der Schäden eine zweitrangige Aufgabe, die vernachlässigt werden darf? Ist die Beseitigung der drei Gefahren für die Volksgesundheit, für die industrielle Produktion, für die Landwirtschaft ein Problem von sekundärer Bedeutung? Kurz, worin bestehen Nutzen und Kosten? Wie sind sie zu bestimmen? Offenbar sehen einige Planer lind Wirt­schaftsführer ihre Hauptaufgabe in der Erfüllung des Produktionsplanes, wäh­rend die Eliminierung der Umweltverschmutzung von ihnen als zusätzliche Belastung betrachtet wird, die man vernachlässigen oder sogar ignorieren kann. So haben einige Betriebsleiter wachsende Umweltverschmutzung zugelassen. Sie waren nur an jenen Verhütungsmaßnahmen interessiert, „die wenig Arbeitskräfte benötigen. leicht durchzuführen und profitabel sind. Abfallprodukte von qerinqem Wert werden als unrentabel betrachtet und sind einer Rückgewinnung nicht wert." 68)

Diese Kosten-Nutzen-Rechnung aus der Perspektive des einzelnen Betriebes wird heute als Weg zur zunehmenden Umweitzerstörung und zu steigenden sozialen Kosten verworfen. Einige Abfallarten mögen schwer zu vermeiden sein, aber sie dürfen nicht nur im Rahmen der Kasten-Nutzen-Rechnung der einzelnen Produktionseinheit gesehen werden. Dadurch würde das Wohlerge­hen der heutigen Generation mißachtet und das der künftigen vernachlässigt. „Die sozialistische Produktion mul3 der proletarischen Politik dienen, und die Funktion aller sozialistischen Unternehmen mul3 auf die gesamte revolu­tionäre Situation abgestimmt sein auf die Bedürfnisse der Menschen im gan­zen Land und auf das Wohlergehen der künftigen Generationen." 691

Die richtige Art, das Problem der Messung von Kosten und Nutzen zu lösen, muß aufgrund praktischer Erfahrungen sowie wissenschaftlicher Forschung und Experimente erarbeitet werden; erforderlich ist auch die Mobilisierung und Ermunterung der Werktätigen, damit sie aus eigener Initiative Abfall und Schadstoffe zu nützlichen Produkten verarbeiten. Diese Einsteilung steht im Widerspruch zur Annahme, daß „Abfälle Abfälle sind': Man soll dem Aus­spruch des Vorsitzenden Mao Folge leisten.

„Wenn ein Marxist ein Problem studiert, so betrachtet er gewöhnlich die Ge­samtlage und nicht nur einen Teil davon. " 7 0)

Auf die Frage nach Kosten und Nutzen angewendet, bedeutet dies, daß man unter Berücksichtigung der Gesamtsituation Mittel und Wege finden muß, die

Wiedergewinnung und Nutzung ermöglichen, ohne daß dabei die Umwelt ge­fährdet wird.

„In manchen Fällen mag der Verlust für einen Einzelbetrieb größer sein als der Gewinn - jedenfalls wenn man sich mit einer etwas oberflächlichen Beur­teilung zufrieden gibt. Geht man jedoch von der Gesamtsituation aus, so wer­den die Nutzen (vom Standpunkt der Gesellschaft) größer sein als die Verluste. ...Wenn wir mit kleinen Profiten zufrieden sind und die großen sozialen Pro­bleme vernachlässigen - wenn wir nur der Gegenwart unsere Aufmerksamkeit zuwenden und die Zukunft außer Acht lassen -- wenn wir nur den Einzelbe­trieb und nicht die Gesellschaft in Betracht ziehen und wenn wir unsere Ar­beit nur im Verhältnis zu den möglichen individuellen Profiten einsetzen, so müssen wir von Liu Shao-chis These angesteckt worden sein und Profiten die entscheidende Rolle einräumen. Anstatt die drei Gefahren der Umweltzerstö­rung abzuwenden, wären wir auf dem besten Wege zum Kapitalismus.„ 7 11

Nach dem chinesischen Standpunkt ist das Problem der Abfälle und der Aus­schaltung von Schäden nicht nur technisch, sondern auch wirtschaftlich lös­bar. Es kann aber nicht auf der Basis monetärer Berechnungen in Marktpreisen bewältigt werden, denn Verlust und Gewinn, Kosten und Nutzen, die so be­rechnet würden, würden nach der privaten Kosten- und Ertragsrechnung des Einzelbetriebes beurteilt. Die tatsächlichen Probleme und die gesellschaftlichen Gefahren würden auf diese Weise vernachlässigt oder unterschätzt. Das heißt, für den chinesischen Planer stellen die Verhütung und Beseitigung des Umweit-Schadens sowohl „eine wichtige wissenschaftliche und technische Aufgabe" als auch „einen bedeutenden politischen Auftrag" dar. 72)

Bei der Aufstellung von Prioritäten scheinen die Chinesen pragmatisch vorzu­gehen. Sie versuchen zuerst,

„jene Projekte aufzuspüren, die sich als die schädlichsten erweisen, und dann versuchen sie nach und nach die Probleme der verschiedenen Abfälle in jedem einzelnen Gewerbe und Betrieb zu lösen. ...Beim Aufbau von Industrien, ins­besondere der agrochemischen, müssen die mittleren und kleineren Städte be­sonderen Wert darauf fegen, Ackerland und Wasser zu schützen, so daß weder Landwirtschaft noch Fischerei geschädigt werden. Wo bereits Umweltschäden eingetreten sind, muß sofort eingeschritten werden, um diesen Zustand zu überwinden.„ 73)

In diesem Zusammenhang ist es besonders wichtig, daß das gesamte vorhande­ne Wissen und alle Erfahrungen auf dem betreffenden Gebiet ausgenutzt und weitere Forschungen betrieben werden. 74) Trotz des optimistischen Unter­tons in der einschlägigen Literatur unterschätzen die Chinesen die Hindernisse nicht, die der Beseitigung der Umweltprobleme entgegenstehen.

„Es ist zugegeben, daß wir bei der Eliminierung der drei Abfälle öfters vor Problemen stehen werden, weil unser Mangel an praktischer Erfahrung oder wissenschaftlichen Know-how uns daran hindert, die Gesetze zu entdecken, mit deren Hilfe die Probleme gestellt und der idealen Lösung entgegengeführt werden können." 75)

Die chinesischen Planer verkennen auch nicht die Notwendigkeit, daß Arbeits­kräfte wirtschaftlich eingesetzt und daß Kosten und Nutzen abgeschafft wer­den müssen. Die chinesische Literatur warnt sogar vor jeder Verschwendung im Arbeitseinsatz und fordert dazu auf, Input und Output zu vergleichen, um den „größtmöglichen Nutzen bei geringstem Aufwand" zu erzielen. 76)

Dabei werden aber Input und Output, Kosten und Nutzen der Verhütung und Beseitigung der Umweltschäden nicht in Geld, also nicht in Marktwerten geschätzt; sondern vielmehr vom gesamtgesellschaftlichen Standpunkt aus, d.h. im Lichte des sozialen Gebrauchswerts. Leider fehlen im einzelnen aus­führliche Darstellungen darüber, wie solche Sehätzungen vorgenommen wer­den. Es ist ungewiß, inwieweit diese theoretischen und praktischen Fragen heute in China tatsächlich als gelöst gelten dürfen.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die chinesischen Fachleute sicher sind, daß das Umweltproblem lösbar ist. Diese Überzeugung bedeutet jedoch nicht, daß man der Meinung ist, daß Industrialisierung, moderne Technik, wirtschaft­liche Entwicklung und Bevölkerungswachstum ohne Auswirkungen auf die natürliche und soziale Umwelt Chinas bleiben werden. Auf alle Fälle sehen die chinesischen Planer keine Veranlassung, eine Politik des Nullwachstums anzu­streben, weder in Bezug auf die materielle Produktion noch auf das Bevölke­rungswachstum. Tatsächlich hält China es für notwendig; eine Politik der wirt­schaftlichen Entwicklung und des Wachstums zu verfolgen, die jedoch den Schutz und die Aufrechterhaltung der natürlichen und sozialen Umwelt in Rechnung stellt. Diese Politik verfolgt nicht das Ziel, die Produktion ohne Rücksicht auf ökologische oder soziale Kosten zu maximieren. Die chinesische Planung konzentriert sich nicht auf rasche Industrialisierung und Spezialisie­rung , sondern läßt sich von ganz anderen Prioritäten leiten.

Ökologische Kriterien und Kollektivbedürfnisse scheinen im Planungs- und Entscheidungsprozeß eine bedeutsame Rolle zu spielen. Mit anderen Worten, der Begriff und die Kriterien der wirtschaftlichen Rationalität in China unter­scheiden sich von denjenigen, die :den Prozeß der Industrialisierung und wirt­schaftlichen Entwicklung in anderen Teilen der Welt geleitet haben.

Die zehn Grundsätze Chinas an der Stockholmer Konferenz 1972:

„Die Geschichte der Menschheit hat bewiesen, daß der Gang der Entwicklung von Produktion, Wissenschaft und Technik dem Bevölkerungswachstum stets vorauseilt...

Es ist völlig unbegründet, wenn man hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Bevölkerungswachstum und Umweltschutz pessimistische Ansichten vertritt.

Das natürliche Bevölkerungswachstum wird wohl neue Umweltprobleme mit sich bringen. Diese Fragen können jedoch gelöst werden, wenn eine Regierung sich den Interessen des Volkes wirklich widmet und die richtigen Maßnahmen trifft, wie die rationale Planung der Verteilung von Stadt- und Landbevölke­rung im Verlauf der Wirtschaftsentwicklung, die angemessene Beschränkung des städtischen Wachstums, die verstärkten Bemühungen um den Schutz und die Verbesserung der städtischen Umwelt und Popularisierung der Familien­planung."

Peking Review, 27.6. 1972

Aus: Brennpunkte, 2/74, Publikation des Gottlieb Duttweiler-Instituts zurück zum Inhalt

WIEDERVERWENDUNG VON ROHSTOFFEN:

In China legt man großen Wert auf ein sparsames Umgehen mit Rohstoffen. Zum Teil geschieht dies, um Rohstoffe einzusparen und zum anderen, um die Umwelt nicht zu belasten. Dabei gehen die Chinesen davon aus, daß jedes Pro­dukt wiederverwendbar ist. Nach ihrer Auffassung ist die sozialistische Wirt­schaft eine Einheit, und ob sich etwas lohnt herzustellen oder nicht, darf nur ausgehend vom Interesse des Volkes gesehen werden und nicht aus einem ein­seitigen Profitinteresse. Daher ist es durchaus möglich, daß gewisse industrielle Aktivitäten für eine einzelne Firma einen Verlust bedeuten, aber für die Gesell­schaft insgesamt sehr sinnvoll sein können. 8), S. 182

Den hohen Stellenwert, den die Wiederverwendung von Rohstoffen aus Ab­fällen, Abwässern und Abgasen hat, ist sowohl auf wirtschaftliche als auch auf Umweltgründe zurückzuführen, Die Chinesen sehen die Mehrzwecknutzung als ihre wichtigste Aufgabe. Dabei sind die ehemals primitiven Technologien zur Wiederverwendungstechnik inzwischen hoch entwickelt worden.

Das Wiederverwenden von Rohstoffen und Reinigen von Luft und Wasser wird jedoch nicht nur in Großbetrieben, sondern auch auf dem Lande prakti­ziert. Hierzu einige Beispiele: Aus Baumwollsamenhülsen, entkeimten Mais­kolben, Reishülsen, Bagasse, Kastoröl und anderen Materialien werden Alko­hol, Furfural, Essigsäure, Aceton, Traubenzucker, Antibiotika und eine An­zahl von Chemikalien erzeugt. 77) Ein ganz besonderes Verfahren wird von dem Getreidebüro in 8hanyhai zur Verwertung von Reishülsen seit Januar 1971 praktiziert: Aus Reishülsen wird mittels Preismaschinen Öl gewonnen, das so­wohl für Speise- als auch für Industriezwecke verwendbar ist. Die Rückstände aus der Preßr77aschine werden zur Herstellung von Fettsäure und Alkohol be­nutzt. Die Rückstände hiervon (d.h. die Schlacken aus der Fettsäureproduk­tion) verwendet man wiederum als Futtermittel weiter. Durch diesen Ausnut­zungsprozeß erhöht sich der Wert von Reishülsen nach einer Kalkulation des Getreidebüros um das 15-fache. Da China überreich an Reishülsen ist, gewinnt die Verbesserung und Verbreitung dieses Verfahrens für die chinesische Wirt­schaft eine sehr große Bedeutung. Denn die Fettsäure ist ein Vorprodukt zur Herstellung von Kunststoff. Die Gewinnung von beispielsweise 100.000 1 Fettsäure kann dazu führen, daß soviel Sojabohnen- Rohstoff zur Erzeugung von Fettsäuren - eingespart werden, wie in einem Jahr von ca. 200 ha Land geern­tet werden. 78), 79)

Die südchinesische Zuckerindustrie mußte früher Schiffe anschaffen, um Koh­leschlacken, Filterschlamm und Schwefelkiesschlacke aus dem Fabrikgelände abzutransportieren und ins Meer zu schütten. Durch die Mehrzwecknutzung konnten die hohen Kosten eingespart und die Abfälle voll verwertet werden. So werden z.B. aus Zuckerrohrrückständen Pappe, G4anzpapier und Verpac­kungspapier hergestellt, aus den Zuckerrohrfasern Furfural, aus der Restflüssig­keit des Papierbreis Klebstoffe, aus Zuckersiruprückständen Alkohol, Hefe, Schädlingsbekämpfungsmittel usw. 1959 begann eine Zuckerrohrfabrik in Kiangmen ihre Produktion. Damals betrug der Produktionswert des Zucker­rohrs 80%, 1972 waren es nur noch 36%, denn mittlerweile hat sich rund um die Zuckerröhrfabrik eine neue Industrie etabliert, die Ziegel, Eisen, Werkzeu­ge, Alkohol, Papier, Kohlensäureschnee, Insektizide, Kunstseide und viele an­dere Produkte aus den Abfällen der Zuckerrohrfabrik herstellen. Die 3.800 Arbeiter der Zuckerrohrfabrik verarbeiten den Zucker nur in der viermonati­gen Saison, in der restlichen Zeit arbeitet man auf dem Feld oder verarbeitet Abfälle. Göran Leijonhuvud, Reporter der schwedischen Zeitung „Dagens Nyheter", besuchte die Zuckerrohrfabrik und berichtete, daß Luft und Was­ser vollkommen rein sind. 10.000 Menschen lebten in der Nähe der Fabrik. Sie halten sich Hühner, züchten Gemüse und Blumen und trocknen ohne Scha­den ihre Wäsche an Bäumen neben der Fabrik. Das Fabrikgelände und die ein­zelnen Fabriken waren vollkommen von Bäumen umgeben. 5), S. 20, 78), 80)

In der Stadt Fangyü wurde ein Betrieb gebaut, der ausschließlich aus Zucker­rohrrückständen (Bagasse) Polynosic-Fasern, eine hochwertige Viskosefaser, produziert. Nach diesem neuen Verfahren kann die Tu-fung-Zuckerfabrik in der Provinz Fukien nun pro Monat 150 t Polynosic-Fasern aus Rückstän­den produzieren. Aus einem Hektar Zuckerrohr kann rund eine Tonne Bagas­se erzeugt werden, aus der sich wiederum 42 kg Polynosic-Fasern herstellen lassen. Die monatlich hergestellten Fasern werden zu 14,4 Millionen m Gewebe pro Jahr verwoben. Dadurch wird China, dem es an Ackerland fehlt, in die Lage versetzt, statt Baumwolle mehr Getreide zu produzieren, denn 100.000 t Kunstfasern können soviel Baumwolle ersetzen, wie jährlich auf mindestens 130 - 200 Hektar Anbaufläche erzeugt werden. 78), 81), $2)

In der Nahrungsmittelindustrie wird aus Abwässern hauptsachlich Fett ge­wonnen, das als Vorprodukt z.B. für die Herstellung von Seifen verwandt wird. Aus Schweinsborsten gewinnt man Proteinfasern, aus Schweineknochen Gela­tine, Fett und Kalidünger, aus Schweineblut Klebstoffe. Aus den Eingeweiden wie Galle, Bauchspeicheldrüse, Leber usw., sowie aus den Drüsen und Kehlkopfknochen werden Arzneimittel wie Gallensäure, Chondroitin U.a. herge­stellt, und aus dem Schweinehirn kann Hirnlipid extrahiert werden; das sehr teuer ist: 78), 83). 84)

Die Pekinger Hauptbrauerei und Weinkellerei erzeugen aus werkseigenen Ab­fallstoffen, Abwässern und Abgasen nicht nur alkoholische Getränke, sondern auch Wasserstoff, Chlorgas, Helium; Polykristallsylikon, Arzneimittel, Schäd­lingsbekämpfungsmittel und Rohstoffe für die elektronische und chemische Industrie. 20), 85)

Am Beispiel der Stadt Shanghai, dem größten Industriezentrum Chinas, lassen sich viele Beispiele der Wiederverwendung nennen. Die Stadt richtete ihre An­strengungen zuerst auf die Industrieviertel, in denen die Fabriken am dichte­sten beieinander lagen. So brauchte die Shanghaier Harz-Fabrik für ihre Pro­duktion von Chlor-Methyläther große Mengen Schwefel- und Salzsäure. Durch Zusammenarbeit mit den Chemiewerken Liaoyüan verwendet jetzt die Harz-­Fabrik die Abgase der Chemiewerke, um aus ihnen Chlor-Methyläther direkt herzustellen. Dadurch werden nicht nur Rohstoffe gespart, sondern auch die Natur geschont. 5), S. 19

In Shanghai gibt es zahlreiche kleine Fabriken, die nur aus Abfällen wertvolle Stoffe gewinnen. So produzierte z.B. die Yung-Shen-Metallfabrik, die vier kleine Elektroöfen besitzt und 140 Leute beschäftigt, von Januar bis Septem­ber 1971 aus kupfer- und nickelhaltigen Abfällen und aus Entwicklerflüssig­keiten von Fotostudios und Krankenhäusern 3.600 t Kupfer, 350 t Nickel, 14 t Silber, 52 kg Gold usw. 86) In allen Bezirken der Stadt befinden sich Ab­fallsammelstellen und -läden, die dem Handelsministerium in Shanghai unter­stellt sind, Im Abfallsammelladen Hunqkou/Shanghai spezialisierte man sich auf zerbrochenes Spiegel- und Thermoglas. So gewinnt man nicht nur Glas, sondern auch Silber, Bis Ende 1970 waren es ca. 700 kg Silber. Die überall in Shanghai eingerichteten Abfallsammelstellen und -läden intensivieren nicht nur die Sammelarbeit, sondern auch die Verwertung der Abfälle und halten außerdem die Stadt sauber. Sie haben z.B. von Januar bis September 1971 über 1 Mio~ t Abfälle wie Farben, Säuren, Soda, Fette usw. zusammengetra­gen. Aus der von diesen Organisationen im gleichen Zeitraum gesammelten Schlacke wurden schon über 2 Mio. t Baumaterial erzeugt. 78), 87)

In der chinesischen Presse werden Tausende von Beispielen der Wiederverwen­dung genannt. So wurden in Shanghai von der Chemie- und Leichtindustrie zwischen 1966 und 1972 über 710~000 t und 98 verschiedene Rohstoffe zu­rückgewonnen und damit auch die Luftqualität erheblich verbessert. Im gan­zen Land wurden Schlacken zur Tonherstellung gesammelt, Gewässer gereinigt und der Schlamm der Landwirtschaft zugeführt Schrott gesammelt usw. So sammelte z.B. im Jahr 1971 in Peking eine Mannschaft von 2.000 Menschen in drei Monaten 26.000 Tonnen Stahl- und Eisenschrott. Die Pekinger Maschi­nenfabrik Nr. 2 und die Pekinger Motorenfabrik lieferte allein im Jahre 1970 26.000 t Schrott an die dortigen Stahlwerke. Im ganzen Land werden durch Massenbewegungen Schrott und Abfälle gesammelt. 78), 88) Durch diese Wie­derverwendungspolitik konnten die Selbstkosten vieler Produkte gesenkt wer­den. Die Mehrzwecknutzung bringt auch den Vorteil mit sich, daß die Arbei­ter in vielen Berufen Erfahrungen bekommen und ihre Kreativität einsetzen müssen, um mit der vorhandenen maschinellen Ausrüstung viele Arbeiten \er­richten zu können.

Ein Problem scheint noch die chemische Industrie zu sein. Im Zentrum der chemischen Industrie, in der Stadt Kirin, Provinz Liaoning, ist das Problem der Umweltverschmutzung denn auch am größten, obgleich die drei chemi­schen Fabriken -ein Farbenwerk, eine Düngemittel- und eine Karbid-Fabrik - große Anstrengungen unternehmen. Seit 1970 wurden an den Abgasen, Ab­wässern, ungenutzten Flüssigkeiten und Schlacken über 200 Industrieprodukte erzeugt. 89), 90) Daher wird heute die Vielzwecknutzung, vor allen Dingen in der chemischen Industrie, verstärkt mit wissenschaftlicher Unterstützung be­trieben. Oft werden Gruppen für bestimmte wissenschaftlich-technische Fra­gen zusammengestellt, die an du vordersten Linie der Produktion zusammen mit den Arbeitern und Bauern schwierige Probleme lösen. Allein im Jahr 1971 hatte das Daliäner Forschungsinstitut für Chemiephysik solche Kontakte mit über 300 Betrieben in 27 Provinzen und autonomen Gebieten des ganzen Lan­des, wobei insgesamt über 500 Mitarbeiter des Instituts hinausgingen und mehr als 200 Personen aus anderen Betrieben zur Zusammenarbeit ins Institut kamen. Das Ziel ist, die noch offenen Probleme zu lösen, die Vielseitigkeit der Produktion zu erweitern und dem neuesten Stand der Technik anzupassen. 91) zurück zum Inhalt

WASSERVERSCHMUTZUNG:

Etwa 65 km nördlich von Peking befindet sich ein petrochemischer Komplex, der laufend weiter ausgebaut wird. In dieser Anlage, in der etwa 25:000 Ar­beiter beschäftigt sind, werden jährlich über 2,5 Mio. t Rohöl verarbeitet. Vier der 35 Werksanlagen wurden speziell zur Verwertung der Abfälle entworfen. Von Anfang an achtete man streng darauf, daß die Abwässer von „Schädlichem in Nützliches“ verwandelt wurden. Viele Millionen Yuan verwandte man für Klär­anlagen, die in gemeinsamer Arbeit zwischen Technikern und Arbeitern ent­wickelt wurden, um die mit dickem schwarzem Schaum bedeckten Abwässer der Ölraffinerie zu reinigen. Diese Abwässer enthalten hauptsächlich Schwefel, Phenol und Ölrückstände. In der ersten Stufe wird die Flüssigkeit in einem Entschwefelungsturm durch Dampf erhitzt und der Schwefel in Aluminium­sulphat umgewandelt. Danach wird das Öl abgeschwemmt und die Abwässer zur Raffinerie zurückgepumpt. Dabei passieren sie einen Belüftungstank, durch den die Abwässer mit Sauerstoff angereichert werden. In einer weiteren Stufe wird das ÖE wiederum in einer Reihe von Becken vom Wasser getrennt, bevor man schließlich das Phenol bakteriologisch behandelt, indem man mikrosko­pisch kleine Bakterien - Vorticella - in einem Lüftungsbecken zuführt. Die Vorticella entstehen aus menschlichen Exkrementen. Sie ernähren sich von Phenol, wobei sie sich gleichzeitig selbst vernichten und sind somit die End­glieder des Reinigungsprozesses. Danach enthalten die Abwässer nur noch Stick­stoff und werden als kunstdüngerhaltige Abwässer zur Bewässerung von Fel­dern benutzt. Die in der Nähe gelegenen Reisfelder brachten auf diese Weise 10 bis 20% höhere Erträge. Die Abwässer werden aber nicht nur zur Bewässerung der Felder, sondern auch zur Aufzucht von Fischen und Enten genutzt. Bisher ist das Wasser zwar noch nicht als Trinkwasser geeignet aber die Chinesen unternehmen große Anstren­gungen, um auch dieses Ziel zu erreichen. 61, S. 28, 29; 5), S. 14, 15, 92. Dieses hier aufgezeigte Beispiel ist durchaus keine Ausnahme. So enthielten die Abwässer der Allgemeinen Chemischen Fabrik der Anshan Eisen- und Stahl­werke ebenfalls Phenol. Da sie somit für die Landwirtschaft nicht verwertbar waren und das Leben im Wasser und somit auch die Volksgesundheit beein­trächtigten, forderte das Revolutionskomitee neue Lösungen. In kollektiver Forschungsarbeit erbaute man die nötigen Kläranlagen, um die Phenolrück­stände auf biologische Art zu beseitigen. 93)

In Anhweis Allgemeiner Textilfabrik wurden Abwässer, die beim Färben und Bedrucken von Stoffen entstehen, in die Flüsse geleitet. Da durch die Abwäs­ser der Fischfang und die Landwirtschaft beeinträchtigt wurde, kritisierten die Arbeiter die Geschäftsleitung und deren Einstellung, wonach sich die Aufbe­reitung der Abwässer nicht lohne. Zusammen mit der Volkskommune und ei­ner landwirtschaftlichen Hochschule entwickelten sie eine biologische Metho­de zur Wasseraufbereitung. Heute wird das Wasser im Kreislauf mehrfach ver­wendet und zum Schluß wegen seines hohen Stickstoffgehaltes zur Düngung von 4.000 Hektar Reisfeldern eingesetzt. 941- 95)

Aber auch die Abwässer aus den Großstädten wie Shanghai werden genutzt. Mit einem 30 km langen Rohrsystem werden jeden Tag 300.000 Tonnen Ab­wässer und Kloaken befördert, um 6.700 Hektar Land zu bewässern. Seitdem stiegen die Ernten beträchtlich, der Boden wurde fruchtbarer, und der Schäd­lingsbefall ging zurück. 96) Dieses Ableitungssystem verläuft von der Sanchai­ping- Straße im Südwesten Shanghais nach der Stadt Sachuang und unterquert dabei den Huangpu-Fluß, der von Westen nach Osten verläuft. Der zweite Tunnel ist noch im Bau und soll ungefähr die gleiche Abwassermenge nach der Stadt Poshan leiten, um das umliegende Ackerland zu bewässern und vor allem um den Huangpu-Fluß sauber zu halten. Ähnliche Ableitungssysteme werden gleichzeitig in Tientsin und Peking für die städtischen Abwässer gebaut. So werden z.B. seit September 1971 die Abwässer Pekings, statt in den Hai-Fluß, der auch quer durch Tientsin verläuft, durch einen Tunnel direkt ins Meer ge­leitet. Auf diese Weise wird der Hai Fluß nicht weiter verschmutzt und die Trinkwasserversorgung gesichert. 78). S. 60, 61

Aber man achtet auch gleichzeitig darauf, daß das Meer nicht zu stark belastet wird.

Überall in China wird der Gewässerschutz vorangetrieben. Alleine 1971 haben die Industriezweige Shanghais über 1,4 Millionen Tonnen verschiedener che­mischer Stoffe aus Abwässern zurückgewonnen. Unweit von Shanghai liegt das neue Industriezentrum Chinas, Nanking, die alte Hauptstadt des Chiang­ Kai-schek Regimes. Die Nankinger Chemische Fabrik hat von 1969 an jedes Jahr über 5.000 Tonnen Schwefelsäure aus ihren Abwässern gewonnen, die vorher in den Jangtsekiang geleitet wurden. Das schlammige Wasser aus den Tientsiner Sodawerken wird von vielen kleinen Chemiefabriken aufbereitet, die vom August 1970 bis April 1971 mehr als 690 t und 28 chemische und pharmazeutische Produkte aus den Abwässern erzeugten. 97) Auch die vielen Papierfabriken Chinas verwerten ihre Abwässer, um aus ihnen Soda und Dünge­mittel zu produzieren. 98) Die chinesische Presse berichtet jedes Jahr über hunderte neue Beispiele - so ermuntert man Wissenschaftler und Arbeiter zu immer effektiveren Methoden des Umweltschutzes. zurück zum Inhalt

LUFTVERSCHMUTZUNG:

Als Beispiel, wie man die Luftverschmutzung in China langsam reduziert und ganz beseitigt; kann der Ascheausstoß der Wärmekraftwerke dienen. Anfang der 60er Jahre wurden jährlich Zehntausende von Tonnen über den Schorn­stein frei. Da die Asche einen hohen Prozentsatz an Kohle enthält, hat man eine Methode entwickelt, um aus der Asche Ziegel zu brennen und gleichzei­tig den Kohleanteil zur Wärmeentwicklung zu nutzen. Nicht nur, daß die Luft­verschmutzung stark reduziert wurde, die so gefertigten Ziegel sollen auch doppelt so haltbar sein, und gleichzeitig wurden die Produktionskosten um 20% verringert.

Die chinesische Industriepolitik plant heute bei jedem Neubau einer großen Industrie gleichzeitig die Folgeindustrie, die die Abfälle mitverarbeiten soll. In Shanghai wurde z.B. von einer Ölraffinerie eine zwei km lange Rohrleitung gelegt, die die Abgase dieser Raffinerie, die sonst die Luft in Shanghai verpe­stet hätten, einer chemischen Fabrik im Bezirk Kao-chao zugeführt. 99) Die schädlichen Abgase werden gespalten und gereinigt. Dabei erhält man ver­schiedene Gase wie Äthylen, Propylen, Butan usw. 1001 Nach ihrer Synthese wurden die Gase in vielfältige Ausgangsprodukte für die chemische Industrie umgewandelt und in Shanghaier Textil-, Plastik-, Arzneimittel- und Maschinen­baufabriken verarbeitet, und zwar zu Kunstfaserprodukten, wie leichten, ver­schleißfesten und feuchtigkeitsfesten Kunstwollen, Dacron und Kapron sowie zu verschiedenen Kunststofferzeugnissen für Industriezwecke und für den täg­lichen Gebrauch der Bevölkerung, Pharmazeutika, Schädlingsbekämpfungsmit­tel und medizinische Geräte. 781, 100) Dieses Verfahren wurde gleichzeitig von den Ölraffinerien in Kwantung und in der Provinz Shantung übernommen und wird sicherlich in ganz China Verbreitung finden. 101) '

Häufig kommen die Anstöße zu einem besseren Umweltschutz von der Beleg­schaft. In einer chemischen Industrie, die Schwefel- und Salzsäure in der Fer­tigung verwendet, wurde ein Teil dieser Gase mit der Abluft abgegeben. Die Arbeiter kritisierten die Betriebsleitung wegen ihrer Passivität und nahmen dann das Problem selbst in die Hand. Heute werden die Abgase gereinigt und wiederverwendet, und der Betrieb spart jährlich 4.000 t an Schwefel- und Salz­säure.

Der Vizevorsitzende Seng Sui-chun der Shanghaier Elektrochemie-Werke sagte über die organisatorische Seite des Umweltschutzes:„Im Jahre 1971 ist es uns gelungen, 35 Arten von Abfällen zu verwerten und dadurch etwa 4.000 Ton­nen verkäuflicher Chemieprodukte zu gewinnen, aber immer noch gehen uns 20% der Abfallgase durch die Lappen. Die Leitung auf allen Ebenen, vom Re­volutionskomitee der Shanghaier Stadtverwaltung bis zur Fabrikleitung, wie auch die Masse der einfachen Arbeiter widmet diesem Problem große Auf­merksamkeit. Wir schicken Gruppen in andere Fabriken und in Schulen, um das Problem zu untersuchen und Erfahrungen auszutauschen; wissenschaftliche

Institute schicken Gruppen in unsere Fabrik, um unsere Probleme kennenzu­lernen. Die Fabriken haben keine technischen Geheimnisse, die sie voreinan­der verstecken müßten, wie es meines Wissen in kapitalistischen Ländern der Fall ist, und so ist es einfach, die gemeinsamen Probleme in den Griff zu be­kommen. Wir haben alle dasselbe Ziel, den Sozialismus schneller aufzubauen und den Interessen des Volkes besser zu dienen." 6), S. 231

Ein negativer Einfluß der Industrialisierung auf die Gesundheit der Menschen ist aber auch in China zu spüren. Auf die Frage nach den häufigsten Todesur­sachen im Krankenhaus der Industriestadt Djinan lautete die Antwort: Lun­gen- und Leberkrebs sowie Herzkrankheiten. In ländlichen Gebieten ist Krebs dagegen so gut wie unbekannt. 7). S. 5 Bei ärztlichen Untersuchungen an Kin­dern, die in der Nachbarschaft der Schih-sching-schan Stahl- und Eisenwerke in Peking lebten, wurden Vergrößerungen der Leber entdeckt, die durch Schwe­feldioxide verursacht waren. 11). China ist sich aber der Gesundheitsgefahren durch Umweltverschmutzung voll bewußt und macht auch keine Anstalten, diese Gefahren vor der Bevölkerung zu verschleiern, wie es so häufig in unse­rem Lande der Fall ist. Und in den Fällen, bei denen die Chinesen keine Lö­sungen für ihre Umweltprobleme fanden, siedelten sie die Fabriken um, indem man sie weiter zum Pazifik verlegte oder aber :, indem man die Windrichtung bei der Umsiedlung mehr beachtete und sie in einigen Fällen in fast menschen­leere Gebiete verlegte. zurück zum Inhalt

ENERGIEVERSORGUNG UND ROHSTOFFVERBRAUCH:

Der Energieverbrauch der Chinesen liegt bei 0,4 t Öleinheiten pro Einwohner und Jahr und beträgt somit etwa ein Zehntel des Verbrauches in einer hoch industrialisierten Nation. Oder anders ausg2drückt: 50 Millionen Amerikaner verbrauchen für ihre Klimaanlagen genau5oviel Energie wie 800 Millionen Chinesen für ihre gesamte Volkswirtschaft. Damit soll nicht gesagt sein, daß China nicht elektrifiziert ist --- im Gegenteil, Elektrizität ist fast überall in China vorhanden. Über 50.000 kleine Wasserkraftwerke sind im ganzen Land verteilt. Häufig sind diese Wasserkraftwerke mit Bewässerungsanlagen, Stau­dämmen, Wasserreservoirs u.ä. verbunden.

Obgleich die Chinesen an der Technologie der Kernkraftwerke interessiert sind, mehrere kleine Militärreaktoren für ihr Waffenprogramm haben und lei­der auch Kernwaffentests in der Atmosphäre durchführen, lehnen sie die Er­richtung von Kernkraftwerken in China ab. Die Gründe sind vielfältig. Einmal besitzen die Chinesen ausreichend fossile Brennstoffe, hauptsächlich Öl und Kohle, um ihr weitreichendes industrielles Programm zu verwirklichen. Zwei­tens benötigen die Chinesen aufgrund ihrer Dezentralisierungspolitik keine so großen Energiemengen, wie sie ein Kernkraftwerk an einem Ort konzentriert abgibt. Drittens ist man nicht bereit, in eine Anlage so viel Kapital zu investie­ren, solange andere Investitionen nötiger sind und genügend billigere Energie­träger vorhanden sind. Und endlich betont man, daß der Einsatz der Kerne­nergie noch zu gefährlich sei. Die chinesischen Planer und Politiker argumentie­ren, daß sie die Kernenergie immer noch einsetzen können, falls westliche Län­der zufriedenstellende Lösungen finden sollten. Zur Zeit wären ihnen die Ge­fahrenmomente der Nukleartechnik jedoch zu hoch und gegenüber ihrer Be­völkerung nicht zu verantworten: Auch die großen Schiffswerften lehnen nu­klear betriebene Schiffe aufgrund der großen Gefahren ab. 18),S.116,30),S.23 Stattdessen bemüht man sich, Rohstoffe und Energien einzusparen und Alter­nativtechnologien zu entwickeln. Die Prozeßwärme der Industrie wird als Haus­wärme weiter verwendet, und im Jahr 1971 wurde durch sparsames Umgehen mit Energien eine vergleichbare Elektrizität von der Jahresproduktion eines 700 000 KWe großen Kraftwerks eingespart. Weiterhin konnte man durch ei­ne Massenkampagne für Sparsamkeit 1971

15,0 Mio. t Kohle; 0,9 Mio. t Stahl; 0,7 Mio. t ÖI; 0,5 Mio. t Chemikalien; 3,5 Mio. m3 Holz; einsparen, und diese Werte ließen sich weiter verbessern. 102)

Als Alternativtechnologien werden mehrere Möglichkeiten erprobt und einge­setzt. In Kwang Chou befindet sich ein Gezeitenkraftwerk mit einigen Tau­send Kilowatt Leistung. Die Windenergie und geothermischen Möglichkeiten werden an mehreren Stellen genutzt, und weitere Einsatzmöglichkeiten befin­den sich im Versuchs- und Forschungsstadium. An der Universität Peking wird eine intensive Forschung zur Nutzung der Sonnenenergie betrieben. Wasser wird mit Hilfe der Sonnenenergie für Heizzwecke erwärmt, oder es wird Elek­trizität in Sonnenöfen, ähnlich wie in Frankreich, erzeugt. In Tibet begann man bereits 1566 mit der Nutzung der Sonnenenergie. Wissenschaftlern des ti­betanischen Vermessungs- und Projektierungsinstituts für Industriebauten ge­lang es nach wiederholten Experimenten, einen kleinen Sonnenenergie-Bade­raum, einen Sonnenenergieofen und einen Sonnenenergie-Kessel zu bauen, Später wurde im Hof des Hauptquartiers des Militärbezirks Tibet ein Badehaus gebaut, dessen Wasser durch Sonnenenergie gewärmt wird. Ausgestattet mit einem 280 Quadratmeter großen Glasbehälter zur Wassererwärmung, kann das Bad täglich von über 300 Menschen genutzt werden. Bis jetzt haben über zehn Einheiten in Lhasa, der Hauptstadt des autonomen Gebiets Tibet, öffent­liche Bäder dieser Art errichtet.

Neben öffentlichen Badehäusern werden auch immer mehr mit Sonnenenergie geheizte Kessel und Öfen zum Einsatz gebracht. Die kastenartigen Sonnene­nergie-Öfen mit geneigter Oberfläche werden von den zuständigen Abteilungen in den Landwirtschafts- und Viehzuchtgebieten des autonomen Gebiets Tibet immer mehr eingeführt. 103) zurück zum Inhalt

VERKEHR:

Ein Faktor, der die Umwelt stark beeinflußt, ist die Verkehrspolitik. In China hat man sich bisher hauptsächlich auf Eisenbahnen und andere kollektive Transportsysteme, daneben auch auf das Fahrrad, konzentriert. Eine unserer wesentlichsten Verschmutzungsquellen existiert in China nicht: der motori­sierte Individualverkehr. Von ein paar Staatskarossen und Taxen abgesehen, gibt es kaum Personenkraftwagen. Hauptverkehrsmittel der Bevölkerung ist das Fahrrad, für das man zwar ungefähr zwei bis drei Monatslöhne zahlen muß, aber das wie die Armbanduhr und das Radio zum allgemeinen Lebensstandard gehört, Die Nahverkehrsbusse sind vielfach mit Elektromotoren ausgestattet und werden durch Oberleitungen gespeist, so daß auch hier kaum härm (vom beliebten Hupen abgesehen) und Verschmutzung entstehen. Einige Strecken des Eisenbahnnetzes sind ebenfalls bereits elektrifiziert. 7)

Somit entfällt der größte Teil der Luftverschmutzung in städtischen Gebieten. Weitere Vorteile sind, daß kaum Unfälle auftreten und daß beträchtliche Flä­chen, die sonst für Straßen und Parkplätze benötigt worden wären, der Land­wirtschaft oder der Bevölkerung als Parkanlagen zu Verfügung stehen. Es wer­den auch beträchtliche Mengen an Öl eingespart, die somit der Wirtschaft nicht verloren gehen. Als weiteres entfällt die Lärmbelästigung, die in den meisten westlichen Städten eine Gesundheitsplage ist. Auch Fluglärm entfällt zum großen Teil, da China zwar ein dichtes und billiges Flugnetz hat, aber keine Kurzstreckenflüge unternimmt. Mit den Transportmitteln: Eisenbahn, Bus und Fahrrad hat China die meisten Umweltprobleme umgangen, unter denen westliche Großstädte so stark zu leiden haben.

Es ist auch nicht damit zu rechnen, daß China in Zukunft Privatautomobile zulassen wird. Einer von Pekings Städteplanern erklärte, daß die zwei Mil­lionen Fahrräder Pekings die Leute gesund halten und beweglicher machen, beträchtliche Energien sparen und Luftverschmutzungen verhindern. Außer­dem wird das Fahrrad nicht nur zum Personentransport benutzt, sondern gilt als Universaltransportmittel; mit dem Lasten jeglicher Art transportiert wer­den.

Als Alternative zum Fahrrad existieren elektrisch getriebene Busse. Die Fahrt­kosten sind sehr niedrig. In Peking befindet sich auch ein U-Bahn-System und für die Vororte eine S-Bahn. Viele Firmen versuchen jedoch, ihre Mitarbeiter zum Gebrauch des Fahrrads zu animieren, indem sie Arbeitern, die nicht die Firmenbusse benutzen, finanzielle Prämien gewähren. Peter Hayes schrieb in „Chain Reaction" über die Verkehrssituation in China: „Während die Busfahrer ihre Hupen sehr häufig benutzen, sind die chinesi­schen Städte nachts sehr still. Für tausende Fahrräder, die in Fahrradständern untergebracht sind, gibt es keine Parkprobleme. Die Menschen in China haben keine Angst vor der Straße. Wenn in Peking abends kein Verkehr mehr herrscht, spielen Kinder auf den Hauptverkehrswegen und Kreuzungen, und die Be­wohner nutzen die Straße als Lebensraum, indem sie Tische und Stühle her­ausstellen. In Nanking schlafen die Menschen sogar auf der Straße oder auf Brückenkanälen, um der Hitze zu entgehen und um sich von der Nachtbrise kühlen zu lassen. Eine ganze Familie sah ich schlafend in Hängematten in der Mitte einer Hauptstraße." 30), S. 23

Die Dezentralisierungspolitik Chinas hat auch Einflüsse auf das Transportwe­sen. Da die meisten Industrien direkt in der Nähe der Rohstoffvorkommen liegen, sind weitere Transporte unnötig. Ähnlich verhält es sich mit den Woh­nungen. Fast alle Chinesen leben in unmittelbarer Nähe ihres Arbeitsplatzes, so daß sie mit dem Fahrrad bequem die Arbeit erreichen können. Dies ist möglich, da die Wohnqualität nicht durch Umweltverschmutzung beeinträchtigt wird. zurück zum Inhalt

UMWELTSCHUTZ UND POLITIK:

Die vielen kleinen Firmen, die überall in China gegründet werden, sind nicht nur wichtig, um neue Methoden der Wiederverwendung und um neue Umwelt­schutzmaßnahmen zu finden, sondern auch, um schnell Techniker und ein Firmenmanagement auszubilden. Aber auch Arbeitern und Bauern versucht man, eine technisch-naturwissenschaftlich-politische Bildung in kürzester Zeit zu vermitteln und sie zur Kreativität anzuhalten: Dies ist in China mög­lich, da dort die Entwicklung nicht durch kurzsichtige wirtschaftliche Motive bestimmt wird, sondern nach Maos Richtlinien: „Man muß immer von den In­teressen des Volkes ausgehen", von „dem Prinzip dar vielseitigen Anwendung" und „das Schädliche muß zum Nützlichen umgewandelt werden".

Daß die Bekämpfung der Umweltverschmutzung von der chinesischen Füh­rung mit der Befolgung der revolutionären Linie Mao Tse-tungs in Zusammen­hang gebracht wird, zeigt deutlich, wie ernst die chinesische Führung diesen Aufgaben gegenübersteht. Allerdings wurde diese Aufgabe erst nach der Kul­turrevolution ernsthaft angegangen. Insbesondere seit Anfang 1970, als die chinesische Wirtschaft einen Aufschwung erlebte, wurde diese Bewegung von der Regierung neu belebt und ihre Bedeutung für den Wirtschaftsaufbau Chinas bekräftigt. Neben der Betonung der Richtlinien des Vorsitzenden Maö:„Ver­trauen auf die eigene Kraft", „Durchführung eines strengen Sparsamkeitsre­gimes", „Kampf gegen die Verschwendung" usf., wurde diesmal die sogenannte „Mehrzwecknutzung" in der Industrieproduktion in den Vordergrund gestellt. Mehrzwecknutzung bedeutet folgendes: Nach der Verurteilung der Linie Liu Shao-chis, die die „Entwicklung einer einzigen Wirtschaft" und der „Absolu­ten Arbeitsteilung" anstrebte, soll seit der Kulturrevolution keine strenge Ab­grenzung zwischen den einzelnen Industriezweigen mehr bestehen. Alle Betrie­be sind gehalten, „die Produktion in die Tiefe und die Breite voranzutreiben, die Naturressourcen nach rationeller auszunutzen und die Produktionskapazi­tät der Betriebe voll zur Geltung zu bringen." 1041, 78)

„Wir können keine Situation dulden, in der die „drei" Abfälle der Gesundheit des Volkes schaden", sagte Wang Hsing, Vizevorsitzender der Städtischen Bau­verwaltung in Nanking. „Wir sind ein sozialistischer Staat, das heißt, die In­dustrieunternehmen sind nicht dazu da, Profite zu machen, sondern dem Volke zu dienen. Es geht die Arbeiter auf allen Ebenen an, wenn die Gefahr besteht, daß die Produktion ihrer Fabrik die Interessen des Volkes schädigt, deshalb entwickeln sie alle möglichen Initiativen, um diese Gefahr auszuschal­ten, aber auf eine Weise, die die Gesamtwirtschaft so wenig wie möglich be­einträchtigt. So war zum Beispiel die Ausrüstung zur Reinigung der Abwässer des Petr4chemischen Werks sehr kostspielig, was dar dafür zuständigen Abtei­lung regelmäßig Verluste einbrachte. Die Arbeiter wollten auf keinen Fall die­se Verluste aus den Kommunen decken; die das Wasser nach der Reinigung zur Bewässerung ihrer Felder benutzten. In diesem Fall wurden die Verluste durch die Wiederverwendung nutzbarer Chemikalien aus den Abfallgasen an­derer Abteilungen der Fabrik mehr als ausgeglichen. Aber auch wenn das nicht möglich gewesen wäre, hätte man das Wasser gereinigt, und die Fabrik hätte die Verluste getragen." Denn „wie würden wir dem Volk dienen, wenn wir zu­ließen, daß die Luft; die die Menschen atmen, verschmutzt wird? ... Die Kosten spielen keine Rolle, wenn es um die Gesundheit des Volkes geht. Egal, ob es Fabriken sind, die vom Staat oder von der Stadt Nanking verwaltet werden, es ist unsere Organisation, die über die Bedingungen entscheidet, unter denen sie eingerichtet und betrieben werden. Wir haben dazu keine passive, sondern ei­ne sehr aktive Einstellung, und die Arbeiter sind selbst sehr wachsam." 6), S. 229, 230

Ähnliche Beispiele konnte man im Laufe des Jahres 1970 fast täglich in chine­sischen Zeitungen lesen. Dabei wiederholte die chinesische Regierung jedes ­mal, daß es bei der Durchführung des Umweltschutzes nicht in erster Linie auf die Wirtschaftlichkeit eines Betriebes, sondern ganz allgemein auf die Ein­stellung des arbeitenden Menschen gegenüber den Abfällen ankomme. „Geht man vom metaphysischen Standpunkt aus, so sind Abfälle immer Abfälle und können nicht weiter genutzt werden; das heißt, man wirft sie weg. Wenn man jedoch nach der materialistischen Dialektik handelt, sind Abfall und Nichtab­fall nur relative Begriffe. Auf der Welt gibt es nichts, was absolut Abfall ist." 105) Außerdem betont die chinesische Führung: „Den objektiven Möglichkei­ten der Nutzung von Ressourcen ist keine Grenze gesetzt. Die Erkenntnis des Menschen von der Natur hat auch keine Grenzen," 105) Damit versucht die chinesische Regierung, wie bei allen Bewegungen in China, durch ideologische Überzeugung der Massen den aktiven Faktor im Menschen möglichst zur Gel­tung zu bringen bzw. die Initiative der Massen bei der Durchführung der Mehr­zwecknutzung zu fördern. China ist ein großes Land. Ohne die aktive Teil­nahme der Bevölkerung wäre jede Bewegung von vornherein zum Scheitern verurteilt. 78)

In der Pekinger Volkszeitung vom 7.9.1971 wurden zum ersten Mal neue Ziele für die Industrie gesetzt: „Eine Fabrik, die immer rechtzeitig ihren Plan erfüllt, aber auf der anderen Seite infolge der Vernachlässigung der Ausnut­zung von Abfällen landwirtschaftliche Kulturen zerstört, das Leben von Fi­schen und die Gesundheit des Volkes ernsthaft schädigt, hat trotzdem die ihr gestellte Aufgabe nicht erfüllt, selbst wenn die von ihr erzielte Leistung sehr hoch liegt." 106) Diese neue Zielsetzung ist deshalb für den Umweltschutz von großer Bedeutung, weil auch in einem sozialistischen Land wie China die maximale Planerfüllung, die früher rücksichtslos durchgesetzt wurde, nicht mehr als das allein Erstrebenswerte für die Gesellschaft angesehen wird. Lang­fristig gesehen ist diese von der chinesischen Regierung in Gang gesetzte Ent­wicklung sowohl für China als auch für die ganze Welt positiv. Denn das ein­seitige rücksichtslose Streben nach mehr Produktion wird eines Tages die Na­tur aus dem Gleichgewicht bringen. In dieser Hinsicht ist es zu begrüßen, daß China in seiner Ideologie die Konsumgesellschaft von vornherein ablehnt. Auch die durch eine maßlose konsumorientierte Industriegesellschaft verur­sachte Müll-Lawine aus Verpackungsmaterial, leeren Konservendosen, Flaschen usw. wird daher für China kaum ein Problem werden. 78)

Aus dem vorher gesagten ergibt sich eindeutig, daß der Umweltschutz in China nicht als eine isolierte, nur technische oder juristische Frage behandelt wird, sondern als eine politische und zwar gesamtpolitische. Die Technik muß dem Menschen dienen, und ihr Einsatz und ihre Entwicklung darf nur zum Wohle des Volkes geschehen. Nun, in der BRD hören wir manche wohlklingen­de Worte. Aber schon am Beispiel der Kernenergie lassen sich leicht Wider­sprüche aufzeigen: Während China Kernkraftwerke aufgrund der großen Ge­fährdung für seine Bevölkerung ablehnt, werden in der BRD Kernkraftwerke gebaut, und die Behörden dienern vor der Industrie und lügen mit ihr im Ver­ein der Bevölkerung die Ammenmärchen von der Umweltfreundlichkeit und Sicherheit von Reaktoren vor In den westlichen und östlichen Industrielän­dern wird oft behauptet, daß effektiver Umweltschutz für Industrie und Ge­sellschaft kostenmäßig nicht tragbar sei. In China aber ist man der Ansicht, daß Wirtschaftlichkeit nur im Gesamtinteresse des Volkes gesehen werden kann, und China beweist, daß Umweltschutz nicht nur notwendig ist, sondern auch wirtschaftlich sein kann. zurück zum Inhalt

UMWELTSCHUTZ ALS KOLLEKTIVE AUFGABE von Chou En-lai

Die Bourgeoisie verdammt uns und behauptet, wir würden nur auf das Kollek­tiv Wert legen und wären gegen die Selbstverwirklichung des Einzelnen, aber das ist nicht richtig. In Wirklichkeit treiben die Kapitalisten die Dinge ins Ex­trem, indem sie nur die individuelle und nicht die kollektive Verantwortung betonen. Das schafft Anarchie in der Produktion. Nehmen wir die Umweltver­schmutzung. Dieses Problem kann im kapitalistischen System nicht gelöst werden. Nehmen wir unsere Raffinerie „Roter Osten". Dort haben wir das Problem des Abfalls gelöst. Wir züchten Enten und Fische und bewässern Ge­müsefelder mit dem zurückbleibenden Wasser. Trotzdem sind wir noch nicht zufrieden. Wir wollen, daß dieses Wasser wieder so sauber wird, daß auch Men­schen es trinken Können. Deshalb müssen wir unserer Raffinerie noch einen weiteren Klärprozeß hinzufügen.

Aber in Amerika läuft es in dieser Hinsicht nicht so gut. Die Fische in den großen Seen sterben und genauso die Fische vor den Meeresküsten. Deshalb kämpfen die Amerikaner um die Fische vor den Küsten Perus. Peru und seine Nachbarn haben aus Gründen der Selbstverteidigung eine 200-Meilen-Grenze festgesetzt. Unsere Regierung unterstützt sie. Es war eine der Bedingungen, die wir annahmen, als wir mit Peru diplomatische Beziehungen aufnahmen. Der Monopolkapitalismus verschmutzt nicht nur seine eigenen Küsten, son­dern greift nach dem Reichtum der Gewässer anderer Völker.

Auch Japan hat sehr ernste Umweltprobleme. Der Bürgermeister von Tokio kam kürzlich zu einem Besuch hierher. Er ist ein fortschrittlicher Mann, der keiner Partei angehört. Der Bürgermeister von Yokohama, Mitglied der so­zialistischen Partei besuchte uns auch. Sie besichtigten die Raffinerie „Roter Osten". Ich fragte sie, wie sie der Umweltverschmutzung beikommen wollten. Sie sagten, daß es unter dem gegenwärtigen System keine Möglichkeiten gäbe, das Problem zu lösen. Glücklicherweise herrschen in Tokio alte und kleine Be­triebe vor. Japans Hauptstadt erzeugt keine riesigen Mengen von Abwässern, und außerdem gibt es dort keine großen Ölraffinerien.

Doch der Autoverkehr schafft immense Umweltprobleme. Die Bewohner Tokios sind machtlos ange­sichts des Smogs. Ihr Bürgermeister beneidete Peking mit all seinen Fahrrädern. Aber er sagte, er könne nichts tun, um etwas zu ändern. Die Monopolkapitali­sten wollen ihre Autos verkaufen. Um Profit zu machen, brauchen sie einen großen Markt für ihre Autos, und sie wollen, daß die Leute ihre alten Autos schnell durch neue ersetzen.

Die Bedingungen von Yokohama sind schlimmer. In den Küstengewässern lebt heute kein Fisch mehr wegen der großen Raffinerien. Wenn sich der Individu­alismus in einem so hohen Maße entwickelt, treibt er die Menschen dazu, sich gegenseitig zu unterdrücken und zu schädigen. Das ist der Grund für die Um­weltverschmutzung. Sie kann nur durch große Investitionen beseitigt werden. Wegen der finanziellen Einbußen sind die Unternehmer nicht bereit dazu. So zerstört der Kapitalismus in seinem höchsten Stadium seine eigene Umwelt und ist deshalb unmenschlich. Unser Sozialismus hingegen setzt den einzel­nen in ein angemessenes Verhältnis zum Kollektiv, aber das ist etwas anderes als „Alles für den Gemeinnutz, nichts für den Eigennutz". Der Sozialismus kann die Dinge nicht so weit verändern, daß es kein eigenes Interesse, sondern nur noch das allgemeine Interesse gibt. Aber unser Ziel ist, daß die Menschen ihre persönlichen Interessen den allgemeinen Interessen unterordnen und sich selbst und das Kollektiv in ein harmonisches Verhältnis zueinander bringen. zurück zum Inhalt