Kurt Gossweiler: Lenin oder Kautsky?I. Diskussionsbeitrag zu Leo Mayers Thesen zu Globalisierung und KriegAm 5.und 6. Juli fand eine von der Marx-Engels-Stiftung in Wuppertal veranstaltete Konferenz statt zum Thema: Imperialistische Kriegspolitik und Staats- und Demokratiefrage heute. (S. „Junge Welt“ v. 8.Juli d.J.) Der Nachmittag des ersten Tages war Referaten gewidmet, die sich mit der Analyse des gegenwärtigen Kapitalismus beschäftigten: Prof. Dr. Gretchen Binus sprach zum Thema: „Monopolstrategien heute“, Leo Mayer vom isw München zum Thema „Globalisierung und Krieg“, Patrick Köbele, Essen zu „Rolle und Entwicklung der EU im internationalen Imperialismus, und Dr. Hans-Peter Brenner, Bonn, zum Thema: „Hegemonialmacht USA – aus der Sicht der Leninschen Analyse der unterschiedlichen Imperialismusvarianten.“ Die Diskussion zu diesen Referaten begann noch am Samstagnachmittag und wurde am Sonntagvormittag fortgesetzt. In einem Diskussionsbeitrag beschäftigte ich mich mit dem Referat von Leo Mayer. Das Folgende ist eine nach meinen Stichpunkten rekonstruierte Fassung dieses Beitrages, erweitert durch die Zitate von Lenin und Stalin. Gestern hat Leo seine bekannte und sehr umstrittene Theorie des globalen Kapitalismus, in acht Thesen gefasst, vorgetragen. Ich will in meinem Diskussionsbeitrag nur zu einem Punkt Stellung nehmen, bei dem der Widerspruch seiner Theorie zur imperialistischen Realität besonders offenkundig ist, nämlich zur Frage des Wesens der Differenzen zwischen der EU und den USA. Dazu wurden gestern zwei gegensätzliche Auffassungen vorgetragen. Genossin Binus sprach in ihrem Referat davon, es handele sich bei diesen Differenzen um die Konkurrenz und die Rivalität zwischen dem USA-Imperialismus auf der einen, dem Imperialismus von „Kern-Europa“ mit Deutschland und Frankreich an der Spitze, auf der anderen Seite. So sahen auch Patrick Köbele und Hans-Peter Brenner die Differenzen zwischen den USA und der EU. Dem widersprach Leo Mayer in seinen Thesen ganz entschieden. In seiner These 3 führte er aus: Das Ende der Systemkonkurrenz ist auch das Ende der nationalen Imperialismen. Aber hat sich vor unseren Augen nicht das genaue Gegenteil abgespielt? Haben wir etwa nicht erlebt, dass mit dem Verschwinden des gemeinsamen Feindes Sowjetunion und Warschauer Vertrag die bis dahin weitgehend gedeckelten innerimperialistischen Gegensätze nun viel offener in Erscheinung traten und – nach einer kurzen Phase „uneingeschränkter Solidarität“ mit den USA nach dem Schock des 11. September – im Vorfeld und während der USA-Intervention gegen den Irak in einer bis dahin nie für möglich gehaltenen Schärfe ausgetragen wurden? Auf welche Tatsachen stützt Leo Mayer seine Behauptung vom Ende der nationalen Imperialismen? Er führt dafür überhaupt keine Tatsachen, sondern nur weitere Behauptungen ins Feld, wie etwa die folgende, ebenfalls aus These 3: nachdem er die schon seit Marx` Zeiten gültige und seitdem zur Binsenweisheit gewordenen Feststellung trifft: „Die Entwicklung der Produktivkräfte sprengt nationale Grenzen,“ folgt die als Schlußfolgerung daraus dargebotene Behauptung: Wir haben es nicht mehr mit Konkurrenz-Verhältnissen, sondern mit internationaler Arbeitsteilung zu tun Und:. „Die EU und die USA sind ein einziges Produktionssystem“. (These 4) Aber: haben die zugespitzten Auseinandersetzungen Bush`s mit den “Alten Europäern“ vor, während und nach dem Irak-Krieg nicht mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit offenbart, dass es dabei auch um einen scharfen Konkurrenzkampf der imperialistischen Führungsmächte um die Beherrschung des irakischen Öls geht? Nein, sagt Leo Mayer in seinen Thesen. Es handele sich dabei nicht um Rivalitäten von selbständigen Imperialismen, sondern lediglich um taktische Differenzen. Im „Krieg gegen den Terror“ seien die USA eine Art „Weltdienstleister“ für die transatlantischen Konzerne. Nur die USA seien in der Lage, die kapitalistische Ordnung zu garantieren. „Im Irak-Konflikt sicherten die USA den Ölfluß für alle Metropolen-Mächte.“ (These 7). Wie denn das, Leo? Es kann Dir doch nicht entgangen sein, was durch alle Medien ging, dass nämlich „Frankreich, Russland und China lukrative Verträge“ mit Saddam Hussein abgeschlossen haben, in denen für sie das Recht zur Ausbeutung irakischer Ölquellen verbrieft wurde, sobald die UNO-Sanktionen aufgehoben sein würden, (ND v. 20. 9.02), dass aber die Bush-Administration erklärt hat, nach dem Sturz Husseins seien diese Verträge hinfällig. Diese offensichtliche Verdrängung der Franzosen und Russen vom irakischen Ölfluss werden diese wohl kaum bereit sein, als „Sicherung des Ölflusses durch die Amerikaner für alle Metropolen-Mächte“ anzuerkennen. Und welche Tatsachen führt Leo Mayer an, die uns veranlassen könnten, dieser seiner These zuzustimmen? Keine. Es sei denn, man sei bereit, seine Feststellung in These 8 als unumstößliche Tatsache anzusehen. In dieser These 8 weist er die Ansicht als falsch zurück, die Europäische Union wolle sich von den USA unabhängig machen. Eine solche Ansicht sei einfach deshalb falsch, weil das gar nicht ginge, schon allein wegen der militärischen Überlegenheit der USA. Diese Überlegenheit aufzuholen, sei unfinanzierbar, die EU habe dafür keine Mittel. Die USA seien so stark, dass jeder Versuch aussichtslos sei, sich von ihnen unabhängig zu machen. Einer solchen Feststellung könnte man zustimmen, wenn wir nicht aus These 3 wüssten, dass Leo Mayer hier nicht einfach die selbstverständliche ökonomische und politische Interdependenz aller Staaten als nicht aufhebbar erklären will, sondern mit dieser Aussage zum Ausdruck bringt, dass nach seiner Ansicht ein Versuch irgendeiner anderen Mächtegruppierung, wie etwa der EU, eine mit den USA gleichberechtigte Position einzunehmen, im Ernst gar nicht mehr unternommen werden könne – eben weil es keine nationalen Imperialismen mehr gäbe und das frühere Konkurrenzverhältnis zwischen EU und USA sich infolge der erdrückenden Überlegenheit der USA in ein Verhältnis der Arbeitsteilung gewandelt habe. Diese Sicht Leo Mayers überrascht mich nicht nur wegen der Kühnheit, mit der sie Behauptungen ohne und sogar gegen offenkundige Tatsachen aufstellt, sondern ebenso sehr durch ihren sehr einseitig auf die Ökonomie und das Militärische und auf das Verhältnis EU-USA gerichteten Blick, wo man doch eine globale Sichtweise erwarten müsste. Bei seinem Streben nach Unterwerfung des Rests der Welt unter sein Kommando hat es der USA-Imperialismus ja nicht nur mit der Europa-Union zu tun. Und die EU steht mit ihrem Widerstand gegen die Unterwerfung unter das Diktat der USA keinesfalls allein da. Wer nach Weltherrschaft strebt, wird sich die ganze Welt und am Ende auch noch das eigene Volk zum Feinde machen. Das Bild vom allmächtigen USA-Imperialismus, dem keiner zu widerstehen vermag, ist nicht einmal eine Momentaufnahme des gegenwärtigen Kräfteverhältnisses, sondern eine Aufnahme aus einer falschen Perspektive und ohne jede Einsicht, dass wir es mit einem Prozess zu tun haben, in dem immer noch das Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung und der daraus folgenden unvermeidlichen Veränderung des bestehenden Kräfteverhältnisses wirksam ist. Als ich gestern das Referat von Leo Mayer hörte, drängte sich mir unwillkürlich die Frage auf: was würde wohl mein Freund Rolf Vellay, der so viele Konferenzen hier mit seinen ebenso streitbaren wie klugen Diskussionsbeiträgen bereichert hat, zu unserem Thema beisteuern? Ich bin mir ziemlich sicher, er hätte in Erwartung dessen, was uns Leo vortragen wird, vorsorglich Stalins Arbeit „Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR“ mitgebracht und daraus folgende Passage vorgelesen: „Manche Genossen behaupten, dass infolge der Entwicklung der neuen internationalen Bedingungen nach dem zweiten Weltkrieg Kriege zwischen den kapitalistischen Ländern nicht mehr unvermeidlich seien. Sie meinen, dass die Gegensätze zwischen dem Lager des Sozialismus und dem Lager des Kapitalismus stärker seien als die Gegensätze zwischen den kapitalistischen Ländern, dass die Vereinigten Staaten von Amerika sich die anderen kapitalistischen Länder so weit untergeordnet hätten, um ihnen nicht zu gestatten, untereinander Krieg zu führen und sich gegenseitig zu schwächen, dass die tonangebenden Leute des Kapitalismus aus der Erfahrung zweier Weltkriege, die der ganzen kapitalistischen Welt schweren Schaden zugefügt haben, genügend gelernt hätten, um sich nicht noch einmal zu erlauben, die kapitalistischen Länder in einen Krieg gegeneinander hineinzuziehen – dass infolge all dessen die Kriege zwischen den kapitalistischen Ländern nicht mehr unvermeidlich seien. Diese Genossen irren sich. Sie sehen die an der Oberfläche schimmernden äußeren Erscheinungen, aber sie sehen nicht die in der Tiefe wirkenden Kräfte, die, obwohl sie vorläufig unmerkbar wirken, dennoch den Lauf der Ereignisse bestimmen werden. Nach außen hin scheint alles `wohlgeordnet` zu sein. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben Westeuropa, Japan und andere kapitalistische Länder auf Ration gesetzt; (West)Deutschland, England, Frankreich, Italien, Japan, die in die Klauen der USA geraten sind, führen gehorsam die Befehle der USA aus. Es wäre aber falsch, anzunehmen, dieser `wohlgeordnete Zustand könne ` ìn alle Ewigkeit` erhalten bleiben, diese Länder würden die Herrschaft und das Joch der Vereinigten Staaten von Amerika endlos dulden, sie würden nicht versuchen, aus der amerikanischen Knechtschaft auszubrechen und den Weg einer selbständigen Entwicklung zu beschreiten. ... Daraus folgt aber, dass die Unvermeidlichkeit von Kriegen zwischen den kapitalistischen Ländern bestehen bleibt.“
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Rolf ist nicht mehr unter uns, aber die Erinnerung an ihn und seinen unermüdlichen Kampf für die Weitergabe des unverfälschten Erbes der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus sollte in den Veranstaltungen der Marx-Engels-Stiftung einen festen Platz haben. Sein Kommentar zu dem vorgelesenen Zitat wäre sicher die Frage gewesen, ob diese Erklärung Stalins nicht eine viel schlüssigere Erklärung für die gegenwärtigen Differenzen zwischen den USA und dem „alten Europa“ gibt, als Leos Theorie des „Endes der nationalen Imperialismen“ und der Wandlung des früheren Konkurrenz-Verhältnisses in eine bloße Arbeitsteilung. Diese Theorie ist übrigens – wie sicher nicht ganz unbekannt -, keineswegs neu. Es ist gerade 10 Jahre her, dass ich auf dem Hamburger Kongress „Was tun?“ der Gremliza-Zeitschrift „Konkret“ das Vergnügen hatte, zusammen mit Georg Fülberth gegen Robert Kurz‘ Verkündung des Endes des Kampfes nationaler Imperialismen gegeneinander zu argumentieren. Nach Robert Kurz hatte sich schon damals, 1993, der Kapitalismus zu einem globalen Gesamtsystem entwickelt, wodurch das Kapital zu einem „unmittelbaren Weltkapital“ geworden sei. Wir haben damals daran erinnert, dass auch Kurz nicht den Anspruch erheben kann, der Erfinder dieser Theorie zu sein, sondern dass er - wie in unseren Tagen auch Leo Mayer - nur als Wirklichkeit in der Gegenwart ausgibt, was schon im ersten Weltkrieg Karl Kautsky als Möglichkeit der weiteren Entwicklung des Kapitalismus prognostiziert hatte – die Phase des „Ultraimperialismus.“ Es lohnt sich, noch einmal zu hören und nachzulesen, wie Lenin diese Theorie des „Ultra-Imperialismus“ im Kapitel VII seines Standard-Werkes über den Imperialismus beurteilte und widerlegte: „Vom rein ökonomischen Standpunkt, schreibt Kautsky ,sei es nicht ausgeschlossen, dass der Kapitalismus noch eine neue Phase durchmachen werde: die Übertragung der Politik der Kartelle auf die Außenpolitik, die Phase des Ultraimperialimus., d.h. des Über-Imperialismus, der Vereinigung der Imperialisten der ganzen Welt, nicht aber ihres Kampfes, die Phase der Aufhebung der Kriege unter dem Kapitalismus, die Phase der „gemeinsamen Ausbeutung der Welt durch das international verbündete Finanzkapital“. ... Ist ein „Ultraimperialismus“ vom „rein ökonomischen Standpunkt“ möglich, oder ist das ein Ultra-Unsinn? Versteht man unter dem rein ökonomischen Standpunkt eine „reine“ Abstraktion, so läuft alles, was sich da sagen lässt, auf die These hinaus: die Entwicklung bewegt sich in der Richtung der Monopole, also eines Weltmonopols, eines Welttrusts. Das ist unzweifelhaft, aber ebenso nichtssagend wie der Hinweis, dass „die Entwicklung“ sich in der Richtung der Herstellung der Nahrungsmittel im Laboratorium „bewegt“. In diesem Sinne ist die „Theorie“ des Ultraimperialismus ebensolcher Unsinn, wie es eine Theorie der Ultra-Landwirtschaft wäre. Spricht man aber von den „rein ökonomischen“ Bedingungen der Epoche des Finanzkapitals als von einer historisch-konkreten Epoche, die in den Anfang des 20. Jahrhunderts fällt ,so erhalten wir die beste Antwort auf die toten Abstraktionen des „Ultraimperialismus“ ... , wenn wir ihnen die konkrete ökonomische Wirklichkeit der modernen Weltwirtschaft gegenüberstellen. Kautskys leeres Gerede von einem Ultraimperialismus nährt u.a. den grundfalschen Gedanken, der Wasser auf die Mühle der Apologeten des Imperialismus leitet, dass die Herrschaft des Finanzkapitals die Ungleichmäßigkeiten und die Widersprüche innerhalb der Weltwirtschaft abschwäche, während sie in Wirklichkeit diese verstärkt.“ An dieser Stelle fügte Lenin eine Tabelle ein, um die tatsächlich vorhandenen Ungleichmäßigkeiten und Widersprüche zu dokumentieren, und schloß daran folgende Bemerkungen an, die auch in der gegenwärtigen Situation – mutatis mutandis – noch volle Gültigkeit besitzen: „Man stelle dieser Wirklichkeit – mit der ungeheuren Mannigfaltigkeit ökonomischer und politischer Bedingungen, mit der äußersten Ungleichmäßigkeit im Tempo des Wachstums der verschiedenen Länder usw., mit dem wahnwitzigen Kampf zwischen den imperialistischen Staaten – Kautskys dummes Märchen von einem „friedlichen“ Ultraimperialismus gegenüber. Ist das nicht der reaktionäre Versuch eines erschrockenen Kleinbürgers, sich über die grausame Wirklichkeit hinwegzusetzen?“ Ich denke nicht, dass diese Einschätzung Kautskys durch Lenin auch auf jene unserer Modernisierer zutrifft, die heutzutage meinen, was Kautsky damals in die ferne Zukunft verlegte, sei heute bereits Wrklichkeit. Ihr Sehfehler ist offenbar nicht durch ein Erschrecken über die „grausame Wirklichkeit“ blutiger imperialistischer Kriege verursacht. Eher vom Gegenteil: gerade davon, dass gegenwärtig die Kämpfe der imperialistischen Konkurrenten um die Neuaufteilung der Welt nach dem Verschwinden des Sozialismus auf dem europäischen Kontinent und dem sowjetischen Teil Asiens noch so „friedlich“ verlaufen, dass sich bestätigt fühlt, wer da meint, für die Welt von heute mit ihren gewaltigen Veränderungen gegenüber der Zeit, da Lenin seinen „Imperialismus“ schrieb, könne unmöglich eine Theorie der Unvermeidlichkeit kriegerischer Auseinanderetzungen zwischen den imperialistischen Großmächten noch Gültigkeit besitzen, die vor fast hundert Jahren, am Beginn des imperialistischen Zeitalters, entwickelt wurde. Diese unsere „Modernisierer“ finden, die heutige Welt sei mit unserer von Marx bis Lenin geschaffenen Begrifflichkeit nicht mehr „adäquat“ zu erfassen. Neue Begriffe, wie etwa „Globalisierung“ und „Arbeitsteilung anstelle von Konkurrenz“ „Metropolen-Mächte“ statt „Imperialistische Mächte“ müssten her, um das Wesen der neuen Erscheinungen richtig wiederzugeben. Unsere „Modernisierer“ haben allerdings insofern Pech, als gerade in letzter Zeit in Sprachrohren der „transnationalen Monopole“, wie der FAZ, zu lesen ist, wie modern das „Kommunistische Manifest“ doch sei – sei darin doch schon alles das beschrieben und vorausgesagt, was heute als „eine völlig neue Erscheinung“ empfunden und mit dem neuen Begriff „Globalisierung“ bezeichnet würde. Trifft das nicht genau so auf die Argumentation Lenins gegen Kausky zu? „Die internationalen Kartelle, die Kautsky als Keime des Ultraimperialismus erscheinen - ... bieten sie uns nicht ein Beispiel der Aufteilung und Neuaufteilung der Welt, des Übergangs von friedlicher Aufteilung zu unfriedlicher und umgekehrt? Das Finanzkapital Amerikas und anderer Länder, das bisher unter Deutschlands Mitbeteiligung ... die ganze Welt friedlich aufteilte- nimmt es jetzt nicht auf Grund neuer Kräfteverhältnisse, die auf ganz unfriedlichem Wege verändert werden, eine Neuaufteilung der Welt vor?“ In der Tat, treffen diese Ausführungen Lenins zu Kautskys Theorie vom „Ultraimperialismus“ nicht ziemlich genau das Wesen dessen, was sich seit dem Untergang der Sowjetunion und der sozialistischen Staaten Europas vor unseren Augen in der Welt und zwischen den imperialistischen Hauptländern abspielt? Die Genossin Binus und die Genossen Köbele und Brenner haben recht: Der Schlüssel zum Verständnis der Wirklichkeit des Anfangs des 21. Jahrhunderts ist noch immer die zu Anfang des 20. Jahrhunderts von Lenin ausgearbeitete Analyse der Entwicklung des Kapitalismus in sein höchstes und letztes Stadium, den Imperialismus. Dagegen ist die Neuauflage der Kautsky-Theorie vom Ultraimperialismus, in welcher Gestalt und mit welchem Namen verbunden auch immer, auch heute noch kaum weniger wirklichkeitsfremd, als es ihr Original war. Soweit also meine Ausführungen zu Leo Mayer auf der Grundlage meines Diskussionsbeitrages auf der Konferenz. Ich ergänze ihn erstens mit einer kritischen Betrachtung eines Artikel von Leo Mayer und zwei weiteren Genossen in der UZ vom 4. Juli 2003, und zweitens mit einem Anhang, in dem ich marxistische Theoretiker aus drei Ländern – Kuba, England und Österreich – mit Auszügen aus ihren Analysen des Imperialismus von heute zu Wort kommen lasse. Das Studium der vollständigen Arbeiten bzw. des Programms, aus denen diese Auszüge entnommen sind, ist besonders jenen Genossen in der DKP und ihrem Parteivorstand dringend empfohlen, die Leo Mayers Thesen zum Kapitalismus der Gegenwart als dessen adäquate Beschreibung gerne im Programm der DKP wiederfinden möchten Es handelt sich bei den genannten Arbeiten einmal um das Buch: „Imperialismus heute“, verfasst von fünf kubanischen Autoren, zweitens um das Buch des in England lebenden und lehrenden indischen Ökonomen Harpal Brar: „Imperialismus im 21. Jahrhundert“, und drittens um das Landesprogramm der KPÖ-Steiermark. II. Ergänzung zum Diskussionsbeitrag zu Leo Mayers ThesenNun könnte man ja die Frage stellen: welche Bedeutung für die praktische Politik einer kommunistischen Partei hat es denn eigentlich, ob ich nach wie vor in den Differenzen der EU und der USA den Konkurrenz- und Machtkampf verschiedener imperialistischer Mächte sehe, oder mit Leo Mayer der Meinung bin, es gäbe überhaupt keine nationalen Imperialismen mehr und daher auch keinen Konkurrenz- und Machtkampf mehr zwischen ihnen. Die Antwort dürfte eigentlich nicht schwer fallen: Aus den beiden gegensätzlichen Auffassungen über die Interpretation der kapitalistischen Welt von heute ergeben sich folgerichtig auch ganz gegensätzliche Konsequenzen für die praktische Politik einer kommunistischen Partei: Wenn es außer dem USA-Imperialismus keine anderen nationalen Imperialismen mehr gibt, dann gibt es auch keinen deutschen Imperialismus mit eigenen imperialistischen Interessen und Zielen mehr, und dann ist selbstverständlich auch die alte Losung Karl Liebknechts: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ hinfällig geworden. Dann gibt es nur noch einen Hauptfeind für alle: den USA-Imperialismus. Dann haben wir auch nicht mehr für den Sturz der Herrschenden im eigenen Land zu kämpfen, sondern nur noch dafür, dass diese dem Hauptfeind USA-Imperialismus keine Unterstützung leisten bzw. ihm diese Unterstützung entziehen. Dies sind nicht etwa ausgedachte Konsequenzen, sondern dies alles findet sich in einem Artikel in der UZ vom 4. Juli diesen Jahres auf der Seite „Marxistische Theorie und Geschichte“, verfasst von Leo Mayer, Conrad Schuhler und Fred Schmid mit dem Titel: „Wie der Kriegsblock zu stoppen ist. Thesen zur politischen Ökonomie des ‚Kriegs gegen den Terror‘. Aufgaben und Perspektiven der Friedensbewegung.“ Dort ist zu lesen: „Der entscheidende politisch-militärische Machtfaktor für die Durchsetzung der Interessen des transnationalen Kapitals ist der US-Imperialismus, der Kern des Kriegsblocks. Von ihm geht die Hauptgefahr für den Frieden aus. ... Dieser Kriegsblock muß weltweit isoliert, jegliche Unterstützung für Krieg und Besatzungsregimes muß verweigert werden. Ihm muß überall auf der Welt der Boden für seine Angriffskriege entzogen werden.“ Von einem deutschen Imperialismus mit eigenen Interessen und Kriegszielen ist im ganzen Artikel kein Wort zu finden. Statt dessen ist zu lesen: „Politiker, Medien, selbst Teile der jüngsten Antikriegsbewegung wecken und hegen Hoffnung auf die „Zivilmacht Europa“: Sie müsse gegenüber dem US-Kriegsblock auch militärisch zur Gegenmacht aufgebaut werden. Diese Hoffnung ist trügerisch. ...Von der EU und deren Mitgliedstaaten ist kein prinzipieller Widerstand gegen die US-Kriegspläne zu erwarten. Auch das transnationale Kapital Westeuropas, engstens verflochten mit der US-Wirtschaft, braucht für seine Profit- und Verwertungsinteressen die Fortführung und Absicherung der neoliberalen Globalisierung, notfalls auch mit militärischen Mitteln. Allen voran das ökonomische Schwergewicht Deutschland, das als Exportweltmeister und mit dem hohen Internationalisierungsgrad der hier ansässigen transnationalen Konzerne im besonderen Maße auf den „militärischen Gesamtdienstleister“ USA angewiesen ist. ... Dieser Interessenidentität entspringt auch die Idee der NATO-Eingreiftruppe, die vorrangig aus EU-Staaten rekrutiert werden soll. Auch der Aufbau einer EU-Interventionsarmee und die Umstrukturierung der Bundeswehr... zur Eingreiftruppe mit einer Reichweite bis zum „Hindukusch“ liegt in der Logik der neuen US-Militärdoktrin der globalen und präventiven Militärschläge. Mit dieser „Militärmacht Europa“ soll nicht etwa die US-Kriegsfurie gestoppt werden, sondern im Bündnis mit ihr die Welt ausgeraubt und nach den Vorstellungen des transnationalen Kapitals „geordnet“ werden. Allerdings erhofft sich die westeuropäische politische Klasse mit einem größeren Militärpotenzial mehr Teilhabe an Planung und Durchführung künftiger Raubzüge und „Weltordnungskriege“. Das schließt arbeitsteiliges Vorgehen und selbst begrenzte Alleingänge in abgesteckten „Hinterhöfen“ und Einflusszonen ... nicht aus.“ Also kein deutsches imperialistisches Eigeninteresse, so weit man blickt – alles nur „Interessenidentität mit den USA“, schlimmstenfalls „Arbeitsteilung“ und geduldete „Allein-gänge“ auf den „Hinterhöfen“! Folglich besteht kein Grund, Expansionsgelüste eines deutschen Imperialismus zu entlarven und diesen deutschen Imperialismus zu bekämpfen es gibt ihn ja nicht. Es gibt nur „Deutschland“, und alles, was uns zu tun bleibt, ist, von diesem Deutschland zu fordern, dass es seine „Interessenidentität“ mit dem „militärischen Gesamtdienstleister USA“ beendet: „Deutschland darf nicht länger Drehscheibe und Aufmarschbasis für künftige Kriege der USA und ihrer Hilfswilligen sein. ...Deuschland selbst muss sofort alle Soldaten aus der Golfregion und aus den NATO-Protektoraten in Afghanistan und auf dem Balkan abziehen. Der Umbau der Bundeswehr zur Präventivschlag- und globalen Eingreiftruppe muss gestoppt werden. Er steht im Widerspruch zum Grundgesetz.“ Wie das allerdings möglich sein soll angesichts der von den Verfassern im nächsten Satz behaupteten Allmacht des von den USA geführten Kriegsblocks, bleibt ihr Geheimnis : „Der Kriegsblock unter Führung der US-Administration ist gegenwärtig in der Lage, jedem Land seinen militärischen Willen aufzuzwingen.“ Der ganzseitige Artikel macht also eindeutig klar: Die praktische Konsequenz aus der Sicht Leo Mayers und seiner Mitautoren für die Politik der DKP ist der Verzicht auf den Kampf gegen den deutschen Imperialismus. Aber die Endkonsequenz aus dieser Sicht ist sogar eine Beschränkung des Kampfes gegen den USA-Imperialismus auf Appelle an das Völkerrecht und die UNO. Ein Mittel des Kampfes gegen den Imperialismus, das zu den klassischen Mitteln zählt – nämlich die Ausnutzung der Gegensätze zwischen den imperialistischen Mächten – kommt bei Leo Mayer und seinen Mitautoren nicht mehr vor, da es ja nach ihrer Theorie solche Gegensätze nicht mehr gibt. Und sie halten diese vermeintliche Tatsache für eine die Kriegsgefahr vermindernde, argumentieren sie doch gegen jene, die hoffen, mit einer militärisch aufgerüsteten EU könne eine Gegenmacht gegen den US-Kriegsblock aufgebaut werden: „Diese Hoffnung ist trügerisch. Eine hochgerüstete EU würde die Kriegsgefahr vergrößern.“ Ein solches Argument wird nicht selten auch von anderen marxistischen Linken ins Feld geführt, allerdings mit einer entgegengesetzten Begründung, nämlich der, die beiden Weltkriege seien Ergebnis der bewaffneten Auseinandersetzung der imperialistischen Rivalen gewesen, eine Aufrüstung Europas gegen die USA beschwöre einen dritten Weltkrieg aus dem gleichen Motiv heraus herauf. Dies ist nicht die Begründung derMayer-Richtung. Sie lehnt die Aufrüstung der EU deshalb ab, weil sie darin eine Verstärkung der Aufrüstung des US-geführten Kriegsblocks sieht: „Von der EU und deren Mitgliedstaaten ist kein prinzipieller Widerstand gegen die US-Kriegspläne zu erwarten.“ Daran ist jedoch nur soviel richtig, dass auch die in der EU führenden imperialistischen Mächte Deutschland und Frankreich prinzipiell nichts gegen Kriege zur Unterwerfung fremder Völker und die gewaltsame Eroberung fremden Gebietes haben, - entspricht dies doch der Natur jedes Imperialismus. Aber sie streben - was Leo Mayer ja bestreitet - eine Neuaufteilung zu ihren Gunsten und damit unvermeidlich zu Lasten des US-Imperialismus an. Entscheidend wichtig festzustellen ist indessen: imperialistische Kriege haben ihre Ursache nicht darin, dass es imperialistische Gegensätze gibt, sondern diese Gegensätze entspringen der Natur des Imperialismus, zu dessen unabschaffbaren Lebensäußerungen Rüstung und Krieg ebenso gehören, wie die Jagd nach Maximalprofit – sie sind unverzichtbare Elemente dieser Jagd. Es kann nicht Aufgabe der Gegner des Imperialismus sein, sich solche utopische Ziele zu setzen, wie etwa die Abschaffung imperialistischer Gegensätze oder gar, für eine der rivalisierenden imperialistischen Seiten Partei zu ergreifen. Es kann nur darum gehen, diese Gegensätze auszunutzen für die Schwächung des Imperialismus insgesamt. Davon ist, wie gesagt, bei Mayer-Schuhler-Schmid nichts zu finden. Wie aber ist – nach ihrem Ratschlag – der Kriegsblock zu stoppen? „Die Hoffnung, Krieg und Barbarei zu stoppen, ruht auf der internationalen Friedensbewegung. ...Die Rede war von der „Zweiten Weltmacht.“ Sie hat gegen die Barbarei des Krieges die Kultur des Friedens gestellt.“ Hat sie das wirklich? Was ist das eigentlich, diese „internationale Friedensbewegung“? Die Monate seit der großen weltweiten Antikriegsdemo des 15. Februar müssten doch ausgereicht haben, unsere drei Autoren von einer solchen illusionären Vorstellung zu heilen, als ob es bereits eine machtvolle organisierte Friedensbewegung gäbe, die imstande wäre, „Krieg und Barbarei zu stoppen.“ Eine solche Friedensbewegung müsste erst geschaffen werden. So sehr wir uns alle über die großartigen Antikriegsdemonstrationen in nahezu aller Welt gefreut haben, sollten wir uns doch vor Wunschdenken hüten. Was Deutschland betrifft, so dürfte eigentlich allen klar sein, dass die große Mehrheit derjenigen, die am 15. Februar 2003 mit auf die Straße gegangen sind, dies getan hat, weil dazu auch die Regierung Schröder und ihre Parteien aufgerufen hatten. Von der heutigen Friedensbewegung als von einer „Zweiten Weltmacht“ zu reden, ist entweder Wunschdenken oder maßlose Übertreibung. Von einer „Weltmacht“ konnte nicht einmal bei der ungleich stärkeren und wirksameren, weil von den sozialistischen Staaten und starken kommunistischen Parteien in aller Welt mit getragenen Weltfriedensbewegung der Jahre der Anti-Atomkriegskampagnen und der Friedensbewegung gegen den Vietnamkrieg die Rede sein! Und durch welche Aktionen und Maßnahmen soll diese heutige Friedensbewegung „Krieg und Barbarei stoppen“? „Aufgabe der Friedensbewegung ist es, dem menschenverachtenden Zynismus der Propagierung „gerechter Kriege“, „humanitärer Invasionen“ und der nachträglichen Rechtfertigung von Angriffskriegen entgegenzutreten.“ Natürlich muss sie, müssen dies alle wirklich „Linken“ tun - aber lassen sich dadurch Barbarei und Krieg stoppen? „Das Völkerrecht darf nicht pervertiert und im Interesse der Aggressoren fortgeschrieben werden.“ Wie kann „die Friedensbewegung“ die Herrschenden zur Einhaltung einer solcher Forderung zwingen? „In Tribunalen und geduldiger Aufklärung muß der Krieg gegen den Irak als völkerrechtswidrige Aggression gebrandmarkt und die Kriegsverbrecher und ihre Helfershelfer an den Pranger der Weltöffentlichkeit vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gestellt werden. Ein solches Tribunal kann auch die UNO-Vollversammlung darstellen, indem sie auf Antrag von Mitgliedstaaten die Aggression als völkerrechtswidrigen Akt verurteilt.“ Natürlich muß in dieser Richtung gearbeitet werden und wird auch gearbeitet – aber nicht von „der Friedensbewegung“, sondern von Gremien, die von Kommunisten, Sozialisten und anderen Antiimperialisten geschaffen wurden. Diese sind allerdings gewöhnlich frei von der Illusion, ein von den imperialistischen Staaten beherrschter Internationaler Gerichtshof könne von der „Friedensbewegung“ zu einem Tribunal gegen Bush und seinesgleichen gemacht werden. „Die USA versuchen jetzt, der UNO das Schicksal des Völkerbundes zuzufügen. Umgekehrt sollte die Friedensbewegung die Idee und die Charta der Vereinten Nationen als reale Utopie des friedlichen Zusammenlebens der Völker zu beleben versuchen.“ Warum soll „die Friedensbewegung“ die Charta der Vereinten Nationen als „reale Utopie“ betrachten, statt als das, was sie ist: ein Dokument, in dem 1945 dank der Stärke der Sowjetunion und der Beharrlichkeit ihrer Führung die Imperialisten - so wie auch im Potsdamer Abkommen - gezwungen wurden, den Forderungen der Völker, in diesem Falle der Forderung nach Gleichberechtigung aller Nationen im Rahmen der UNO, nachzugeben? Statt der Friedensbewegung den Versuch zu empfehlen, eine „reale Utopie“ zu beleben, wäre ihr die Aufgabe zu stellen, alle Völker und Staaten zu unterstützen, die von allen, vor allem von den imperialistischen Großmächten, die strikte Einhaltung der Charta der UNO fordern. „Für die Friedensbewegung (steht) in der Zwischenkriegsphase die Aufklärungsarbeit im Vordergrund, Aufklärung über Ursachen und Hintergründe heutiger Kriege. Aufklärung über den Zusammenhang von Globalisierung, Krieg und Abbau sozialer und demokratischer Rechte.“ Wie soll das gehen ohne dabei über den deutschen Imperialismus zu sprechen? Und wer soll diese Aufklärung leisten, wenn nicht die Kommunisten? Aber von ihnen und ihren Aufgaben und ihrer Rolle in der Friedensbewegung ist im ganzen Artikel mit keinem einzigen Wort die Rede. „Diese Aufklärung legt die Grundlagen für eine schnelle und noch effektivere Mobilisierung gegen künftige Kriege. Sie ist aber vor allem die Voraussetzung dafür, dass die Antikriegsstimmung zum politischen Faktor wird, in aktive und eingreifende Friedenspolitik übergeht.“ Man wird in diesem Forderungs- und Aktionsprogramm nichts finden, was die Hoffnung rechtfertigen würde, mit seiner Verwirklichung könne selbst eine gut organisierte internationale Friedensbewegung „den Kriegsblock stoppen“. Dazu gleicht es zum einen zu sehr einem pazifistischen Wunschprogramm. Zum anderen wird „die Friedensbewegung“ zum Mythos einer „Zweiten Weltmacht“ hochstilisiert ohne jeden Versuch einer klassenmäßigen Analyse der sie tragenden sozialen Kräfte und ohne den leisesten Hinweis darauf, welche Aufgaben die Kommunisten in dieser Friedensbewegung haben. Dabei sind diese Aufgaben angesichts des ideologischen Kunterbunts in „der Friedensbewegung“ riesengroß. Unsere drei Autoren sind jedoch über die Zukunft der Bewegung voller Optimismus: „In der Auseinandersetzung um den Krieg gegen den Irak hat sich die Friedensbewegung zunehmend internationalisiert und mit anderen Bewegungen vernetzt. Es entstand ein globales Netzwerk aus Friedensbewegung, globalisierungskritischer Bewegung, alter und neue Sozialbewegung. Dieses Netz muss noch enger und fester geknüpft werden.“ Offenbar werden Kommunisten in diesem „Netzwerk“ nicht gebraucht. Oder sind sie etwa versteckt unter dem Begriff der „alten Sozialbewegung“?. „Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Aufklärung über die Rolle der Multis und ihres politisch-militärischen Hauptagenten, des US-Imperialismus.“ Wiederum die Frage: wo bleibt die Aufgabe der Aufklärung über die Rolle des Hauptkriegs-treibers in Europa, des deutschen Imperialismus? „Eine neue Ordnung wird bereits sichtbar, sie gewinnt an Gestaltungskraft. Sie drückt sich aus in den Millionen Menschen, die gegen den Krieg aufstehen. Die nicht mehr hinnehmen, dass der ganze Globus zu einer einzigen Ware wird. Die gegen globale Apartheid und für soziale Gerechtigkeit kämpfen. Diese Millionen eint die Losung: „Eine andere Welt ist möglich“ – eine Welt des Friedens und der menschlichen Solidarität.“ Damit beschließen Leo Mayer und seine Mitautoren ihre Thesen darüber, „wie der Kriegsblock zu stoppen ist.“ Sie machen damit deutlich, dass ihre Sicht auf die Aufgaben und Perspektiven der Friedens-bewegung die Sicht von ATTAC ist, nicht die Sicht von Kommunisten. Wäre sie das, dann hätten sie zum Ausdruck gebracht, dass es Aufgabe der Kommunisten ist, in der Friedensbewegung darüber aufzuklären, dass kein Imperialismus friedensfähig ist und dass der Kampf der Friedenskräfte in Deutschland sich nicht auf den Kampf gegen den US-Imperialismus beschränken darf, sondern dass er zugleich und sogar in erster Linie dem deutschen Imperialismus gelten muss. Und dann hätten sie als Aufgabe der Kommunisten genannt, in der Friedensbewegung dafür zu arbeiten, dass die gutgemeinte, aber vieldeutige ATTAC-Losung „Eine andere Welt ist möglich“ als unzureichend erkannt wird und dass die Millionen die eindeutige und allein den Weg zum Ziel einer Welt des Friedens und der menschlichen Solidarität weisende Losung „Eine sozialistische Welt ist möglich und nötig!“ zu ihrer Losung machen. Ich hoffe, durch die genauere Betrachtung des UZ-Artikels der drei Autoren ist deutlich geworden, zu welchen Konsequenzen in der praktischen Politik die Ersetzung der Leninschen Imperialismustheorie durch die Theorie Leo Mayers über das transnationale Kapital geführt hat, und dass diese Konsequenzen für eine kommunistische Partei nicht hinnehmbar sind. III. Anhang zum Diskussionsbeitrag zu Leo Mayers Thesen – Auszüge aus marxistischen Imperialismus-Analysen aus Kuba, Großbritannien und ÖsterreichI. Aus: „Imperialismus heute. Über den gegenwärtigen transnationalen Monopolkapitalismus“. Von R. Cevantes Martinez, F. Gil Chamizo, R. Regalado Alvarez, R. Zardoya Laureda. Editino Marxistiche Blätter, Neue Impulse-Verlag Essen 2000. Kapitel: Transnationalisierung, Staat und politische MachtDie Sicherung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse in Europa und Nordamerika führte zur Vereinigung der ehemals unabhängigen Provinzen „in eine Nation, eine Regierung, ein Gesetz, ein nationales Klasseninteresse, eine Douanenlinie“. In dem Maße, wie der Konzentrationsprozess des Eigentums und der Kapitalkreislauf die Grenzen der Rechtsprechung des Nationalstaates überschreiten, muss die transnationale Finanzoligarchie die Welt unter „eine Regierung“, „ein Gesetz“, „ein Interesse“ – in diesem Fall ein imperialistisches, transnationales – und „eine Grenze“ stellen: die Linie, die den übrigen Wirtschaftstypen der Welt den Zugang zu den Pfründen des transnationalen Kapitalkreislaufes versperrt. Diese Zweckbestimmung bildet eins der Grundgesetze ihrer historischen Entwicklung; auf dieses höchste Ziel sind heute alle ihre Anstrengungen als neu in die Geschichte eintretender Sektor der Bourgeoisie gerichtet. Aber dieses Vorhaben des heutigen Imperialismus stößt bei seiner Verwirklichung auf unüberwindliche Hindernisse: die Widersprüche zwischen dem Imperialismus – in erster Linie dem USA-Imperialismus – und den Ländern der sogenannten Dritten Welt, die zwischenimperialistischen Widersprüche, die Widersprüche zwischen der transnationalen Finanzoligarchie und den nationalen Bourgeoisien, zwischen den Sektoren dieser Bourgeoisien, die mit dem transnationalen Kapital assoziiert sind, und denen, die sich durch dieses bedroht sehen, und zwischen diesen bürgerlichen Sektoren und der Gesamtheit der Lohnabhängigen, organisiert oder nicht, und den Ausgegrenzten, deren zunehmende Pauperisierung die Unregierbarkeit und die sozialen Ausbrüche nährt, die die Möglichkeit in sich bergen, echte revolutionäre Situationen auszulösen. Nicht weniger als 37.000 transnationale Unternehmen und eine erhebliche Zahl von Finanzgruppen machen sich täglich jeden Millimeter ökonomisches und politisches Terrain streitig, eingeschlossen Arbeitskräfte, Märkte und die nationalen Staatsmaschinerien. Diese Widersprüche zeugen davon, dass die transnationale Finanzbourgeoisie, obgleich sie sich vorgenommen hat, die absolute Mehrheit der Weltbevölkerung – die kleine und mittlere Bourgeoisie, das Proletariat, die Bauernschaft, die Ausgegrenzten – von jeder Beteiligung an der Entscheidungsgewalt auszuschalten, nicht in der Lage ist, die politische Konfrontation auf nationaler und internationaler Ebene zu beseitigen, ebenso wie es ihr unmöglich ist, ein einziges Monopol zu schaffen. Innerhalb dieser Oligarchie bestehen vielfältige Widersprüche. Ihre wichtigsten Ausdrucksformen sind die Bildung von rivalisierenden regionalen Blöcken und der Antagonismus, der zwischen ihrem mächtigsten, auf eine totale Globalisierung gerichteten Sektor, vor allem in den USA, und jenen Sektoren entstanden ist, die sich in regionale Räume flüchten müssen, um ihre transnationalen ökonomischen und politischen Besitzstände zu sichern. Diese Antagonismen erklären zum großen Teil die wichtige Rolle, die die nationalen imperialistischen Staaten noch im Transnationalisierungsprozess des Monopolkapitalismus spielen. Das betrifft vor allem den USA-Staat und in geringerem Maße die Staaten Japans, Deutschlands und anderer Europäischer Länder, die politischen (lies: militärischen, juristischen und polizeilichen) Stützen der transnationalen Monopole. Das widersprüchliche Verhältnis von Konkurrenz und Kooperation, das zwischen den drei Hauptgruppierungen der transnationalen Finanzoligarchie und ihren jeweiligen imperialistischen Staaten besteht, ist einerseits bestimmt durch die objektive Notwendigkeit, Mechanismen der politischen Herrschaft und ökonomischen Regulierung herzustellen, die der transnationalen Ebene des Kapitalkreislaufes angemessen sind, und andererseits durch die spezifischen Interessen jedes der drei imperialistischen Zentren, nämlich: das veränderliche Kräfteverhältnis zwischen den Interessen der „Globalisten“, „Regionalisten“ und „protektionistischen Nationalstaaten“ der USA-Bourgeoisie, das nach der Unterzeichnung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens die Verwirklichung des Projektes einer kontinentalen Amerikanischen Freihandelszone behindert; die westeuropäische imperialistische Integration mit der Bundesrepublik Deutschland als Zentrum, die dazu bestimmt ist, sich der politischen, ökonomischen und militärischen Hegemonie des USA-Imperialismus zu erwehren; und die „Exportaggressivität“ des japanischen Imperialismus, der eine relativ kleine territoriale Ausdehnung und Bevölkerung hat und daher viel stärker als seine wichtigsten Partner und Konkurrenten von den Außenmärkten und davon abhängig ist, seine Unternehmen außerhalb seiner nationalen Grenzen anzusiedeln: vor allem in den Gebieten des pazifischen Beckens. II. Aus:„Imperialismus im 21. Jahrhundert. Sozialismus oder Barbarei“. Von Harpal Brar. Pahl-Rugenstein-Verlag Nachfolger, Bonn 2001. Kapitel IV: Aufteilung der Welt unter die imperialistischen Länder.Da die USA sich fortgesetzt weigern, den Dollar mit Zinserhöhungen zu stützen, sind die Japaner ihrerseits nicht länger gewillt, US-Schulden zu übernehmen und damit gigantische Wechselkursverluste zu erleiden. Dies verschärft wiederum die Konflikte und, nach dem Ende des Kalten Krieges, die Spannungen zwischen den beiden Ländern. Das alte internationale Währungssystem, in dem der Dollar als internationale Währungsreserve diente, bricht zusammen ohne einen Ersatz in Aussicht. Und dieser Zusammenbruch ist der Vorbote des kommenden Handelskrieges, der in seinem Ausmaß weit furchtbarer und verheerender ausfallen wird als das, was die Welt bisher gesehen hat. Es gibt gute Gründe zu glauben, dass dieser Konflikt sich nicht in den Grenzen eines Handelskrieges halten lässt; dass er in einen bewaffneten Konflikt von beispiellosen Dimensionen übergeht – denn „das Finanzkapital und die Trusts schwächen die Unterschiede im Tempo des Wachstums der verschiedenen Teile der Weltwirtschaft nicht ab, sondern verstärken sie. Sobald sich aber die Kräfteverhältnisse geändert haben, wie können dann unter dem Kapitalismus die Gegensätze anders ausgetragen werden als durch Gewalt?“ (Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, Gesammelte Werke, Band 22, S. 278) Kein Wunder, dass in den vergangenen sechs Jahren ein halbes Dutzend Bestseller von angesehenen bürgerlichen Autoren erschienen sind, die – ohne die geringste Sympathie für den Leninismus zu haben – den nächsten Krieg zwischen den USA und Japan vorhersagen. Die beste und triftigste Argumentation hierfür findet sich in „Der kommende Krieg mit Japan“ von G. Friedman und M. Lebard. Die Autoren machen geltend, dass die USA keine Vorteile in den bestehenden Beziehungen zu Japan mehr sehen, dass sie versuchen werden, ihre wirtschaftlichen Probleme auf Kosten Japans zu lösen und dass daraus zwischen beiden Ländern Krieg entsteht. „Aus amerikanischer Sicht überwiegen mit Ende des Kalten Krieges die Nachteile der Beziehungen mit Japan bei weitem die politischen Vorteile. Bei der umfassenden Umbildung ihres Imperiums erwarten die USA von Japan die Akzeptanz amerikanischer Vorherrschaft. ... Die USA versuchen, ihre wirtschaftlichen Probleme auf Kosten Japans zu lösen, indem sie mit ihrer politisch-militärischen Macht Japan zwingen, die Neuordnung zu akzeptieren. Es ist leichter, Japan zur Exportbeschränkung von Autos in die USA zu zwingen und ihren Einkauf amerikanischer Autos zu erhöhen als die Effizienz von Detroit“ (S. 401) Und: „Massive ökonomische Konkurrenz, verbunden mit geopolitischer Unsicherheit, verursachte den Ersten Weltkrieg. Die Vorstellung, dass dieselben Kräfte im 21. Jahrhundert mit Goodwill und vorsichtigen Verhandlungen im Zaum gehalten werden können, ist nicht sehr glaubwürdig.“ (S. 201) (...) Eines ist gewiss sicher, nämlich, dass die Ereignisse sich zunehmend in eine Richtung bewegen, die einen innerimperialistischen Handelskrieg als Vorläufer eines wirklichen Krieges wahrscheinlich machen mit dem Ziel der Neuaufteilung bestehender Einflusssphären, Rohstoffquellen und Märkte für Waren und Kapitalexport, es sei denn, diese Entwicklung wird durch Revolution gestoppt. In diesem Kontext müssen wir all die imperialistisch geführten und inspirierten Kriege und bewaffneten Konflikte rund um den Erdball betrachten – vom mörderischen Golfkrieg über den Genozid im ehemaligen Jugoslawien bis hin zum brudermörderischen Feldzug der mittelalterlichen Taliban-Barbaren in Afghanistan zugunsten des US-Imperialismus. All diese Konflikte zielen auf die Monopolisierung der Ölvorkommen im Nahen Osten und in den östlichen Republiken der ehemaligen Sowjetunion ab. In all diesen Kriegen bekämpfen die imperialistischen Mächte nicht nur die Völker der Region, sondern jede imperialistische Macht ist ebenso darauf bedacht, für sich selbst die vorteilhafteste Position herauszuschlagen. III. Aus: „Landesprogramm der KPÖ Steiermark“, Neue Volksstimme, Wien, Heft 2/2003. Kapitel: Wesenszüge des Kapitalismus im 21. Jahrhundert – Imperialismus heute.Im 1. Kapitel „Wesenszüge des Kapitalismus im 21. Jahrhundert – Imperialismus heute“ stellen wir im Abschnitt „Gewalt und Weltherrschaft“ (unter anderem) folgendes fest. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Imperialismus nur „friedensfähig“, so lange ihm das sozialistische Lager gegenüberstand. Wie es jetzt um seine Friedensfähigkeit bestellt ist, da es den Sozialismus auf europäischem Boden nicht mehr gibt, sieht man daran, dass der Imperialismus Staaten, die sich dem ungehinderten Zugriff auf ihre Ressourcen und Bodenschätze widersetzen, mit Kriegen überzieht. Diese imperialistische Praxis bestätigt die marxistische These, wonach die Aggressivität des Imperialismus sich aus der Art seiner Widersprüche entwickelt und er auf Grundlage seiner inneren Gesetzmäßigkeit „gezwungen“ ist, sie auszutragen. Letzten Endes geht es im imperialistischen Krieg immer um Aneignungsquellen – letztlich um die Eigentumsfrage. Je mehr weltweit dereguliert, privatisiert und liberalisiert wird, je mehr Investitionen im Ausland liegen, je größer die Bedeutung ausländischer Märkte für die Reproduktion des Kapitals wird, je schärfer der Widerspruch zwischen Nord und Süd, Reich und Arm wird, desto wichtiger ist für die transnationalen Konzerne die Sicherung ihrer Interessen und Einflusssphären durch „ihren“ Nationalstaat und einen Gewaltapparat, der global die Interessen der imperialistischen Hauptmächte absichert und die weitere Globalisierung zu ihren Bedingungen garantiert. Der amerikanische Imperialismus ist das Machtzentrum der imperialistischen Zentren. Die USA sind die stärkste Militärmacht der Welt und beanspruchen – gestützt auf die NATO – unumwunden das Recht der militärischen Intervention in allen Staaten, die sich ihrem Weltherrschaftsanspruch und ihren Profitinteressen widersetzen mit oder ohne NATO. Anstelle des Systemwettbewerbs tritt der Kampf um die innerimperialistische Vormachtstellung. Der Kampf der Kapitale um die Anteile am Weltmarkt transformiert sich im Kampf der Großmächte um den Weltmarkt. Der Euro ist Konkurrenzwährung zum Dollar und Instrument europäischer Wirtschafts- und Machtpolitik. Eine starke integrierte EU des transnationalen Monopolkapitals steht zwangsweise in Konkurrenz zum US-Imperialismus. Der Kampf um Einflusszonen, um die Vorherrschaft über die strategisch wichtigen Regionen der Welt ist bereits voll im Gange. (...) In dem Maße, wie die Widersprüche zwischen den Wirtschaftsblöcken wachsen und die gemeinsame Sicherheitspolitik der EU (GASP) Gestalt annimmt, werden die Differenzen der EU zu den USA in strategischen und taktischen Fragen auch politikrelevant. Auch die EU will, zusätzlich zur NATO, mit einer hochtechnologischen Interventionsmacht international und gegebenenfalls unter Bruch des Völkerrechts militärisch operieren können. Entscheidend bleibt, dass auch heute ein Dritter Weltkrieg – für wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich er momentan auch gehalten wird – nur zu vermeiden ist, wenn der Kampf um die sozialistische Revolution in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern geführt wird. Denn der zündende Funke eines solchen Krieges – welche Blöcke auch immer an ihm teilnahmen – bleibt der auf einem anderen Weg nicht zu beseitigende Widerspruch zwischen dem imperialistischen Ausdehnungsbedürfnis der kapitalistischen Zentren und seiner möglichen Befriedigung. Von diesem Ziel sind wir hinsichtlich der subjektiven Bedingungen weiter entfernt als je zuvor. Kurt Gossweiler, Berlin
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